Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Bundesrat. 
Kaiserwürde, deren Rechte namens der 
Gesamtheit (Reich oder Verbündete) ge- 
übt sind, sachlich aber auf den Gebieten 
des Wehr-, diplomatischen und Kolonial- 
wesens große Selbständigkeit gewähren, 
beide Gesichtspunkte verschmilzt. 
II. (Organisatorische Gestaltung im 
ganzen.) Jener Grundeigenschaft entspre- 
chend ist der organisatorische Ausbau 
des BR im ganzen ein absolut einheit- 
licher, insoweit es sich um das Verhältnis 
zu den Einzelstaaten handelt. Diese selbst 
in ihren Souveränen, nicht die Bevoll- 
mächtigten, sind Mitglieder des Bundes, 
R 6, und es kommt die Vertretung im Sinn 
der Willenserzeugung, da die Staaten als 
nicht physische Gebilde keinen Willen 
haben, rechtlich nur zustande seitens der 
Inhaber der Staatsgewalt, also der Monar- 
chen (bzw der Senate der freien Städte). 
Diese ernennen und instruieren im Regie- 
rungswege die Bevollmächtigten zum BR, 
als Vertreter im Sinne der Willensbekun- 
dung ; den Fürsten ist nicht gestattet, selbst 
dem Reich gegenüber zu votieren, und wo, 
gewissermaßen ein Fürstenrat, die Ge- 
samtheit der Bundesglieder persönlich er- 
scheint, bedeutet dies nur einen politi- 
schen Akt, keine staatsrechtliche Organi- 
sation. Die Bundesgeschäfte erheischen 
fast ständige Anwesenheit und beamtete 
Arbeit und können verfassungsmäßig nur 
durch das Medium des BR vollzogen wer- 
en. 
Inwieweit indirekt die Parlamente der 
Einzelstaaten auf die Willenserzeugung 
Einfluß haben, ist eine tatsächliche, poli- 
tische Frage, die so häufig zu bejahen ist, 
daß Bundesratsvoten als Destillat aller 
Einzelstaatskräfte bezeichnet wurden. 
Rechtlich kann es, da die Stimmführung 
im BR eine auf Grund der R geschehende 
Betätigung und reichsrechtlich an keine 
Vorbedingung als die Bevollmächtigung 
gebunden ist, nicht angehen, landesrecht- 
liche Erfordernisse sonst zu erheischen, 
wie z.B. Zorn für die Aufhebung von Re- 
servatrechten annimmt, oder einzuführen, 
wie manche Gelehrte für möglich erklären 
(tatsächlich geschah es nie), und damit 
das Reich, welches im Reichstag seinen 
eigenen parlamentarischen Faktor hat, 
noch von einzelstaatlichen Parlaments- 
akten dazu abhängig zu machen. Alle 
Bundesratsbetätigung ist der Quelle nach 
reiner Regierungsakt. 
Nur die Tatsache der Bevollmächtigung 
Posener Rechtslexikon I. 
  
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und die vom Bevollmächtigten abgegebe- 
nen Erklärungen kommen für das Reich 
in Betracht. Alle anderen Punkte des Auf- 
tragsverhältnisses sind interner Natur zwi- 
schen dem Heimatsstaat und der entsand- 
ten Person, welcher ein größerer oder 
kleinerer Spielraum gelassen sein kann; 
es gibt allgemeine und spezielle, dazu 
feste und flüssige, prinzipale und even- 
tuelle Instruktionen neben dem selbstver- 
ständlichen Gebot, ohne Eigenmächtigkeit 
nach den wahren, durch Umstände sich 
modifizierenden Absichten und Interessen 
von Heimatsregierung und -staat zu han- 
deln. Die Instruktion kann nie vom Reich 
abverlangt werden. Die Stimmführung 
ist so, wie geschehen, dort auch vom Hei- 
matsstaat hinzunehmen, einerlei ob sie ge- 
billigt war oder wird; zwar sind proto- 
kollarische Nachträge nicht ausgeschlos- 
sen, aber nicht fähig ein Abstimmungs- 
ergebnis zu ändern, es müßte denn der 
BR eine erneute Lesung beschließen und 
noch beschließen können. Die Verantwor- 
tung für die Abstimmung trägt die glied- 
staatliche Regierung allein und nur ihrem 
Landtag gegenüber. 
Nach diesen Seiten hin stellt die 
Organisation demnach rechtlich und tat- 
sächlich einen Bevollmächtigtenkongreß 
dar, wie auch der Bundestag ein solcher 
war. Aber der BR wirkt nach anderen 
Seiten seines Wesens viel mehr, wegen 
anderer weitgehender Aufgaben, nämlich 
wie ein Oberhaus und eine höchste Regie- 
rungsbehörde zugleich, aber beides nur 
in einzelnen Hinsichten und in anderen 
wiederum nicht, und es kann ihm juristisch 
nicht, sondern nur politisch eine solche 
Eigenschaft zugemessen werden. 
Er wirkt wie ein Oberhaus als Gesetz- 
gebungsfaktor, weil kein Gesetz ohne ihn 
zustande kommen kann und er dabei doch, 
obwohl alle Regierungsentwürfe nach 
Maßgabe seiner Beschlüsse an den Reichs- 
tag gebracht werden, R 16, nicht der ein- 
bringende Regierungsfaktor ist; die Vor- 
lage erfolgt vielmehr im Namen des Kai- 
sers durch den Kanzler. So eingehend 
der BR schon bei vielen Entwürfen in der 
Vorbereitung beigezogen worden ist, so 
werden diese doch, beträfen sie Gesetze, 
Etats, öfters auch nur bindende Verlaut- 
barungen (für Thronreden erfolgt üblicher- 
weise kein Beizug), zuvor in den Reichs- 
ämtern ausgearbeitet und die Reichs- 
ressorts haben daher faktisch erstere bei- 
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