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richte sind unabhängig und nur dem Ge-
setz unterworfen, MC 38, 49 ff, 65, 77 ff, 18.
Nach Durchführung des einem Gerichts-
offizier oder in den Fällen der höheren
Gerichtsbarkeit einem Kriegsgerichtsrate
übertragenen Ermittelungsverfahrens, das
im wesentlichen dem des bürgerlichen
Prozesses entspricht, hat der Gerichtsherr
auf Vortrag des Untersuchungsführers
darüber zu befinden, ob der Beschuldigte
außer Verfolgung zu setzen oder ob Dis-
ziplinarbestrafung eintreten soll oder ob
eine Strafverfügung zu erlassen oder ob
die Anklage zu verfügen ist. Die Anklage-
verfügung hat die dem Beschuldigten zur
Last gelegte Tat unter Hervorhebung
ihrer gesetzlichen Merkmale und des an-
zuwendenden Strafgesetzes zu bezeichnen.
Der Untersuchungsführer hat sie mit dem
Gerichtsherrn zu unterschreiben. Hält der
Militärjustizbeamte oder Gerichtsoffizier
eine Weisung, Verfügung oder Entschei-
dung des Gerichtsherrn mit den Gesetzen
oder den sonst maßgebenden Vorschriften
nicht vereinbar, so hat er dagegen Vor-
stellung zu erheben. Bleibt diese erfolg-
los, so hat er der Weisung des Gerichts-
herrn, welcher alsdann allein die Verant-
wortung trägt, zu entsprechen, den Her-
gang jedoch aktenkundig zu machen. Die
Akten sind unverzüglich dem Oberkriegs-
gerichte zur rechtlichen Beurteilung der
Sache vorzulegen. Dessen Beurteilung ist
für die weitere Behandlung der Sache
dann maßgebend, MC 97, 156—254.
Die Anklageverfügung ist dem Beschul-
digten mit einer die Angabe der Beweis-
mittel und die wesentlichen Ergebnisse
der Ermittelungen enthaltenden Anklage-
schrift bekanntzumachen. Mit dieser Be-
kanntmachung gilt die Anklage für er-
hoben. Auf Grund neu hervortretender
Umstände kann der Oerichtsherr die An-
klageverfügung abändern oder zurückneh-
men, im übrigen muß aber die Sache zur
Hauptverhandlung gebracht werden, MC
255, 256, 258—260, 272.
Siehe milit Gerichtsstand; Schlott Der Gerichts-
herr, 06; Schlott Das standgerichti Verfahren, D8-
v. Bippen.
Erhebung der Klage s. Klageerhe-
bung.
Erhöhung der Gefahr (Versiche-
rungsR) verpflichtet den Versicherungs-
nehmer zur Anzeige; s. Versicherung,
Schadensversicherung.
Erinnerung beruht auf oder vielmshr
sie steht in funktionaler oder Größenbe-
Erhebung der Anklage — Erinnerung.
*
ziehung zu einer Bahnung und Abschlei-
fung von Nervenwegen der „Reflexbogen
und der aus diesen zusammengesetzten
Reflexketten mittels ein- oder mehrmali-
gen Ablaufens von Reizprozessen‘‘; in-
folge hiervon haben die „Nervenwege die
Eignung erlangt, auch durch den Ablauf
anderer Reflexketten ohne die abermalige
Einwirkung eines primären Reizes, also
gewissermaßen auf indirektem Wege in
Erregung versetzt zu werden“ (Kasso-
witz) (vgl hierzu F. Semon „Die
Mneme‘“). Während die Erinnerung viel-
fach bei Geisteskranken ungeschwächt
fortbesteht, so daß sie unbeirrt auch
die kleinsten Einzelheiten einer von
ihnen verübten kriminellen Tat angeben,
fehlt sie andererseits häufig bei epi-
leptischen Psychosen, bei den vorüber-
gehenden maniakalischen (tobsüchtigen)
Anfällen Hysterischer, bei Gebärenden,
bei Schlaftrunkenen, bei Bewußtlosigkeit
infolge Blutleere des Gehirns nach der Ge-
burt, bei akuten Vergiftungen durch Alko-
hol, Kohlenoxydgas, bzw ist sie hierbei
nur traumartig vorhanden. Das gleiche be-
obachtet man nach schweren, mit Gehirn-
erschütterung einhergehenden Kopfverlet-
zungen, nach Strangulationsversuchen
usw. Wichtig wird dergleichen z. B. bei
Personen, die geboren haben und des
Kindesmordes angeschuldigt bzw ver-
dächtig sind. Die „inselförmige Erin-
nerung“ (Moeli), bei welcher ein
zelne Ereignisse noch reproduziert wer-
den, findet sich besonders bei der
akuten epileptischen Psychose und nach
dem epileptischen Anfall (vgl Epilepsie).
Die retrograde oder retroaktive Amne-
sie, d. i. die zurückgreifende Erinne-
rungslosigkeit, welche u. a. nach einer
Schädelverletzung eintreten kann, ist da-
durch gekennzeichnet, daß sie sich auf die
letzte Zeit kurz vor der Verletzung be-
zieht, d. h. auf jene Zeit, in der das be-
treffende Individuum noch völlig klar und
gesund war; ein solcher Erinnerungs-
defekt zeigt sich auch häufig beim epilep-
tischen oder bei einem Schlaganfall. In
der Dementia senilis (Greisenschwach-
sinn) und der Paralysis progressiva (Ge-
hirnerweichung) kommen Erinnerungs-
täuschungen vor, die sich darin äußern,
daß die betreffenden Kranken Dinge er-
lebt und gesehen zu haben wähnen, von
denen sie nach allem Vorliegenden unmög-
lich etwas erfahren haben konnten. Auch