Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Code d’instruction criminelle — Codex. 
renengerichts geworden, die Geschwore- 
nen entscheiden über die Schuldfrage mit 
einfacher Stimmenmehrheit. — Berufung 
(Appel) ist statthaft von den Polizeige- 
richten an die tribunaux correctionnels, 
wenn auf Gefängnis oder auf mehr als 
5 Fres Geldstrafe erkannt ist; von den tri- 
bunaux correctionnels an die Appellhöfe. 
Außerordentliche Rechtsmittel sind der 
Kassationsrekurs und die Revision. Er- | 
sterer findet statt gegen alle Urteile letz- 
ter Instanz wegen Formfehler (nullites) 
und wegen unrichtiger Anwendung des 
Gesetzes. Die Revision ist eine auf we- 
nige Fälle (Wiederauftauchen der an- 
geblich ermordeten Person, einander 
widersprechende Verurteilungen verschie- 
dener Personen wegen derselben Hand- 
lung und Verurteilung eines Zeugen we- 
gen falschen Zeugnisses) beschränkte 
Wiederaufnahme des Verfahrens, auf An- 
ordnung des Kassationshofes, der, wenn 
die Sache „en etat‘“ ist, auch selbst ent- 
scheiden kann; durch das aus Anlaß des 
Falles Dreyfus erlassene Ges vom 
1./2. März 1899 sind an die Stelle der sec- 
tion criminelle die chambres r&unies des 
Kassationshofes getreten (loi de dessai- 
sissement) ; neuerdings ist dieses Gesetz 
wieder aufgehoben. Michaelis. 
Code penal, das französische S, ist, 
nachdem bereits am 25. Sept 1791 und am 
3. Brumaire IV Strafgesetzbücher erlas- 
sen worden waren, an deren Stelle am 
1. Jan 1811 in Kraft getreten. Das Gesetz- 
buch beruht auf den strafrechtlichen Theo- 
rien Benthams, dem Präventions- und 
Sicherungsprinzipe; es hat aber, wie sich 
französische Schriftsteller ausdrücken, in 
der Absicht, den Verbrechen durch Furcht 
vor Strafe zuvorzukommen, die Schwere 
der Strafandrohungen übertrieben und 
barbarische Strafmittel früherer Zeiten 
aufrechterhalten. So war Todesstrafe 
auch für Münzfälschung, Fälschung öf- 
fentlicher Urkunden und schweren Dieb- 
stahl angedroht; auf Elternmord stand 
durch Abhauen der rechten Faust ver- 
schärfte Todesstrafe; Pranger, Brandmar- 
kung usw waren vielfach als Nebenstrafen 
verwendet. Die Folge war, daß die Ge- 
richte, besonders die Jury, durch Frei- 
sprechungen Korrektur zu üben suchten 
und daß auf diese Weise oft Straflosigkeit 
von Übeltätern eintrat. Nach längeren 
Bemühungen kam eine Reform zustande 
durch das Ges vom 28. April 1832, das die 
  
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grausamen Strafarten abschaffte und die 
Strafandrohungen milderte; Todesstrafe 
wurde nur für Verbrechen gegen das 
Leben beibehalten. Doch blieben die 
Strafandrohungen immer noch harte; so 
für Diebstahl unter erschwerenden Um- 
ständen Travaux forces auf Lebenszeit, so- 
fern nicht mildernde Umstände angenom- 
men werden. — Das Gesetzbuch teilt die 
Strafen in kriminelle, korrektionelle und 
Polizeistrafen ein; hieran schließt sich 
die Einteilung der strafbaren Handlungen 
in crimes, delits und contraventions an. 
Kriminelle Strafen sind: Tod (für poli- 
tische Verbrechen durch Ges vom 5. April 
1850 abgeschafft und durch Deportation 
in einen festen Platz ersetzt); Travaux 
forces für immer und auf Zeit (5 bis 
20 Jahre); Deportation (darin bestehend, 
daß der Verurteilte an einem vom Gesetze 
bestimmten Orte außerhalb des kontinen- 
talen Frankreich auf Lebenszeit zu woh- 
nen hat) ; Reclusion (Einschließung in eine 
maison de force mit Arbeitszwang auf 
5—10 Jahre); Detention (Einschließung' 
in eine Festung, für politische Ver- 
brechen), Degradation civique; Bannisse- 
ment. Die korrektionellen Strafen sind: 
Emprisonnement (Einschließung in eine 
maison de correction mit Arbeitszwang, 
von 6 Tagen bis zu 5 Jahren) ; Entziehung 
einzelner bürgerlicher Ehrenrechte ; Geld- 
strafe. — Polizeistrafen sind Emprisonne- 
ment von 1—5 Tagen, Geldstrafe von 
1—15 Fres und Einziehung. — Seit dem 
Ges von 1832 ist der Code penal durch 
eine Reihe von Gesetzen weiter abgeän- 
dert worden; die wichtigsten sind: Ges 
vom 23. Jan 1874 und vom 27. Mai 1885 
über die Rückfälligen, welche die sur- 
veillance de la haute police abgeschafft 
und durch die Relegation (Aufenthalts- 
verbot für einzelne bestimmte Orte) er- 
setzt haben; Ges vom 14. Aug 1885 über 
die Mittel zur Verhütung von Rückfällen 
(bedingte Freilassung, Patronage, Re- 
habilitation) ; Ges vom 26. März 1891, loi 
Berenger, über die bedingte Verurtei- 
lung; Ges vom 19. April 1898 über die 
Bestrafung von Gewalttätigkeiten und 
Grausamkeiten gegen Kinder; Ges vom 
21. Nov 1901, das die Bestimmungen des 
Code penal über den Kindsmord mildert; 
Ges vom 12. April 1906, das das Alter der 
Strafmündigkeit auf 18 Jahre festsetzt. 
Chauveau et Faustin-He&lie Theorie du Code 
Michaelis. 
penal. 
Codex, der dritte Teil des Corpus iuris
	        
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