Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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Tage $ 84, Ges betr den Verkehr mit Süß- 
stoffen vom 6. Juli 1898 8 4, Weingesetz 
vom 24. Mai 1901 $ 13 Nr 3 und 4, Phos- 
phorgesetz vom 10. Mai 1903 $ 2 Abs 2, 
Reblausgesetz vom 6. Juli 1904 8 11 
Ziff 1, 3. 
Bei den Übertretungen hebt das Gesetz 
die Schuldform oft nicht ausdrücklich her- 
vor. Gilt die Strafsatzung dann nur für 
die vorsätzliche oder auch für die fahr- 
lässige Begehung? Die herrschende Mei- 
nung beantwortet die Frage aus Gründen 
der historischen Überlieferung und der 
Zweckmäßigkeit im Sinne der zweiten Al- 
ternative. Dies hat praktisch auch inso- 
fern Bedeutung, als dann auch für die das 
Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zum 
Vorsatz fordernde Theorie unter dem Ge- 
sichtspunkt der fahrlässigen Unkenntnis 
der Polizeivorschrift Bestrafung möglich 
ist. Andere (Binding, v. Liszt) verlangen 
mit Recht dagegen genaue Prüfung des 
Wortlauts und Sinnes der einzelnen Über- 
tretungsvorschrift daraufhin, ob auch die 
fahrlässige Begehung strafbar ist. Sicher 
trifft dies zu in den Fällen der 88 361 
Ziff 8, 366 Ziff 2, 5, 8, 9, 367 Ziff 5, 6, 
11, 12, 368 Ziff 4, 5. 
Eine straferhöhende Fl nehmen die von 
der fahrlässigen Tötung und Körperverlet- 
zung handelnden S 222 Abs 2 und 230 
Abs 2 dann an, wenn der Täter zu der 
Aufmerksamkeit, die er aus den Augen 
setzte, vermöge seines Amtes, Beru- 
fes oder Gewerbes besonders verpflich- 
tet war. Nicht erforderlich ist, daß 
das in Frage kommende Verhalten in 
Ausübung des Amtes, Berufs oder Ge- 
werbes erfolgt ist; es muß nur seiner 
Art nach einem amtlichen, berufs- oder 
gewerbsmäßigen entsprechen, vgl RG 1 
203, 34 65. Auch der Lohnkutscher, der 
einen andern bei einem zu seinem eigenen 
Vergnügen unternommenen Ausflug über- 
fährt, fällt unter die qualifizierte Bestim- 
mung. Ein praktisch besonders wichtiger 
Fall der qualifizierten Fl ist die ärztliche 
Fl. Sie kommt vor als „Kunstfehler‘“ (Un- 
kunst), wenn der gesundheitsschädliche 
oder tödliche Erfolg durch positiv falsche, 
der Regel der ärztlichen Kunst widerstrei- 
tende Behandlung verursacht ist. Von 
„Unfleiß‘ spricht man, wenn die behan- 
delnde Person es verabsäumt hat, nach 
den Regeln der ärztlichen Kunst recht- 
zeitig einzuschreiten, RG 15 151, 181. 
Auch der Kurpfuscher wird von der Straf- 
  
Fahrlässigkeit. 
vorschrift der 88 222 Abs 2, 230 Abs 2 
betroffen. Das Schuldmoment liegt bei 
ihm in der Übernahme einer Behandlung, 
sofern er wissen mußte, daß ihm die erfor- 
derlichen Kenntnisse mangeln. 
Lit 8. bei v. Liszt Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 
16./17. Aufl zu 42, und v. Hippelin Bd 8565 N 1 
des allgemeinen eils der rechtsvergleichenden Darstellung 
des deutschen und ausländischen Strafrechts, 08. Klee. 
Fahrlässigkeit (preßrechtliche). Ge- 
mäß PrG 20 bestimmt dich die Haftung für 
Preßdelikte nach den allgemeinen Straf- 
gesetzen, der verantwortliche Redakteur 
einer periodischen Druckschrift wird aber 
als Täter bestraft, wenn nicht durch be- 
sondere Umstände die Annahme seiner 
Täterschaft ausgeschlossen wird. Nach 
$ 21 sind der verantwortliche Redakteur, 
der Verleger, der Drucker und der Ver- 
breiter wegen F(ahr)l(ässigkeit) zu be- 
strafen, soweit sie nicht nach 8 20 als 
Täter oder Teilnehmer in Betracht kom- 
men; sie können die Bestrafung abwen- 
den, wenn sie die Anwendung der pflicht- 
gemäßen Sorgfalt oder Umstände nach- 
weisen, welche diese Anwendung unmög- 
lich gemacht haben. 
Hiermit ist ein dem Preßgewerbe eigen- 
tümliches Fahrlässigkeitsdelikt geschaf- 
fen. Es wird nicht die durch den Inhalt 
der Druckschrift begründete strafbare 
Handlung fahrlässig begangen, z. B. fahr- 
lässige Beleidigung, RGSt 23 151, son- 
dern die Fl liegt in der Außerachtlassung 
der erforderlichen Sorgfalt bei der Her- 
stellung und dem Vertrieb der Druck- 
schrift, RGSt 18 293, 32 220. Die für die 
strafbare Handlung angedrohten Neben- 
strafen können bei der preßrechtlichen Fl 
nicht verhängt werden, z. B. nicht die Ver- 
öffentlichung des Urteils bei öffentlicher 
Beleidigung, RGSt 13 319. Die Fahrläs- 
sigkeitsstrafe findet nur statt, wenn nicht 
ein von den allgemeinen Strafgesetzen be- 
drohter Tatbestand verwirklicht worden 
ist, RGSt 41 49. Hat eine Bestrafung 
wegen begangener Straftat gemäß $ 20 
stattgefunden, so ist $ 21 nicht anwend- 
bar, wohl aber kann es vorkommen, daß 
der eine von mehreren bei der Veröffent- 
lichung Beteiligten aus $ 20 bestraft wird, 
z. B. der Verfasser, dagegen ein anderer, 
z. B. der Redakteur, sich der Fl schuldig 
gemacht hat, RGSt 5 354, 9 372. Eine 
Bestrafung wegen Fl ist nicht aus dem 
Grunde angängig, weil die Verfolgung 
nach den allgemeinen Strafgesetzen durch 
den bloßen Mangel eines Strafantrages
	        
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