Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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eines ordnungsmäßigen Nachlaßverzeich- 
nisses (Inventars) seine Haftung auf den 
Bestand des Nachlasses bechränken 
konnte. Das beneficium inventarii ent- 
hält den Keim zu den verschiedenen Aus- 
gestaltungen der Erbenhaftung in den 
modernen Kodifikationen und hat mit 
diesen den Grundgedanken gemeinsam, 
daß der Erbe für die Nachlaßschulden 
dann nicht persönlich aufzukommen 
braucht, wenn er den Gläubigern den ge- 
samten Nachlaß zur Verfügung stellt, vgl 
Binder Die Rechtsstellung des Erben 
Il 189. Die Haftung des Erben war dabei 
eine solche pro viribus hereditatis, d. h. 
die Erben hatten kein dingliches Absonde- 
rungsrecht an dem Nachlasse, und der 
Erbe konnte daher nach Belieben über die : 
Nachlaßgegenstände verfügen; dafür haf- 
tete er bis zu dem Betrag, auf den sich 
der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erb- 
falls belief, zugleich mit seinem sonsti- 
gen Vermögen. Zum Schutze der Nach- 
laßgläubiger bei einer Überschuldung des 
Erben diente die Rechtswohltat der Gü- 
tertrennung (beneficium separationis), 
wonach diese Gläubiger zum Zwecke 
ihrer Befriedigung eine richterliche An- 
ordnung auf Absonderung des Nachlasses 
von dem sonstigen Vermögen des Erben 
erwirken konnten. Bei einer Überschul- 
dung des Nachlasses konnte sowohl von 
dem Erben wie von den Gläubigern die 
  
Eröffnung des Nachlaßkonkurses bean- : 
tragt werden. 
3. Nach deutschem Rechte bestand ur- 
sprünglich eine Haftung des Erben für 
die Nachlaßverbindlichkeiten überhaupt 
nicht, und als die Haftung im späteren 
Mittelalter aufkam, beschränkte sie sich 
auf den Betrag des Nachlasses. Dafür er- 
streckte sich dort, wo sich eine amtliche 
Fürsorge für die Verlassenschaft ent- 
wickelt hatte, diese Fürsorge darauf, daß 
vor der Einweisung des Erben in die Erb- 
schaft die eine Last der Erbschaft bilden- 
den Schulden bezahlt wurden. 
4. Wie das römische Inventarrecht unter 
dem Einflusse der Rezeption des rö- 
mischen Rechtes in das gemeine Recht 
überging, so fand es auch in die meisten 
Partikularrechte Aufnahme. Insbeson- 
dere gilt dies von dem ALR, dem code 
civil und dem österreichischen Gesetz- 
buche. Nur weichen diese Rechte inso- 
fern voneinander ab, als das französische 
und das österreichische Recht von dem 
Erbenhaftung. 
Grundsatze der unbeschränkten Haftung 
des Erben ausgehen, so daß es zur Her- 
beiführung der beschränkten Haftung 
noch der besonderen Erklärung des Erben 
bedarf, daß er die Erbschaft unter der 
Rechtswohltat des Inventars annehme, 
während nach dem ALR 1 9 422 f der Erbe 
auch ohne eine solche Erklärung nur be- 
schränkt haftete, aber kraft Gesetzes zur 
Errichtung des Inventars verpflichtet war 
und unbeschränkt haftete, wenn er das In- 
ventar nicht rechtzeitig errichtete und 
bei Gericht einreichte. 
Nach dem sächsB 2328 haftete, ent- 
sprechend dem deutschrechtlichen Stand- 
punkte, der Erbe auch ohne die Errich- 
tung eines Inventars nur auf den Betrag 
des Nachlasses (also pro viribus heredi- 
tatis); immerhin war die Errichtung des 
Inventars nicht ohne Bedeutung. Denn 
wenn der Erbe das Inventar innerhalb 
eines Jahres seit der Kenntnis von dem 
Anfalle der Erbschaft errichtete, erlangte 
er die Befugnis, bei annehmbarer Zuläng- 
lichkeit des Nachlasses mit befreiender 
Wirkung gegen später auftretende Gläu- 
biger die ihm bekannten Nachlaßverbind- 
lichkeiten zu berichtigen und die Ver- 
mächtnisse zu erfüllen, während er sonst 
den sich später meldenden Gläubigern pro 
rata ihrer Forderungen aufzukommen 
hatte. 
II. Standpunkt des B. 1. Nach dem B 
bildet die Errichtung des Inventars keine 
Voraussetzung mehr für die beschränkte 
Haftung des Erben, vielmehr ist das regel- 
mäßige Mittel zur Herbeiführung der be- 
schränkten Haftung die amtliche Abson- 
derung des Nachlasses im Wege der 
Nachlaßverwaltung oder des Nachlaßkon- 
kurses. Auch besteht keine gesetzliche, 
von selbst laufende Inventarfrist; auf An- 
trag eines Nachlaßgläubigers hat aber das 
Nachlaßgericht dem Erben eine Frist zur 
Errichtung des Inventars zu bestimmen 
und nach dem Ablaufe der Frist haftet der 
Erbe für die sämtlichen Nachlaßverbind- 
lichkeiten, auch für diejenigen aus Ver- 
mächtnissen und Auflagen, unbeschränkt, 
wenn nicht vorher das Inventar errichtet 
wird, B1994 Abs 1 Satz2. Die gleiche Haf- 
tung tritt ein bei ungetreuer Inventarerrich- 
tung im Sinne des B 2005. Im übrigen ver- 
liert der Erbe das Recht zur Beschränkung 
seiner Haftung durchVerweigerung der Be- 
eidigung des Verzeichnisses gegenüber 
solchen Gläubigern, die ihn zur Leistung
	        
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