Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Bundesrat. 
manchmal erwünschte Station für nach- 
trägliche Verbesserungen, so liegt doch in 
den Ausschüssen der Schwerpunkt der 
Arbeit, insbesondere der sachlichen Vor- 
prüfung, der technischen Vervollkomm- 
nung, der redaktionellen Ausfeilung der 
Entwürfe und Motive, und jede Plenar- 
versammlung hat die Neigung, so zu be- 
schließen, wie ihre Kommissionen es be- 
antragen, wenn nicht dringende Gründe 
entgegenstehen; sonst müßte man die 
Dinge immer wieder von neuem auf- 
wickeln. In den Ausschüssen ist das Stim- 
mengewicht Preußens, obwohl es einem 
jeden Ausschuß angehört, wesentlich ver- 
mindert; denn jeder ihnen angehörende 
Staat (5 bis 7 Mitglieder) verfügt nur über 
eine Stimme. Das Gewicht der Mittel- 
staaten namentlich erhöht sich dabei um 
so mehr, je mehr Ausschüsse zusammen 
tagen, indem jene Staaten ebenso wie die 
Vormacht fast allen zugleich angehören 
und die Stimmen der Ausschüsse durch- 
gezählt werden. Tagen z. B. etwa3 vonder 
normalen Anzahl (mit zusammen 21 Stim- 
men), so hat in der Regel jedes Königreich 
davon ebenso wie Preußen je 3 Stimmen. 
Dieses Verhältnis bietet, wo es sich nicht 
um Machtentscheidungen handelt, eine 
wichtige Gewähr dafür, daß die Anschau- 
ungen aus allen Teilen Deutschlands mit 
Aussicht auf eine wirkliche Ausgleichung 
zutag treten. Um so mehr, als die Aus- 
schüsse nicht bloß formell die vom BR zur 
Prüfung empfangenen Voriagen durch- 
arbeiten, sondern zugleich Zeit und Ge- 
legenheit zu Vermittelungen zwischen 
Reichsressorts und Einzelregierungen und 
diesen unter sich darbieten, manchmal 
auch ohne vorgängige Überweisung ver- 
trauliche Mitteilungen und Anfragen über 
Erwägungspunkte aus ihrem Sachgebiet 
empfangen, einzelne bestimmungsgemäß 
zu gewissenVerwaltungshandlungen selb- 
ständig berufen sind (GeschO 25ff für 
Zoll-, Steuer- und Rechnungssachen) und 
überhaupt hier bei der kleineren Anzahl 
von Personen im Gegensatz zur starken 
Plenarversammlung der natürliche Platz 
gegeben ist, um die engeren Fühlungen zu 
pflegen. 
V. (Geschäftsgang.) Die Geschäftsweise 
des BR beruht quellenmäßig teils auf der 
Verfassung, Art 6 Abs 2, 7 Abs 2—4, 8, 12 
bis 15, teils auf einer autonomen Ge- 
schäftsordnung dazu (heutige Fassung 
von 1880 und 1895 herrührend), teils auf 
  
309 
bloßer Übung. Letzteres ist zumeist ge- 
rade der Fall bezüglich der Hauptgrund- 
sätze 
1. der Kontinuität, indem, die Verfas- 
sungssätze überholend, welche minde- 
stens alljährliche Tagung, auch Einrufung 
auf Verlangen eines Drittels der Plenar- 
stimmen und notwendige Präsenz wäh- 
rend Anwesenheit des Reichstags erge- 
ben, der BR längst tatsächlich eine stärr- 
dige Versammlung wurde, für die auch 
nach eintretenden Ferien keine neue kai- 
serliche Berufung erfolgt; 
2. der Geheimheit i. S. der Nichtöffent- 
lichkeit des Verhandelns, welche, nir- 
gends positiv ausgesprochen, höchstens 
mit einem Argument e contrario aus R 22 
(Öffentlichkeit des Reichstags) abzuleiten 
ist. Aber $ 26 der GeschO, die außerdem 
für einzelne Gegenstände besonders be- 
handelte geheime Drucksachen vorsieht, 
bestimmt, daß der Inhalt aller mündlichen 
Verhandlungen des BR und der Aus- 
schüsse geheimzuhalten sei, setzt also 
die Abhaltung bei geschlossenen Türen an 
sich schon voraus und verstärkt sie nur 
durch das Amtsgeheimnis. Nach Bis- 
marcks späterer Ansicht ist durch den 
Mangel der Öffentlichkeit die Wirksamkeit 
des Bundesrats nach außen unterbunden, 
Öffentlichkeit würde auch sein Ansehen 
zunächst außerordentlich erhöhen, falsche 
Vorstellungen über ihn alsbald beseitigen, 
das Gewicht der Minorität jeweils stei- 
gern und die Kontrollust der Einzelland- 
tage lebhaft machen. Aber andererseits 
würden größte Vorzüge verschwinden, 
nämlich daß dort lediglich objektiv ver- 
handelt wird und stete Möglichkeit und 
Bereitschaft zum Ausgleich besteht zu- 
folge der Ungebundenheit nach außen. 
Auch würden die Kompromisse, welche 
nach den Hauptstadien der Beratungen 
des Reichstags zu schließen sind, so wenig 
wie dort öffentlich behandelt werden 
können. 
3. Die Einigkeit nach außen trotz Bun- 
desratsbeschlüssen per majora ist ein 
wertvollster Übungsgrundsatz vom Stand- 
punkte eines Regierungsfaktors und be- 
steht in der Nichtausübung der R 9, wo- 
nach jedes Mitglied des BR im Reichs- 
tag die Ansichten seiner Regierung ver- 
treten kann, „auch dann, wenn dieselben 
von der Majorität des BR nicht adoptiert 
worden sind‘. Wird in seltenen Fällen 
(z. B. in der Rede des württ Ministers
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.