England.
tensiverer Art notwendig. Große Bei-
spiele in der Kolonialgeschichte, wie das
der mächtigen englisch-ostindischen
Kompagnie, zeigten dem in kolonialen
Dingen noch ganz unmündigen Deutsch-
land bei Beginn seiner kolonialen Betäti-
gung den Nutzen solcher charter colonies,
und der Bismarckschen Politik, die eine
allzu starke Betätigung in exotischen
Fragen nicht mochte, erschien es am
zweckmäßigsten, auch bei uns die neu-
erworbenen Länder Gesellschaften zur
Verwaltung und Ausbeutung zu über-
tragen und für das Reich nur ein Auf-
sichtsrecht zurückzubehalten. So erfolg-
ten nach diesem Muster die Gründungen
der Neuguinea-Kompagnie, der Jaluit-
gesellschaft und der Deutsch-Ostafrika-
Gesellschaft. Dieselben bitteren Erfah-
rungen, die England in Indien anläßlich
des Sepoyaufstandes machte, daß der-
artige Gesellschaften zur Aufrechterhal-
tung der Ordnung nicht imstande seien,
haben auch wir gemacht und das System
der charter colonies besteht heute nicht
mehr bei uns, während seine Übernahme
in das deutsche Kolonialsystem merk-
würdigerweise eine Nachblüte im eng-
lischen gezeitigt hat und zur Gründung
der Imperial British Ostafr. Comp., der
Rhodesian- und Niger Company führte,
die aber sämtlich ein nicht langes Dasein
führten, so daß man heute das ganze Sy-
stem als praktisch nicht mehr brauchbar
verworfen hat.
Der dritte Typus — die crown colonies,
wie ich gleich hinzusetzen möchte, ‚in
weiterem Sinne“, — unterscheidet sich
von den beiden zuvorgenannten dadurch,
daß er weder einzelnen noch einer Oe-
sellschaft irgendwelche Rechte am Kolo-
nialgebiet einräumt, sondern dieses als
Domäne des Staates behandelt. Diese
Art ist heute die alleinherrschende im
englischen Kolonialrecht geworden, sie ist
variiert und in der Weiterentwickelung
begriffen.
Als niedrigste Stufe kann man die Kron-
kolonie im engeren Sinne ansehen. Hier
wird die Kolonie von einem von Engl ein-
gesetzten Gouverneur absolut regiert und
die Gesetzgebung liegt in den Händen des
Mutterlandes. Die Bevölkerung der Ko-
lonie hat also keinen Einfluß auf die
Verwaltung. Man wendet dieses System
hauptsächlich in Gebieten mit farbiger
Eingeborenenbevölkerung, so in Jamaica,
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den Fidschi- und dem größten Teil der
anderen Südseeinseln, einem Teil der ost-
indischen und der äquatorialafrikanischen
Besitzungen an. Unmittelbar nach dem
Burenkrieg wurden auch Transvaal und
der Oranjefreistaat Kronkolonien. Unsere
deutschen Besitzungen tragen zurzeit all-
gemein den gleichen Charakter.
Gebieten mit stärkerer europäischer Be-
völkerung hat Engl Selbstverwaltung und
eigene Verfassungen verliehen. Man
unterscheidet hierbei noch zwei Stufen der
Selbständigkeit: representative govern-
ment und reponsible government. Allen
gemein ist ein Zweikammernsystem, je-
doch ist beim representative government
eine Einwirkung des Mutterlandes, das zu
allen Maßnahmen ein Vetorecht hat,
leicht und in vielen Fällen zulässig, wäh-
rend beim responsible government der
Kreis der Einwirkungen durch das Mutter-
land beschränkter ist. Bei letzterem System
regiert der Gouverneur — der von Engl
ernannt wird — mit Ministern, die das
Vertrauen der Kammern besitzen und
dieser verantwortlich (responsible) sind.
Die Obergewalt Engl ist hier auf das
äußerste abgeschwächt: Die australischen,
nordamerikanischen und südafrikanischen
Kolonien Engl sind für diese Entwicke-
lungsphase Beispiele. Diese Kolonieen,
die mit eigenen Regierungen und Parla-
menten einen gewissen Grad von Selb-
ständigkeit erlangt haben, brauchen an
das Mutterland keine Steuern zu zahlen,
haben jedoch auch keine Vertretung im
englischen Parlament, sondern nur di-
plomatische Agenten in London. Nach
außen vertritt sie Engl, das auch die Streit-
macht und den größten Teil der Beamten-
schaft unterhält.
Diese Kolonien haben seit langem da-
nach gestrebt, zu Staatenbunden zusam-
menzutreten. Den kanadischen Kolonien
gelang dies im Jahre 1840 und weiter
durch die Errungenschaften des Jahres
1867. Die Provinzen Quebec, Ontario,
Neubraunschweig und Neuschottland bil-
den seither das Dominion of Canada, das
später noch durch andere Gebiete ver-
mehrt wurde (über den Bund und seine
Organe s. Le Fur und Posener Bun-
desstaat und Staatenbund 262—274.)
1885 traten die australischen Kolonien
ebenfalls zu einem Bunde zusammen und
England billigte diesen Bund durch den
Act to constitute a Federal Council of Au-