Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

392 
eine gültige Ehe voraus. — Scheidungs- 
gründe sind die im Gesetze bestimmten 
Tatbestände, auf Grund deren ein Ehe- 
gatte verlangen kann, daß die Ehe durch 
Gerichtsurteil aufgelöst werde. Die Auf- 
lösung tritt mit der Rechtskraft des Schei- 
dungsurteiles ein, B 1564. 
l. Absolute Scheidungsgründe sind die 
im Gesetze genannten, vom Ermessen des 
Gerichtes unabhängigen Tatbestände, 
nämlich: 
1. Ehebruch, Doppelehe, Päderastie, 
Sodomiterei, S 171, 172, 175. Das Schei- 
dungsrecht ist jedoch ausgeschlossen, 
wenn der andere Gatte dem Ehebruch 
oder der strafbaren Handlung zugestimmt 
oder der Teilnahme sich schuldig gemacht 
hat; ebenso geht das Ehescheidungsrecht 
durch Verzeihung unter, B 1565 Abs 2, 
B 1570. 
2. Wenn ein Ehegatte dem anderen 
nach dem Leben trachtet, insidiae, B 1566. 
3. Wenn ein Ehegatte den anderen bös- 
lich verlassen hat, B 1567. Bösliche Ver- 
lassung liegt nur vor: 
a. als malitiosa desertio, wenn ein Ehe- 
gatte ein Jahr lang gegen den Willen des 
anderen in böslicher Absicht der häus- 
lichen Gemeinschaft sich fernhält und seit 
Jahresfrist sowie noch zur Zeit des Ur- 
teils die Voraussetzungen der öffentlichen 
Zustellung vorliegen ; 
b. als quasi malitiosa desertio, wenn 
ein Ehegatte rechtskräftig zur Herstellung 
der ehelichen Gemeinschaft verurteilt 
worden ist und sodann ein Jahr lang 
gegen den Willen des anderen Ehegatten 
in böslicher Absicht dem Urteile nicht 
Folge leistet. Der Ehegatte muß jedoch 
bereit sein, den anderen bei sich aufzu- 
nehmen. — Durch Verzeihung geht das 
Recht auf E unter, B 1570. 
II. Relative Scheidungsgründe sind Tat- 
bestände, die nach dem Ermessen des Ge- 
richtes eine Scheidung der Ehe notwendig 
machen, nämlich: 
1. Schwere Verletzung der durch die 
Ehe begründeten Pflichten, B 1568; z. B. 
grobe Mißhandlung, Verletzung der Un- 
terhaltspflicht. 
2. Ehrloses oder unsittliches Verhalten, 
B 1568, z. B. Verurteilung zu Zuchthaus- 
strafe, Tribadie, andere Sittlichkeitsdelikte 
als die unter den absoluten Scheidungs- 
gründen genannten. 
Bei diesen relativen Scheidungsgründen 
muß nach dem Ermessen des Gerichtes 
  
Ehescheidung. 
eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen 
Verhältnisses verschuldet sein, daß dem 
anderen Ehegatten eine Fortsetzung der 
Ehe nicht zugemutet werden kann, B 
1568. Durch Verzeihung geht das Schei- 
dungsrecht unter, B 1570. 
3. Eine Scheidung kann verlangt wer- 
den, wenn ein Ehegatte in Geisteskrank- 
heit verfällt und die Krankheit während 
der Ehe mindestens 3 Jahre gedauert und 
einen solchen Grad erreicht hat, daß die 
geistige Gemeinschaft zwischen den Ehe- 
gatten aufgehoben sowie jede Aussicht 
auf Wiederherstellung dieser Gemein- 
schaft ausgeschlossen ist, B 1569. Gei- 
stige Gemeinschaft bedeutet nicht eine 
Gemeinsamkeit der geistigen Ziele der 
Gatten, sondern nur eine Gemeinschaft in 
unmittelbarer Beziehung auf die Zwecke 
der Ehe. 
III. Die Scheidungsklage muß in allen 
Fällen (ausgenommen den der Geistes- 
krankheit) binnen 6 Monaten seit Kennt- 
nis vom Scheidungsgrunde erhoben wer- 
den, B 1571. Die Klage ist ausgeschlos- 
sen, wenn seit dem Eintreten des Schei- 
dungsgrundes 10 Jahre verstrichen sind. 
Die Frist läuft nicht, solange die häus- 
liche Gemeinschaft aufgehoben ist; die 
Frist läuft vom Tage der Aufforderung zur 
Herstellung der ehelichen Gemeinschaft 
oder vom Tage der Klageerhebung oder 
dem Tage der Ladung zum Sühnetermin. 
Ein Scheidungsgrund, der nicht mehr gel- 
tendgemacht werden kann, darf im Laufe 
des Rechtsstreites geltendgemacht wer- 
den, sofern die Frist zur Zeit der Klage- 
erhebung noch nicht verstrichen war, 
z. B. ein Ehegatte klagt wegen grober 
Mißhandlung und bringt nachträglich 
einen zur Zeit dieser Klageerhebung noch 
nicht verjährten Ehebruch vor. Ferner 
darf zur näheren Ausführung einer Schei- 
dungsklage ein verjährter Scheidungs- 
grund angebracht werden, B 1572. — Die 
Scheidungsklage ist eine Gestaltungs- 
klage. Über den Prozeß s. Ehesachen. 
Über Ehescheidung im römischen Rechte 
s. nuptiae. 
IV. Der Ehegatte, welcher den Schei- 
dungsanspruch hat, kann statt der E die 
Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft 
verlangen, B 1575; jedoch kann der andere 
Ehegatte, falls die Klage begründet ist, die 
E verlangen. — Ist nur auf Aufhebung der 
ehelichen Gemeinschaft erkannt, so kann 
nachträglich jeder Ehegatte die E auf
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.