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lehre als religiöses Dogma, deshalb bemerkens-
wert, weil in ihr die theoretische Begründun
des absoluten Königtums im Sinne desLudwigXlV.
beigelegten Ausspruches: „L’Etat c’est moi,“ ver-
sucht wird. Bogeng.
Bote. Vom Boten, dem „nuntius‘, ist
im Corpus iuris wiederholt die Rede. U. a.
wird in 12 pr D 2, 14 der Vertragsabschluß
unter Abwesenden „per nuntium‘ zuge-
lassen. Über die Stellung des nuntius im
römischen Recht bestehen Meinungsver-
schiedenheiten. Es muß insbesondere da-
hingestellt bleiben, ob bereits dem alt-
römischen Recht der Unterschied
zwischen dem Boten und Stellvertreter ge-
läufig gewesen ist. Nach Mitteis (siehe
die unten angeführte Literatur) und an-
deren ist aus den Stellen 1 38 D 36, 1
und 1 18 D 23, 1 zu schließen, daß die
Römer den Unterschied zwischen einem
Boten als dem bloßen Werkzeug zur Über-
mittlung von Willenserklärungen und dem
Stellvertreter als demjenigen, der das
ganze Rechtsgeschäft für einen anderen
aus eigener Initiative vornimmt, gekannt
haben. Es ergebe sich das ganz besonders
daraus, daß die Verbindung ‚„vel per
epistolam vel per nuntium‘‘ mit Vorliebe
gebraucht werde und es zudem an einer
der vorgenannten Stellen heiße: „an per
internuncium vel per epistolam an per
alium factum est“. Hier sei dem bloßen
Werkzeug (Bote oder Brief) der aus
eigener Initiative Handelnde (Stellver-
treter) gegenübergestellt. Hauskinder und
Sklaven können im übrigen nach
Savigny nicht als Boten für den pater
familias tätig werden, deswegen nicht,
weil Rechte aus den Handlungen Gewalt-
unterworfener ohne weiteres und unbe-
dingt in das Vermögen des Vaters kamen,
ohne daß es zu den Handlungen beson-
derer Instruktionen seitens des Vaters be-
durfte, dagegen solche zur Erwirkung
einer Botentätigkeit stets erforderlich
waren.
Von den Glossatoren beschäftigt sich
besonders Azo mit dem Unterschied zwi-
schen procurator und nuntius. Accursius
verlangt zum gültigen Abschluß eines
Vertrages durch einen Boten das Vor-
liegen einer besonderen Vollmacht, den
Vertrag als Bote abzuschließen, und er-
klärt es daher für nichtig, wenn jemand,
der keinen Auftrag hat oder als procu-
rator beauftragt ist, als nuntius handelt.
Die Postglossatoren schließen sich
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Bossuet — Brachygraphie.
durchweg der Meinung der Glossa-
toren an.
Von späteren Schriftstellern befaßt sich
vor allem Duarenus (gest. 1559) sehr ein-
gehend mit dem Unterschied zwischen
nuntius und procurator.
v.Hachten De nuncio, Tübingen 1660; Adolf Maier
Der Bote, Göttingen; Mitteis Die Lehre von der Btell-
vertretung nach römischem Recht, Wien 85; Zoll über
Mitteis Die Lehre von der 8tellvertret nach römischem
Recht, in Grünhuts Zeitschrift 14 221 ff, Wien 86; Schloß-
mann Organ und Stellvertreter, Jheri Jahrb 44B, 02,
289 ff; ABmann Die Rechtsstellun es Boten, Berlin
06; vgl auch die dort I-XU aufge weitere Lite-
ratur. — Siehe die Stichworte: Stellvertretung, Expresser
Bote. Knetsch.
Bothfeld s. Eingemeindung.
Botschaft s. Gesandte.
Boykott s. Gewerbliche Kampfmittel.
Brachvögel s. jagdbare Tiere.
Brachygraphie. Die Kunst, abge-
kürzt zu schreiben, um schnell zu schrei-
ben, ist so alt wie die Kunst des Schrei-
bens überhaupt. Sie entwickelte sich
einerseits in Systemen besonderer Kurz-
schrift, andererseits in Systemen, die in
methodischer Weise bestimmte Abkür-
zungen (Abbreviaturen) verwendeten, sei
es, daß systematisch Satzkürzungen
durchgeführt, sei es, daß Wortkürzungen
vorgenommen wurden, insbesondere auch
statt der ganzen Wörter nur ihre Anfangs-
buchstaben oder Zeichen (Siglen) Ver-
wendung fanden. Solche Abkürzungen,
besonders häufig in lateinischen Schriften
und Urkunden des Mittelalters, verloren
sich mit der Entwickelung des Buchdrucks
nur allmählich, ihre Auflösung gehört zu
den wichtigsten Aufgaben der Paläogra-
phie und Diplomatik. Die bei den Rö-
mern viel geübte Abkürzungssucht war
schon bei der Zusammenstellung des Cor-
pus iuris die Ursache mancher Schwierig-
keiten und wohl auch die Quelle mancher
Irrtümer, weshalb im 6. Jahrh Justi-
nian, um wenigstens in Zukunft der sig-
lorum malitia zu verhindern, mit Strafan-
drohungen verbot, das neue Gesetzbuch
anders als mit ausgeschriebenem Texte
in den Handel zu bringen, und verordnete,
daß bei den Gerichten nur Exemplare
ohne Abkürzungen Verwendung finden
durften. Eine ähnliche Verordnung gab
Basileus dann im 9. Jahrh. Allerdings
fand dies Verbot in späterer Zeit (wohl
auch wegen der kostspieligen Herstellung
der Buchhandschriften) nur geringe Be-
achtung, schon im 12. Jahrh wurden Ge-
setze nötig (wie eine Ordonnance Philippe
le Bel’s von 1304), die Abkürzungen in
den Notariatsakten untersagten, damit de-