Elsaß-Lothringen.
erfolgte, dem Statthalter zu. Unter seiner
Leitung wird die Verwaltung durch das
Ministerium geführt, das an die Stelle des
Reichskanzleramts, des Reichsjustizamts
und des Oberpräsidiums für EL getreten
ist, 8 3 Ges vom 4. Juli 1879; es ist ledig-
lich Hilfsorgan des Statthalters bzw eine
ihm untergebene Verwaltungsbehörde.
An der Spitze des Ministeriums steht der
Staatssekretär, der auch Vertreter des
Statthalters ist; die vier Abteilungen wer-
den von ihm bzw von Unterstaatssekre-
tären geleitet; dem Ministerium angeglie-
dert ist der Oberschulrat. Das Land zer-
fällt in 3 Verwaltungsbezirke (Ober-E,
Unter-E, Lothringen), an deren Spitze Be-
zirkspräsidenten stehen. Die Bezirke sind
zugleich Selbstverwaltungskörper mit ei-
gener juristischer Persönlichkeit und eig-
nem Vermögen. Bei der Verwaltung des
Bezirksvermögens steht dem Bezirksprä-
sidenten der Bezirkstag zur Seite, der aus
allgemeinen direkten Wahlen hervorgeht.
Die unterste Verwaltungsinstanz sind die
Kreisdirektoren. Die Kreise sind nur Ver-
waltungsbezirke, ohne juristische Persön-
lichkeit; die in derselben Weise wie die
Bezirkstage gewählten Kreistage haben
daher nur geringe Bedeutung. Die Ein-
teilung der Kreise in „Kantone‘‘ hat nur
noch für die Abgrenzung der Amtsge-
richtsbezirke und für gewisse medizinal-
polizeiliche Funktionen (Kantonalärzte)
Bedeutung. Die Verhältnisse der Gemein-
den sind durch die GemeindeO vom
6. Juli 1895 geregelt; sie haben Selbstver-
waltung unter staatlicher Aufsicht. Sie
zerfallen in große (25000 und mehr Ein-
wohner und die ihnen gleichgestellten)
und kleine; die Unterscheidung von
Stadt- und Landgemeinde ist der Ge-
meindeO fremd. An ihrer Spitze steht
der Bürgermeister; seine Vertreter und
Gehilfen sind die Beigeordneten. Sie wer-
den in den großen Gemeinden auf Vor-
schlag des Gemeinderats durch landes-
herrliche Verordnung, in den kleinen aus
der Zahl der Gemeinderatsmitglieder
durch den Bezirkspräsidenten ernannt.
Dem Bürgermeister liegt außer der Ver-
waltung der Gemeindeangelegenheiten
auch die Ausübung staatlicher Befug-
nisse, namentlich die Handhabung der
Ortspolizei und der Erlaß von Polizeiver-
ordnungen, ob; nur in Straßburg und
Metz sind diese Befugnisse besonderen
Polizeidirektoren, in Mülhausen dem
Posener Rechtalexikon I.
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Kreisdirektor übertragen. Der Gemeinde-
rat besteht aus 10—36 Mitgliedern; er
geht aus allgemeinen, gleichen und direk-
ten Wahlen hervor; er nimmt an der Ver-
waltung der Gemeinden durch Beschluß-
fassung teil; seine Beschlüsse sind teils
selbständige, teils der Genehmigung der
Aufsichtsbehörden bedürftige. — An direk-
ten Staatssteuern werden erhoben:
Grundsteuer, Gebäudesteuer, Gewerbe-
und Wandergewerbesteuer, Kapital- und
Lohn- und Besoldungssteuer, Abgabe
von den Gütern der toten Hand und Berg-
werkssteuer; eine allgemeine Einkom-
mensteuer besteht nicht. Zu den Verkehrs-
steuern gehören die Registrierungsabga-
ben (Enregistrement) für Urkunden, na-
mentlich bei Besitzwechsel, die Stempel-
abgaben, Gerichtskosten und Erbschafts-
steuer; die letztere wird seit Inkrafttreten
des Reichserbschaftssteuergesetzes neben
der Reichssteuer, und zwar auch von An-
fällen an Ehegatten und Abkömmlinge,
erhoben, Ges vom 29. Juni 1907. An in-
direkten Steuern werden als Landessteu-
ern erhoben die Biersteuer (EL ist an die
Norddeutsche Brausteuergemeinschaft
nicht angeschlossen), Weinsteuer und Li-
zenzsteuer für den Kleinverkauf von gei-
stigen Getränken. Die Bezirke haben das
Recht zur Besteuerung durch Zuschläge
zu den direkten Staatssteuern. Auch die
Gemeindesteuern werden durch solche
Zuschläge aufgebracht, ferner durch Ok-
troi, Hundesteuer und Fronden. — Eine
Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht nur in
sehr beschränktem Umfange; sie wird in
erster Instanz durch die Bezirksräte, die
aus Mitgliedern der Bezirkspräsidien be-
stehen, ausgeübt, in zweiter durch den
Kaiserl Rat, der aus Mitgliedern des Mi-
nisteriums unter einem besonderen Präsi-
denten zusammengesetzt ist. Der fran-
zösische Staatsrat ist weggefallen, ein Er-
satz für ihn oder ein besonderer Verwal-
tungsgerichtshof noch nicht geschaffen. —
Die Armenpflege war bisher fakultativ ; sie
wurde durch die Bezirke, Gemeinden und
Wohltätigkeitsanstalten, die teilweise öf-
fentlichrechtlichen Charakter hatten, (Spi-
täler usw) ausgeübt; die Einführung des
Reichsunterstützungswohnsitzgesetzes ist
zum 1. April 1910 reichsgesetzlich ange-
ordnet; in dem Ausführungsgesetze ist die
Gründung dreier Landarmenverbände und
von Ortsarmenverbänden vorgesehen.
Leoni und Mandel Verwaltungsrecht von Elsaß-
Lothringen, 95; Bruck, Verfassungs- und Verwaltungs-
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