Finanzwirtschaft des Reiches.
Reiches übergegangenen Grundstücke
können, wenn sie für die Zwecke der
Reichsverwaltung in demjenigen Dienst-
zweige, dem sie bisher gewidmet waren,
entbehrlich oder unbrauchbar werden,
für Zwecke eines anderen Dienstzweiges
der Reichsverwaltung verwendet werden.
Das Reich ist zur Veräußerung eines
nach a in sein Eigentum übergegangenen
Grundstückes nur dann befugt, wenn es
für die Zwecke der Reichsverwaltung ent-
behrlich oder unbrauchbar wird und der
Erlös aus seinem Verkaufe dazu bestimmt
ist, durch die Erwerbung eines anderen
Grundstückes oder die Herstellung einer
anderen Baulichkeit im Gebiete desselben
Einzelstaates einen Ersatz für das ent-
behrlich oder unbrauchbar gewordene
Grundstück zu beschaffen. Ist für ein
entbehrlich oder unbrauchbar gewordenes
Grundstück ein Ersatz nicht notwendig,
so ist es in dem Zustande, in welchem
es sich befindet, unentgeltlich und ohne
Ersatzleistung für etwaige Verbesserun-
gen oder Verschlechterungen demjenigen
Einzelstaate zurückzugeben, aus dessen
Besitz es in die Verwaltung des Reiches
übergegangen war.
Il. Die Ausgaben sind verschieden zu
behandeln, je nachdem sie sich auf das
Finanz- oder das Verwaltungsvermögen
beziehen.
1. Finanzschulden darf das Reich
grundsätzlich nur auf Grund besonderer
reichsgesetzlicher Ermächtigung aufneh-
men.
2. Verwaltungsschulden entstehen an
sich durch die laufende Verwaltung und
ferner dadurch, daß gesetzlich dem Reiche
Verpflichtungen zu vermögensrechtlichen
Leistungen, z. B. zur Zahlung von
Pensionen, auferlegt werden. Daher ist
grundsätzlich eine besondere gesetzliche
Ermächtigung zur Begründung von Ver-
waltungsschulden nicht erforderlich.
Gemäß R 73 kann in Fällen eines außer-
ordentlichen Bedürfnisses im Wege der
Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer
Anleihe sowie die Übernahme einer Ga-
rantie zu Lasten des Reiches erfolgen.
Kreditgeschäfte dieser Art, die nur im
Wege des Gesetzes zugelassen werden,
sind:
1. die Anleihen, d. h. Darlehen, welche
das Reich auf gesetzlicher Grundlage im
Wege des Darlehnsgeschäftes gegen Hin-
gabe von Wertpapieren aufnimmt. Ur-
Posencr Bechtsiexikon I.
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sprünglich waren die Anleihen des Nord-
deutschen Bundes amortisierbare An-
leihen. Seit 1870 bestehen konsolidierte
Anleihen oder Renten, d. h. es findet bei
ihnen keine regelmäßige Tilgung statt.
Durch die Reichsschuldenordnung: vom
19. März 1900, ergänzt und abgeändert
durch die Reichsgesetze vom 22. Febr
1904 und vom 3. Juni 1906, ist bestimmt
worden, daß den Anleihegläubigern ein
Anspruch auf Tilgung nicht zusteht, daß
aber vom Etatsjahre 1908 an mindestens
3/, Prozent der Schuld jährlich zu til-
gen sei.
2. Schatzanweisungen werden alljähr-
lich vom Reichskanzler in der etatsgesetz-
lich bestimmten Höhe zur vorübergehen-
den Verstärkung des Betriebsfonds der
Reichskasse ausgegeben.
Il. Die Einnahmen des Reiches wer-
den nach den Grundsätzen der Gesell-
schaftswirtschaft erzielt, vgl Laband
RStR 369.
Die näheren Bestimmungen über die
Deckung der Ausgaben gibt R 70 in der
Fassung des Reichsgesetzes vom 14. Mai
1904.
1. Zur Bestreitung aller gemeinschaft-
lichen Ausgaben dienen zunächst die aus
den Zöllen und gemeinsamen Steuern,
aus dem Eisenbahn-, Post- und Telegra-
phenwesen sowie aus den übrigen Ver-
waltungszweigen fließenden gemein-
schaftlichen Einnahmen.
2. Insoweit die Ausgaben durch diese
Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie
durch Beiträge der Einzelstaaten (Matri-
kularbeiträge) nach Maßgabe ihrer Bevöl-
kerung aufzubringen, welche in Höhe
des budgetmäßigen Betrages durch den
Reichskanzler ausgeschrieben werden. In-
soweit diese Beiträge in den Überweisun-
gen keine Deckung finden, sind sie den
Einzelstaaten am Jahresschlusse in dem
Maße zu erstatten, als die übrigen ordent-
lichen Einnahmen des Reiches dessen Be-
darf übersteigen.
In der ursprünglichen Fassung von R
70 waren Matrikularbeiträge nur als
provisorische Hilfe vorgesehen, solange
Reichssteuern nicht eingeführt sind. Hier-
auf sind folgende Änderungen erfolgt:
1. Die Franckensteinsche Klausel hat be-
stimmt, daß die Zölle größtenteils, ferner
die Einkünfte aus der Tabak-, Stempel- und
Branntweinsteuer unter die Einzelstaaten
verteilt werden sollen, die Ausgaben des
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