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100 M vorladen. (Erscheinungszwang,
nicht aber Verhandlungszwang, Ggg 66.)
Die „beteiligten Personen‘ können sich
durch Stellvertreter, Prokuristen oder Be-
triebsleiter vertreten lassen. Das EA be-
steht neben dem Vorsitzenden aus Ver-
trauensmännern der Arbeitgeber und Ar-
beiter in gleicher Zahl. Falls die Beteilig-
ten die Vertrauensmänner nicht bezeich-
nen, werden diese durch den Vorsitzen-
den ernannt. Einigen sich die Parteien
nicht über die Zahl der zuzuziehenden
Vertrauensmänner, so ist die Zahl der-
selben von dem Vorsitzenden auf minde-
stens 2 für jeden Teil zu bestimmen. Die
Vertrauensmänner dürfen nicht zu den Be-
teiligten gehören. Es ist nicht erforder-
lich, daß sie Gewerbegerichtsbeisitzer
sind. Der Vorsitzende ist befugt, eine
oder zwei unbeteiligte Personen als Bei-
sitzer mit beratender Stimme zuzuziehen ;
vor der Zuziehung sind die Parteien zu
hören, Ggg 67. Das EA hat durchVerneh-
mung ‘der Vertreter beider Teile und von
Auskunftspersonen die Streitpunkte auf-
zuklären, Ggg 68. Alsdann ist in gemein-
samer Verhandlung und nach Ausfüh-
rungen der Vertreter ein Einigungsver-
such zu unternehmen, Ggg 69. Gelingt
eine Vereinbarung, so ist der Inhalt der-
selben durch eine von sämtlichen Mit-
gliedern des EA und von den Vertretern
der Parteien zu unterzeichnende Bekannt-
machung zu veröffentlichen, Ggg 70.
Wenn eine Vereinbarung nicht erzielt
wird, so ist vom EA ein Schiedsspruch
zu fällen. Die Beschlußfassung erfolgt mit
einfacher Stimmenmehrheit. Der Schieds-
spruch ist von den Mitgliedern des EA
zu unterschreiben. Stehen bei der Be-
schlußfassung über den Schiedsspruch die
Stimmen sämtlicher für die Arbeitgeber
zugezogenen Vertrauensmänner denjeni-
gen sämtlicher für die Arbeiter zugezoge-
nen gegenüber, so kann der Vorsitzende
sich seiner Stimme enthalten und verkün-
den, daß ein Schiedsspruch nicht zu-
stande gekommen ist, Ggg 71.
Über den Schiedsspruch haben die Par-
teivertreter binnen einer zu bestimmen-
den Frist sich zu erklären. Geschieht dies
nicht, so gilt die Unterwerfung unter den
Spruch als abgelehnt, Ggg 72. Eine
Vollstreckung des Schiedsspruches, wel-
cher nur als Vorschlag an die Parteien,
sich zu einigen, aufzufassen ist, ist aus-
geschlossen, es sei denn, daß die Parteien
Einigungsämter und Schiedsgerichte — Einkindschaft.
das EA als Schiedsgericht im Sinne der Z
1025 ff eingesetzt und dabei die Vorschrif-
ten des Ggg 6 gewahrt haben. Es wird
mit Bezug auf Ggg 62 freilich bestritten,
daß das EA als Schiedsgericht fungieren
kann. Über EA der Arbeitskammern s.
unter „Arbeitskammern‘“. Über private
EA, Schlichtungskommissionen s. unter
„ Tarifgemeinschaften ‘“ und sonst über
gewerbliche Schiedsgerichte unter „Ge-
werbegerichtsgesetz‘“.
Es sei hervorgehoben, daß das Gewer-
begericht als EA unzuständig ist, wenn
bei der Streitigkeit ausschließlich In-
nungsmitglieder und deren Arbeiter be-
teiligt sind und für die Innung ein beson-
deres EA, das in seiner Zusammensetzung
und Tätigkeit dem EA des Gewerbege-
richts entspricht, besteht. Rufen die Par-
teien das Gewerbegericht als EA an, so
ist dieses auch bei solchen Streitigkeiten
zuständig, Ggg 74. Die Innungseinigungs-
ämter, welche auf Grund der Gw 81a
Ziff 2 errichtet wurden, sind bisher zu
keiner Geltung gelangt.
Das Gewerbegerichtsgesetz findet auch
auf die EA der Kaufmannsgerichte (Zu-
sammensetzung und Verfahren derselben)
entsprechende Anwendung, Kgg 17.
Jastrow Sozialpolitik und Verwaltungswissenschaft
492 —531; Bahr Gewerbegericht, Kaufmannsagericht
Einigungsamt; Sinzheimer Arbeitsnormenv ertrag 2.T
265; Verhandlungen des 29. deutschen Juristentages 2 2583
u. 254; die Kommentare zum Ggg von Wilhelmi und
Bewer S61ff und von Schulz 160 ff und die übrigen
Kommentare; v. Schulz Kommentar zum Kgg 195 ff;
Jahrbuch der Kg Berlin 1 21 ff; Reichsarbeitsblatt, 3212 ft:
‚Einigungsämter und Gewerbeschiedsgerichte.“ Über die
ertretung vor dem Einigungsamt Soziale Praxis 17
1225 ff. v. Schulz.
‚Einkammersystem s. Landtag, Ein-
zelstaaten.
Einkindschaft (unio prolium). Im
Falle einer fortgesetzten Gütergemein-
schaft mußte der überlebende Ehegatte
nach früherem Rechte die übrigen Erben,
also meistens die Kinder, bei Eingehung
einer neuen Ehe „abschichten‘‘. Um dies
zu vermeiden, griff man seit dem 13. Jahr-
hundert zu dem Mittel, daß die Ehegatten
der neuen Ehe mit den Kindern der ersten
Ehe den sog Einkindschaftsvertrag schlos-
sen. Durch ihn wurden die „Vorkinder“
den etwa aus der neuen Ehe zu erwarten-
den Kindern in vermögensrechtlicher Be-
ziehung gleichgestellt. Es galt also der.
Satz: „Mein Kind, dein Kind, unser Kind.‘“‘
Den Vorkindern wurde zwecks Erbabfin-
dung nach dem verstorbenen Elternteil
ein sog „Voraus“ festgesetzt und zugleich
bestimmt, daß sie bzl des Vermögens der