Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Direkte Steuern in Preußen. 
der Steuern als Abgaben gebracht; außer- 
ordentlich sind sie also nur noch hinsicht- 
lich der Deckung des Ausfalls an privat- 
wirtschaftlichen Einnahmen. Letztere sind 
ihrer Natur nach schwankend, die Steuern 
dagegen im ganzen feststehend; darum 
läßt sich logisch die alte liberale Forde- 
rung der Quotisierung insbesondere der 
Einkommensteuer begründen, die Forde- 
rung nämlich, daß alljährlich durch das 
Etatsgesetz bestimmt wird, wieviel Mo- 
natsraten der Steuer erhoben werden 
sollen. 
Steuern sind danach die auf allge- 
meiner, dem staatlichen Hoheitsrechte 
entspringender einseitiger Anordnung be- 
ruhenden, ohne besondere Gegenleistung 
zu entrichtenden Zwangsbeiträge der Ein- 
zelwirtschaften an eine übergeordnete 
öffentlich-rechtliche Körperschaft zur Be- 
friedigung allgemeiner Bedürfnisse. Sie 
unterscheiden sich somit scharf von den 
obengenannten Gebühren, die für eine 
besondere Gegenleistung entrichtet wer- 
den müssen. 
Es ist wohl eine einzige Steuer ver- 
teidigt worden; so wollten die Physio- 
kraten den Staat einzig auf den Orund- 
ertrag als Steuerquelle verweisen, andere 
haben die allgemeine Einkommensteuer 
als einzige vorgeschlagen, vgl das Gothaer 
Programm der Sozialdemokratie vom Mai 
1875 zu 2. Die Erfahrung hat aber ge- 
lehrt, daß eine einzige Steuer nicht im- 
stande ist, den Bedarf zu decken. Ihre 
Entwickelung hält nicht Schritt mit den 
staatlichen Bedürfnissen; ihre Erhöhung 
aber hat eine Grenze, abgesehen davon, 
daß die auch der besten Steuer anhaften- 
den Mängel sich um so fühlbarer machen, 
je höher sie wird. So ist man zu einem 
System verschiedener Steuern gelangt, die 
einander ergänzen. 
Die Steuer wird also von den Trägern 
der Einzelwirtschaften entrichtet und zwar 
nach ihrer Leistungsfähigkeit. Diese wird 
entweder unmittelbar gemessen nach dem 
Vermögens- und Arbeitsertrag und auch 
unmittelbar erhoben; hier wird der Ertrag 
bei seiner Entstehung besteuert. Oder die 
Leistungsfähigkeit wird mittelbar ge- 
messen an dem vom einzelnen gemachten 
Aufwand, auch wird die Steuer von ihm 
nur mittelbar erhoben durch Belastung 
einer Zwischenperson, die die Steuer auf 
den eigentlichen Träger abwälzt; hier 
wird der Ertrag nach seiner Verwendung 
‚ rekte. 
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besteuert. Das ist der Unterschied 
zwischen den sog direkten und indirekten 
Steuern, deren Begriff jedoch keineswegs 
feststeht; so ist die Mietsteuer, die Hunde- 
steuer als Aufwandsteuer eine indirekte, 
nach der Erhebungsform wäre sie eine di- 
Daher verwirft die Steuerlehre 
‘neuerdings diese Unterscheidung und 
scheidet die Steuern in Besitz- (Ertrag-), 
Verkehrs- und Aufwandsteuern; faßt man 
letztere beiden freilich als die auf einzelne 
wirtschaftliche Vorgänge gelegten Steu- 
ern, die nach einem Tarif erhoben werden, 
gegenüber der ersteren, nach einem Ka- 
taster des dauernden Zustandes erhobe- 
nen Steuer zusammen, so hat man wieder 
: den abgelehnten Unterschied; auch die 
: Gesetze usw sprechen vielfach von direk- 
  
: ten und indirekten Steuern und beziehen 
erstere auf den Vermögensertrag. 
Erst der neuesten Zeit freilich gehört 
diese Art der planmäßigen direkten Be- 
steuerung an; denn nur allmählich hat 
sich der Grundsatz der Besteuerung nach 
der Leistungsfähigkeit Bahn gebrochen. 
Die noch dem Anfange des vorigen Jahr- 
hunderts angehörende, jede Person 
gleichmäßig treffende Kopfsteuer, die 
schon etwas veredelte Klassensteuer ent- 
sprachen nicht der Forderung, daB die 
Steuer sich die tragfähigen Schultern aus- 
suchen und, was weiter folgt, ihre Last 
nach der Verschiedenheit der Tragfähig- 
keit verteilen und abstufen soll. 
Die Steuer ist heutzutage, wie gesagt, 
eine dauernde Last; dementsprechend 
muß der Quell, aus dem sie schöpft, eben- 
falls dauernder Natur sein, d. h. sich stetig 
erneuern. Das Vermögen scheidet somit 
aus; denn die dauernde Erhebung einer 
Vermögenssteuer würde die Quelle zum 
Versiegen bringen. Es bleibt also nur der 
sich dauernd erneuernde Ertrag übrig; er 
ist die Hauptgrundlage der Steuerkraft, 
der periodische ohne Schmälerung des 
Stammvermögens verbrauchbare Vermö- 
genszuwachs, der ebenso aus Besitz wie 
aus Arbeit, wie aus einer Verbindung bei- 
der fließt, vgl B 1427, 1578, 1585, 1602. 
Die Scheidung beider Quellen, Besitz und 
Arbeit, ist aber keineswegs scharf; wie es 
ohne Arbeit überhaupt keinen Ertrag gibt, 
— Kapitalvermögen bedarf mindestens 
der Verwaltung — so auch keinen Ertrag 
ohne Vermögen — der Arbeiter bedarf 
mindestens der Arbeitskleidung. Beide, 
Besitz und Arbeit, durchdringen einander
	        
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