Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Dementia. 
stigen Funktionen, die nach Ablauf der 
Kinderjahre, bisweilen ohne besonderen 
Anlaß, entsteht bzw durch ungeheilte 
Geistes- oder durch Gehirnkrankheit als 
deren sekundärer Ausgang erworben ist. 
Sie zeigt sich in Verminderung des Ge- 
dächtnisses, des Urteilens und Schließens, 
in schneller Erregbarkeit des Gemütes, in 
Herabsetzung der ethischen Gefühle und 
Willensäußerungen, in wahnhaften Ideen 
und Äußerungen usw. Der Begriff des 
„Blödsinns‘ nähert sich dem der „De- 
mentia‘‘, fällt aber durchaus nicht mit 
ihm völlig zusammen. „Blödsinn“ ist 
meist der „Geisteskrankheit‘‘ gleichzu- 
setzen im Gegensatz zur „Geistes- 
schwäche‘. Allerdings ist diese Schei- 
dung nicht der medizinischen Gepflogen- 
heit gemäß; denn sie trennt z. B. Idioten, 
Paralytiker, Katatoniker als „Geistes- 
kranke‘ von den an funktionellen Psycho- 
sen, d. i. z. B. an Epilepsie, Hysterie, 
schwerer Hypochondrie, an chronischem 
Alkoholismus usw Leidenden, vorausge- 
setzt, daß diese nicht etwa schwere Er- 
regungszustände oder starke Desorientie- 
rung aufweisen. Während die unter dem 
Artikel „Blödsinn‘‘ abgehandelten For- 
men diesem Begriff mehr oder we- 
niger strikt zuzurechnen sind, fallen 
dem geringeren Grad des Blödsinns, 
d. h. der D£(e)m(entia) u. a. zunächst 
jene krankhaften Störungen der Geis- 
testätigkeit anheim, welche bei der 
Sektion überhaupt ein negatives Resultat 
ergeben, so die „funktionelle Dm“, die 
man auch als akute Dm (primärer heil- 
barer Blödsinn) beschrieben hat. Die 
Krankheit (vgl Amentia) ist die am sel- 
tensten vorkommende funktionelle Psy- 
chose und befällt vorzugsweise jugend- 
liche Personen im Alter von 20—30 Jalı- 
ren. Prädisponierend sind Onanie, Ex- 
zesse in venere, direkte Ursachen bilden 
akute körperliche Erkrankungen, wie Ty- 
phus, Pneumonie, Gelenkrheumatismus 
usw, bei welchen die Ernährung beson- 
ders leidet; auch Delirium tremens, akute 
Vergiftungen durch Morphium, Leucht- 
gas, Kohlenoxyd können Veranlassung zu 
der Krankheit geben; nicht minder den 
Kopf treffende Verletzungen mit und ohne 
Gehirnerschütterung. Die Dauer der 
Krankheit kann nur wenige Tage betra- 
gen, meist währt sie jedoch 1, 2—3 Mo- 
nate. Sie endet in Genesung oder geht in 
sekundäre Dm über; alsdann ist die 
  
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Krankheit unheilbar. Tod durch dazwi- 
schenkommende Krankheiten, wie Pneu- 
monie (Lungenentzündung), akute Tuber- 
kulose, gehört zu den nicht seltenen Vor- 
kommnissen. Die Dm acuta entwickelt 
sich plötzlich; Schwäche bis Lähmung der 
geistigen Funktionen tritt ein; der Kranke 
ist völlig desorientiert, er kann sein Alter 
nicht angeben, seine Wohnung nicht nen- 
nen, er weiß nicht seinen Namen; die 
Gesichtszüge sind schlaff, die Pupillen 
weit, aus dem Munde fließt Speichel. 
Ausdruckslosigkeit und Stumpfheit sind 
fernere Kennzeichen; gerade dies ist für 
die Dm acuta so charakteristisch, daß man 
den Stupor, der bei ihr auftritt, mit einem 
besonderen Namen belegt hat: hypotoni- 
scher Stupor (Anergic stupor Newington). 
Stupor ist ein Zeichen der höchsten psychi- 
schen Hemmung; er beruht jedoch bei der 
Dm acuta meistens nicht auf einem völligen 
Darniederliegen der geistigen Kräfte, wie 
dies bei den Stumpfsinns- und Blödsinns- 
zuständen der Paralyse und des Greisen- 
bzw sekundären Schwachsinns der Fall 
ist. Die Kranken arbeiten sichtlich daran, 
die Hemmung zu überwinden ; so strecken 
sie den Mund rüsselförmig vor, in den 
Gesichtsmuskeln treten Zuckungen auf; 
bisweilen gelingt es ihnen mit Gewalt die 
Hemmung zu durchbrechen, die sich als- 
dann in einem explosiven Akt entlädt; 
meist reicht jedoch die Kraft der Kranken 
dazu nicht aus; es erfolgt nur ein Hin- 
auswerten aus dem Bette. Gewichtsver- 
lust, Schlaflosigkeit, Nahrungsverweige- 
rung, Verstopfung (Obstipation), blasse, 
kühle Haut, herabgesetzte Körpertempe- 
ratur und Gefühlstätigkeit machen sich 
geltend. 
Waren bei der Dm acuta keine organi- 
schen Veränderungen des Hirns anzutref- 
fen, so sind diese in den Fällen der Dm 
paralytica, der Dm senilis vorhanden. Bei 
der paralytischen Dm ist das charakteri- 
stische Merkmal das der Veränderung des 
Charakters der erkrankten Person. Es ist 
ein Ausfall der Gedankentätigkeit vorhan- 
den und eine leichte Bestimmbarkeit 
durch augenblicklich gegebene Reize. Re- 
den und Handlungen des Paralytikers ver- 
raten ausgesprochene Schwachsinnigkeit. 
Meynert hebt als ein besonders hervor- 
stechendes Zeichen hervor, daß der Para- 
lytiker seine sinnlosen Handlungen mo- 
tiviert, so z. B. zieht sich der Paralytiker 
nackt aus und begründet dies damit, daß
	        
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