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liche Eheschließungsvorschrift gilt jetzt
als mit der Zustellung an die Diözesan-
bischöfe verkündet,
Ill. Luther lehrte, daß jedes öffentliche
Verlöbnis eine Ehe (also stets sponsalia
de praesenti) sei, auch heimliche Verlöb-
nisse mit hinzugetretener copula; nur
wenn unter einer Bedingung eingegan-
gen, sollte das Verlöbnis als sponsalia de
futuro (d. h. also als Verlöbnis im römi-
schen Sinne) gelten. Die kirchliche Ehe-
schließungsform, die Luther, trotzdem er
die Ehe für ein überwiegend bürgerliches
Rechtsgeschäft erklärt hatte, beibehalten
haben wollte, konnte dabei nur den Cha-
rakter einer kirchlichen Anerkennung und
Benediktion besitzen. Diese Lehre, die zu
vielen dem Volksbewußtsein unverständ-
lichen Konsequenzen, zu Zwangstrauun-
gen von Verlöbnissen (die nach dieser
Lehre ja schon Ehen waren) führte, hat
schließlich einer anderen Lehre (Just Hen-
ning Böhmer) Platz machen müssen, daß
die kirchliche Trauung erst der die Ehe
konstituierende Akt sei, und dieser Stand-
punkt wurde auch von der staatlichen Ge-
setzgebung anerkannt.
IV. Neben der kirchlichen Trauung
steht die Zivilehe. Sie kommt in drei For-
men vor: Obligatorisch, wenn der Staat
sie als die für das bürgerliche Gebiet
allein zulässige Eheschließungsart erklärt;
fakultativ, wenn der Staat den Personen
die Wahl zwischen der kirchlichen und
staatlichen Form überläßt; Notzivilehe,
wenn der Staat zwar die kirchliche Trau-
ung als die normale Eheschließungsform
bezeichnet, für den Fall aber, daß die
Kirche die Trauung für Eh, die der Staat
seinerseits für zulässig hielt, versagen
sollte, eine staatliche Form zur Verfügung
stell. Ob wir die Anfänge der Zivilehe
schon im Mittelalter zu suchen haben,
bleibe hier dahingestellt. Voll ausgebil-
det, aus Gründen der Toleranz, finden wir
sie 1580 in Holland und Westfriesland,
und zwar als fakultative für die Refor-
mierten und obligatorische für Dissiden-
ten. In England, Schottland, Irland führte
man sie 1653 ein, „weil die Kirche von
diesem weltlichen Geschäft zu befreien
sei‘, im Jahre 1792 in Frankreich, auf der
Grundlage der Zerlegung der Eh in einen
bürgerlichen Vertrag und den sakramen-
talen Vorgang und in neuester Zeit als
Folge der Trennung von Staat und Kirche.
Obligatorische Zivilehe haben wir zurzeit
Eheschließung.
in Deutschland, Belgien, Schweiz, Frank-
reich, Holland, Italien, Chile, Mexiko,
Brasilien, Rumänien, Ungarn, Ecuador,
Japan; fakultative in England (seit 1836;
nicht für Schottland und Irland), während
sich Österreich, Dänemark, Norwegen,
Schweden, Spanien, Portugal und Ruß-
land mit der Notzivilehe begnügen.
V. Das heute geltende Recht der katho-
lischen Kirche beruht auf dem Konzil von
Trient, den Konstitutionen Pius’ X. Pro-
vida vom 18. Jan 1906 und Ne temere
vom 3. Aug 1907, mit verschiedenen au-
thentischen Interpretationen. Hiernach
hat der in der katholischen Kirche Ge-
taufte und der aus der Ketzerei oder dem
Schisma zu ihr Zurückgekehrte die Kon-
senserklärung vor dem zuständigen Pfar-
rer und zwei oder drei Zeugen abzugeben.
Der Pfarrer wirkt zwar nur als Solenni-
tätszeuge, muß aber im Gegensatze zum
Rechte des Tridentinum ausdrücklich er-
sucht und freiwillig bereit sein, als sol-
cher zu fungieren. Liegen alle diese Vor-
aussetzungen vor, so ist die Ehe valida
und licita. Die Zuständigkeit bestimmt
sich durch Domizil oder Quasidomizil
der Brautleute. Mangelnde Zuständigkeit
macht die Ehe zwar zu einer illicita, ihre
Gültigkeit wird aber davon nicht berührt.
Für die gemischten, in Deutschland ge-
schlossenen Ehen von in Deutschland ge-
borenen Katholiken bildet der Mangel der
tridentinischen Eheschließungsform nur
noch impedimentum impediens. Die Be-
deutung der kirchlichen Trauung ist im
protestantischen Rechte seit Einführung
der obligatorischen Zivilehe eine ganz an-
dere geworden. War früher die kirchliche
Trauung die einzige Form der staatlich
und kirchlich gültigen Eh, so ist diese
Funktion jetzt auf die bürgerliche Form
übergegangen. Daneben hat die kirch-
liche Trauung die Bedeutung der kirch-
lichen Weihe, der kirchlichen Anerken-
nung der an sich auch schon für die Kirche
gültigen Eh erhalten. Gerade wegen der
Beschränkung der kirchlichen Trauung
auf das rein religiöse Gebiet hat aber die
evangelische Kirche die Freiheit erhalten,
sowohl vom staatlichen Rechte abwei-
chende Voraussetzungen für die Trauung
aufzustellen als auch von ihren Angehö-
rigen die Einhaltung der kirchlichen Trau-
ung zu beanspruchen. Die katholischq
Kirche hält der Zivilehe gegenüber an der
Auffassung fest, daß die Ehe als Sakra-