Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Berufung (MC). 
einer Nachprüfung in rechtlicher und tat- 
sächlicher Hinsicht, einschließlich der 
Strafbemessung, bringt. Die B(e)r(ufung) 
steht dem beschwerten Angeklagten und 
dem erstinstanzlichen Gerichtsherrn zu, 
diesem auch zugunsten des Angeklagten. 
Auch der Verteidiger kann, jedoch nur 
in ausdrücklichem Auftrage des Ange- 
klagten, das Rechtsmittel ergreifen, an- 
deren Personen, z. B. den Eltern des min- 
derjährigen Angeklagten, steht dieses 
Recht nicht zu. Ein Irrtum in der Bezeich- 
nung des Rechtsmittels ist unschädlich, 
insbesondere genügt für den Angeklagten 
jede Erklärung, aus welcher klar hervor- 
geht, daß er bei dem Urteil sich nicht be- 
ruhigen will. Dagegen muß die Erklä- 
rung unbedingt und vorbehaltlos abge- 
geben sein. Die Berufungsfrist beträgt 
eine Woche nach Verkündung bzw Zustel- 
lung des Urteils. Der Angeklagte reicht, 
ohne an die Einhaltung des Dienstweges 
gebunden zu sein, die Br bei dem Ge- 
richtsherrn ein, welcher das Gericht erster 
Instanz berufen hat, und zwar schriftlich 
oder zu Protokoll einer gesetzlich be- 
stimmten Person (Gerichtsoffizier, richter- 
licher Beamter, Disziplinarvorgesetzter 
insbes). Der Gerichtsherr legt Br ein 
durch Abgabe einer diesbezüglichen Er- 
klärung (mündlich, schriftlich, telepho- 
nisch, telegraphisch) gegenüber seinem 
Gerichtsoffizier bzw richterlichen Be- 
amten. Die gerichtsherrliche Erklärung 
muß durch denjenigen, welchem gegen- 
über sie abgegeben wurde, zu den Akten 
beurkundet werden; diese Beurkundung 
ist ein von der Berufungserklärung selbst 
unabhängiger, selbständiger Akt, welcher 
an keine Frist gebunden ist, dagegen die 
Zeit der Berufungseinlegung zu ver- 
merken hat. Der Gerichtsherr muß, wenn 
er Br einlegt, gleichzeitig erklären, wes- 
halb und inwieweit das Urteil von ihm an- 
gefochten wird. An sich hat auch der An- 
geklagte diese Verpflichtung. Unterläßt 
derselbe jedoch die Aufstellung be- 
stimmter Beschwerdepunkte, so ist er 
durch einen Gerichtsoffizier oder Kriegs- 
gerichtsrat in dieser Richtung zu ver- 
nehmen; hierbei,ist dem Vernehmenden 
jegliche Einwirkung auf die Entschließung 
des Angeklagten verboten ; nicht erforder- 
lich ist, daß diese nachträgliche Festle- 
gung der Beschwerdepunkte innerhalb der 
Berufungsfrist erfolgt. Sollte aus irgend- 
welchen Gründen die Vernehmung nicht 
  
223 
durchführbar sein, so gilt im Zweifel der 
ganze Inhalt des Urteils als angefochten, 
soweit derselbe dem Angeklagten ungün- 
stige Festsetzungen trifft. Angeklagter 
und Gerichtsherr sind befugt, vor dem 
Termin zur Berufungshauptverhandlung 
schriftliche Gegenerklärungen auf die Be- 
gründung der Br zu den Akten zu geben. 
Auf Einlegung der Br kann vor Fristab- 
lauf, jedoch nicht vor Beginn der Beru- 
fungsfrist rechtswirksam verzichtet wer- 
den; jeder Verzicht ist unwiderruflich und 
muß unbedingt sein; derjenige des Ge- 
richtsherrn ist in gleicher Weise wie die 
Einlegung der Br zu beurkunden. Bis zum 
Beginn der Hauptverhandlung vor dem 
Berufungsgericht kann die eingelegte Br 
— auch teilweise — zurückgenommen 
werden, seitens des Verteidigers jedoch 
nur, wenn ihn der Angeklagte hierzu aus- 
drücklich ermächtigt hat, seitens des Ge- 
richtsherrn (Beurkundung!), welcher zu- 
gunsten des Angeklagten das Rechts- 
mittel ergriffen hat, nur, wenn der Ange- 
klagte auf die Br ausdrücklich verzichtet. 
Eine Anschlußberufung kennt die MC 
nicht. Der höhere d. h. vorgesetzte Ge- 
richtsherr hat ein selbständiges Recht, 
den ihm untergebenen Gerichtsherrn in 
concreto anzuweisen, Br einzulegen oder 
zurückzunehmen; auch in diesem Fall 
müssen Frist und Form gewahrt, insbe- 
sondere die oben erwähnten Beurkun- 
dungen vorgenommen werden. Nach Ein- 
legung der Br übersendet der Gerichts- 
herr erster Instanz die Akten dem Beru- 
fungsgerichtsherrn;; dieser prüft Frist und 
Form; wird die Br nicht für frist- oder 
formgerecht befunden, so kann (nicht 
„muß‘) der Berufungsgerichtsherr das 
Rechtsmittel als unzulässig zurückweisen. 
Andernfalls veranlaßt er den Zusammen- 
tritt des erkennenden Gerichts und beauf- 
tragt einen richterlichen Beamten mit der 
Vertretung der Anklage in der Hauptver- 
handlung. Ist in Sachen der niederen Ge- 
richtsbarkeit der kommandierende Gene- 
ral (Admiral) Gerichtsherr der Berufungs- 
instanz (was selten der Fall sein dürfte!), 
so kann er mit der Zusammenberufung 
des erkennenden Berufungsgerichts einen 
ihm unbestellten Gerichtsherrn der 
höheren Gerichtsbarkeit betrauen. Die 
Hauptverhandlung vor dem Berufungsge- 
richt bewegt sich im allgemeinen in den 
Formen der erstinstanzlichen Verhand- 
lung. Neue Beweismittel sind zulässig; er-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.