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überall, nur in verschiedenem Maße;
während die Arbeit bei dem Geldkapital
verschwindend klein werden kann, wächst
ihr Anteil bei der Erzielung des Grund-
ertrages, bei der des Gewerbeertrages so-
gar soweit, daß das Vermögen fast ganz
fehlen kann, bei Agenten, Maklern usw;
es spielt endlich bei dem Arbeitsertrage
eine höchst untergeordnete Rolle.
Indem man also zunächst Besitz und
Arbeit trennt, sie dann im Gewerbe aufs
innigste verbunden findet und den Besitz
noch scheidet nach beweglichem und un-
beweglichem, hat man die vier Ertrags-
quellen: das Geld- oder Leihkapital; das
Grundvermögen; das Gewerbe; die ge-
winnbringende Beschäftigung. Eine be-
sondere Stelle nehmen die Rentenrechte
ein, denen ein eigenes Vermögen, ein
dingliches Recht an fremdem nicht zu-
grunde liegt, die der Pensionäre, der an
Fürsorgekassen, Stiftungen usw Berech-
tigten; Preußen hat sie zur vierten Quelle
geschlagen; die Erträge zählen zu denen
aus Vermögen.
Die Steuer kann nun jede dieser Er-
tragsquellen für sich ergreifen und einer |
eigenen Regeln folgenden Belastung un- !
terwerfen; dann haben wir die Ertrags-
steuern vor uns: Kapitalrenten-, Grund-
und Gebäude-, Gewerbe-, Besoldungs-
steuer. Diese Steuern sind, wie die Ge-
schichte gezeigt hat, nicht entwickelungs-
fähig; sie kranken vor allem daran, daß
sie, weil sie grundsätzlich nicht das ein-
zige Einkommen einer Person belasten,
der neuzeitlichen Abstufung nach der
Leistungsfähigkeit nicht Rechnung tragen
können; der Ertrag muß vielmehr objektiv
belastet werden. Subjektiv ist vor allem
auch die Vermögenslage des einzelnen;
wer also mit fremdem Gelde arbeitet,
kann die Schuldenzinsen nicht abziehen ;
er bezahlt gewissermaßen die Steuer des
Geldgebers, ist aber nicht in der Lage, sie
auf diesen in Gestalt einer Zinsfußernie-
drigung abzuwälzen. Auf die Höhe des
Hypothekenzinsfußes z. B. wirken ganz
andere Umstände ein. Man hat nichts-
destoweniger den Versuch gemacht, die
einzelnen Ertragsteuern nach dem Grund-
satz der Leistungsfähigkeit auszugestal-
ten; befriedigende Ergebnisse hat das
nicht gezeitigt. So war der Schritt zur
allgemeinen Einkommensteuer als einer
Personalsteuer gewiesen; sicherlich hat
auch bei der Ertragsteuer, Real- oder Ob-
Direkte Steuern in Preußen.
jektsteuer genannt, nur eine Person die
Steuer zu entrichten, wie andererseits bei
der personellen Einkommensteuer die Be-
lastung auf einem Objekte ruht. Der Un-
terschied ist eben der, daß nur bei letz-
terer dem Persönlichen, der Leistungs-
fähigkeit voll Rechnung getragen werden
kann. Persönlich ist zunächst, daß bei
der Einkommensteuer sämtliche in einer
Hand vereinigte Quellenerträge in ihrer
Summe belastet werden, und zwar nach
einheitlichen Grundsätzen, in einheitlicher
Höhe; persönlich ist, daß den Schulden-
zinsen Rechnung getragen wird, nicht
allein den die Quelle belastenden, sondern
auch den rein persönlichen. Aber weit
darüber hinaus wird die Leistungsfähig-
keit berücksichtigt. Entspricht der größe-
ren Leistungsfähigkeit verbundener Mittel
die gemeinsame Besteuerung von Ehe-
mann und Frau, so fordert die durch den
Unterhalt einer Familie geschwächte Fä-
higkeit, zu den öffentlichen Lasten beizu-
tragen, eine Berücksichtigung, die bis zur
Steuerfreiheit führt, wenn die Mittel nicht
oder gerade zur Deckung des Lebensbe-
darfs zureichen, Steuerfreiheit des Exi-
stenzminimums. Ebenso erheischen und
erlangen Krankheit, Verschuldung usw
Beachtung.
Preußen kennt nun von den Ertrag-
steuern weder die Kapitalrenten- noch die
Besoldungssteuer, wohl aber diejenigen
von Grund und Boden und vom Gewerbe ;
neben ihnen stand die allgemeine Ein-
kommensteuer. Die Reformgesetzgebung
aus dem Anfang der 1890er Jahre, die
aufs engste mit dem Namen des Finanz-
ministers Miquel verknüpft ist, hat aber
jene Ertragsteuer (wozu noch die beson-
dere Bergwerksabgabe rechnet), dem
Staat gegenüber außer Hebung gesetzt,
während er sie nach wie vor veranlagt;
die Gemeinden aber erheben sie nach Pro-
zenten, sofern sie nicht besondere Grund-
und Gewerbesteuern haben. Entscheidend
für diesen überaus wichtigen Schritt, der
die allgemeine Einkommensteuer zur fast
einzigen direkten Staatssteuer erhob, war
die Erwägung, daß die Erträge der Ge-
genstände jener Steuern, also Grund und
Boden, Gebäude, Gewerbe, in einem eng
begrenzten Gemeinwesen eher als in dem
großen Staate entsprechend den vorwie-
gend ihnen zugute kommenden öÖffent-
lichen von der Allgemeinheit bestrittenen
Einrichtungen belastet werden können, da