Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

276 
lehre als religiöses Dogma, deshalb bemerkens- 
wert, weil in ihr die theoretische Begründun 
des absoluten Königtums im Sinne desLudwigXlV. 
beigelegten Ausspruches: „L’Etat c’est moi,“ ver- 
sucht wird. Bogeng. 
Bote. Vom Boten, dem „nuntius‘, ist 
im Corpus iuris wiederholt die Rede. U. a. 
wird in 12 pr D 2, 14 der Vertragsabschluß 
unter Abwesenden „per nuntium‘ zuge- 
lassen. Über die Stellung des nuntius im 
römischen Recht bestehen Meinungsver- 
schiedenheiten. Es muß insbesondere da- 
hingestellt bleiben, ob bereits dem alt- 
römischen Recht der Unterschied 
zwischen dem Boten und Stellvertreter ge- 
läufig gewesen ist. Nach Mitteis (siehe 
die unten angeführte Literatur) und an- 
deren ist aus den Stellen 1 38 D 36, 1 
und 1 18 D 23, 1 zu schließen, daß die 
Römer den Unterschied zwischen einem 
Boten als dem bloßen Werkzeug zur Über- 
mittlung von Willenserklärungen und dem 
Stellvertreter als demjenigen, der das 
ganze Rechtsgeschäft für einen anderen 
aus eigener Initiative vornimmt, gekannt 
haben. Es ergebe sich das ganz besonders 
daraus, daß die Verbindung ‚„vel per 
epistolam vel per nuntium‘‘ mit Vorliebe 
gebraucht werde und es zudem an einer 
der vorgenannten Stellen heiße: „an per 
internuncium vel per epistolam an per 
alium factum est“. Hier sei dem bloßen 
Werkzeug (Bote oder Brief) der aus 
eigener Initiative Handelnde (Stellver- 
treter) gegenübergestellt. Hauskinder und 
Sklaven können im übrigen nach 
Savigny nicht als Boten für den pater 
familias tätig werden, deswegen nicht, 
weil Rechte aus den Handlungen Gewalt- 
unterworfener ohne weiteres und unbe- 
dingt in das Vermögen des Vaters kamen, 
ohne daß es zu den Handlungen beson- 
derer Instruktionen seitens des Vaters be- 
durfte, dagegen solche zur Erwirkung 
einer Botentätigkeit stets erforderlich 
waren. 
Von den Glossatoren beschäftigt sich 
besonders Azo mit dem Unterschied zwi- 
schen procurator und nuntius. Accursius 
verlangt zum gültigen Abschluß eines 
Vertrages durch einen Boten das Vor- 
liegen einer besonderen Vollmacht, den 
Vertrag als Bote abzuschließen, und er- 
klärt es daher für nichtig, wenn jemand, 
der keinen Auftrag hat oder als procu- 
rator beauftragt ist, als nuntius handelt. 
Die Postglossatoren schließen sich 
  
| 
| 
| 
Bossuet — Brachygraphie. 
durchweg der Meinung der Glossa- 
toren an. 
Von späteren Schriftstellern befaßt sich 
vor allem Duarenus (gest. 1559) sehr ein- 
gehend mit dem Unterschied zwischen 
nuntius und procurator. 
v.Hachten De nuncio, Tübingen 1660; Adolf Maier 
Der Bote, Göttingen; Mitteis Die Lehre von der Btell- 
vertretung nach römischem Recht, Wien 85; Zoll über 
Mitteis Die Lehre von der 8tellvertret nach römischem 
Recht, in Grünhuts Zeitschrift 14 221 ff, Wien 86; Schloß- 
mann Organ und Stellvertreter, Jheri Jahrb 44B, 02, 
289 ff; ABmann Die Rechtsstellun es Boten, Berlin 
06; vgl auch die dort I-XU aufge weitere Lite- 
ratur. — Siehe die Stichworte: Stellvertretung, Expresser 
Bote. Knetsch. 
Bothfeld s. Eingemeindung. 
Botschaft s. Gesandte. 
Boykott s. Gewerbliche Kampfmittel. 
Brachvögel s. jagdbare Tiere. 
Brachygraphie. Die Kunst, abge- 
kürzt zu schreiben, um schnell zu schrei- 
ben, ist so alt wie die Kunst des Schrei- 
bens überhaupt. Sie entwickelte sich 
einerseits in Systemen besonderer Kurz- 
schrift, andererseits in Systemen, die in 
methodischer Weise bestimmte Abkür- 
zungen (Abbreviaturen) verwendeten, sei 
es, daß systematisch Satzkürzungen 
durchgeführt, sei es, daß Wortkürzungen 
vorgenommen wurden, insbesondere auch 
statt der ganzen Wörter nur ihre Anfangs- 
buchstaben oder Zeichen (Siglen) Ver- 
wendung fanden. Solche Abkürzungen, 
besonders häufig in lateinischen Schriften 
und Urkunden des Mittelalters, verloren 
sich mit der Entwickelung des Buchdrucks 
nur allmählich, ihre Auflösung gehört zu 
den wichtigsten Aufgaben der Paläogra- 
phie und Diplomatik. Die bei den Rö- 
mern viel geübte Abkürzungssucht war 
schon bei der Zusammenstellung des Cor- 
pus iuris die Ursache mancher Schwierig- 
keiten und wohl auch die Quelle mancher 
Irrtümer, weshalb im 6. Jahrh Justi- 
nian, um wenigstens in Zukunft der sig- 
lorum malitia zu verhindern, mit Strafan- 
drohungen verbot, das neue Gesetzbuch 
anders als mit ausgeschriebenem Texte 
in den Handel zu bringen, und verordnete, 
daß bei den Gerichten nur Exemplare 
ohne Abkürzungen Verwendung finden 
durften. Eine ähnliche Verordnung gab 
Basileus dann im 9. Jahrh. Allerdings 
fand dies Verbot in späterer Zeit (wohl 
auch wegen der kostspieligen Herstellung 
der Buchhandschriften) nur geringe Be- 
achtung, schon im 12. Jahrh wurden Ge- 
setze nötig (wie eine Ordonnance Philippe 
le Bel’s von 1304), die Abkürzungen in 
den Notariatsakten untersagten, damit de-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.