Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Finanzwirtschaft des Reiches. 
seinem Gebiete (innere Steuer) die Her- 
vorbringung oder Zubereitung dieses Ge- 
genstandes ohnedies besteuert. Die Staa- 
ten des früheren Norddeutschen Bundes 
dürfen jedoch Wein und Traubenmost, 
der in den anderen Einzelstaaten erzeugt 
wird, nicht mit einer Übergangssteuer be- 
legen. Dies ist ein Reservatrecht der süd- 
deutschen Staaten. — 2. Ausfuhrvergü- 
tung ist eine Prämie, welche ein Einzel- 
staat den heimischen Produzenten von 
Verbrauchsgegenständen derart leistet, 
daß er die sonst für solche Gegenstände 
zu zahlende innere Steuer im Falle der 
Ausfuhr des Gegenstandes nach anderen 
Einzelstaaten erläßt oder zurückzahlt. — 
3. Einfuhr- und Ausfuhrverbote dürfen 
von den Einzelstaaten nur zwecks Verhü- 
tung von Seuchen erlassen werden. 
2. Das Reich hat gemäß R 35 aus- 
schließlich die Gesetzgebung über das 
gesamte Zollwesen, über die Besteuerung 
des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes 
und Tabaks, bereiteten Branntweins und 
Bieres und aus Rüben oder anderen 
inländischen Erzeugnissen dargestellten 
Zuckers und Sirups, über den gegensei- 
tigen Schutz der in den Einzelstaaten er- 
hobenen Verbrauchsabgaben gegen Hin- 
terziehungen sowie über die Maßregeln, 
weiche in den Zollausschlüssen zur Siche- 
rung der gemeinsamen Zollgrenze erfor- 
derlich sind. 
In Bayern, Württemberg und Baden 
bleibt die Besteuerung des inländischen 
Branntweins und Bieres gemäß R 35 
Abs 2 der Landesgesetzgebung vorbehal- 
ten. Seit dem 1. Okt 1887 sind jedoch 
diese drei Staaten der Branntweinsteuer- 
gemeinschaft beigetreten. 
Nach dem Zolltarifgesetze vom 25. Dez 
1902 sind Retorsionszölle zugelassen, d.h. 
Waren aus solchen nichtdeutschen Staa- 
ten, welche deutsche Schiffe oder Waren 
deutscher Staaten schlechter behandeln, 
können mit Zollzuschlägen oder, falls 
sonst Zollfreiheit gelten würde, mit Zöl- 
len belegt werden. 
Das Reich schließt mit fremden Staaten 
Zollverträge ab, welche enthalten kön- 
nen: 1. die Meistbegünstigungsklausel, 
d. h. die Bestimmung, daß das Reich dem 
fremden Vertragsstaate alle Zollvergün- 
stigungen und Zollbefreiungen einräumt, 
welche es irgendeinem anderen Vertrags- 
staate gewährt; — 2. einen Zolltarif, wel- 
cher in Abänderung des Zolltarifgesetzes 
  
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für den fremden Vertragsstaat niedrige 
Zölle oder überhaupt ein Maximum (Ma- 
ximalzölle) festsetzt. 
3. Die Erhebung und Verwaltung der 
Zölle und Verbrauchssteuern bleibt ge- 
mäß R 36 jedem Einzelstaate, soweit er 
sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines 
Gebietes überlassen. Der Kaiser über- 
wacht die Einhaltung des gesetzlichen 
Verfahrens durch Reichsbeamte, welche 
er den Zoll- oder Steuerämtern und den 
Direktivbehörden der Einzelstaaten, nach 
Vernehmung des Ausschusses des Bun- 
desrates für Zoll- und Steuerwesen, bei- 
ordnet. 
4. Im Reiche bestehen folgende Steuern 
auf Verbrauchsgegenstände: 
a. die Salzsteuer, und zwar 6 M für den 
Zentner Nettogewicht des im Inlande ge- 
wonnenen Salzes; Übereinkunft vom 
8. Mai 1867; 
b. die Zuckersteuer, und zwar 14 M von 
100 Kilo Reingewicht ; Zuckersteuergesetz 
vom 27. Mai 1896 und Reichsgesetz vom 
6. Jan 1903. Ausländischer Zucker darf 
bei der Einführung in das Zollgebiet mit 
einem Überzoll von höchstens 6 Fr für 
100 Kilo belegt werden. Auf Grund der 
Brüsseler Zuckerkonvention vom 5. März 
1902 sind die direkten und indirekten Ex- 
portprämien aufgehoben worden. Die 
Signatarmächte haben sich verpflichtet, 
keine Zuckerprämien einzuführen ; 
c. die Tabaksteuer, und zwar für 
100 Kilo Tabak 45 M, für Tabakpflanzen 
auf Grundstücken unter 4 Ar jährlich 
4,5 Pfg pro Quadratmeter, Reichsgesetz 
vom 16. Juli 1879, abgeändert am 5. April 
1885. 
Hierzu kommt die Zigarettensteuer auf 
Grund des Gesetzes vom 3. Juni 1906. 
Es ist zu unterscheiden: 1. Der Tabak- 
steuer gemäß c unterliegen die im In- 
lande hergestellten Zigaretten; aus dem 
Auslande eingeführte fertige Zigaretten 
und Zigarettentabake, d.h. feingeschnitte- 
ner, im Kleinverkaufe mehr als 3 M pro 
Kilo kostender Tabak, unterliegen einem 
Eingangszoll von 700 M pro Doppelzent- 
ner. — 2. Für Zigaretten und Zigaretten- 
tabak besteht eine Banderollensteuer, d.h. 
eine Abgabe vom Preise des Kleinver- 
kaufes ; Hersteller und Grossisten haben 
dem Verpackungszwange zu genügen, 
d. h. sie dürfen die Zigarettenwaren nur 
in geschlossenen Packungen mit Steuer- 
band abgeben; 
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