Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Forensen — Form der Rechtsgeschäfte. 
bezirke Grundstücke haben und der inlän- 
dischen Judikatur unterworfen werden ; 
s. auch landsassiatus. 
Form der Rechtsgeschäfte (BürgR) 
kann durch das Gesetz oder durch die 
Willkür der Parteien vorgeschrieben sein. 
I. Die Wirkung der Formverletzung ist 
verschieden, je nachdem es sich um die 
gesetzliche oder vertragliche Form han- 
delt. 1. Wird die gesetzliche Form ver- 
letzt, so tritt Nichtigkeit ein. — 2. Wird 
die vertragliche Form verletzt, so tritt die 
Nichtigkeit nur im Zweifel ein. Läßt sich 
aus den Umständen entnehmen, daß die 
Parteien von der vertraglichen Form ab- 
weichen wollten, so tritt die Nichtigkeit 
nicht ein. — 3. In gewissen Fällen be- 
stimmt das Gesetz, daß eine Heilung 
(Konvaleszenz) der verfehlten Form ein- 
treten solle, z. B. ist der Immobiliarkauf- 
vertrag nicht gerichtlich oder notariell be- 
urkundet worden, so wird er durch nach- 
folgende Auflassung geheilt. 
II. Die Formen, welche das B anerkennt, 
sind Schriftlichkeit, öffentliche Beglaubi- 
gung, gerichtliche oder notarielle Beur- 
kundung. Im einzelnen können besondere 
Erschwerungen hinzukommen, z. B. das 
Erfordernis gleichzeitiger Anwesenheit 
der Kontrahenten, die Ausschließung der 
Stellvertretung. 
III. Die Schriftform besteht in der Her- 
stellung eines Gedankeninhaltes (durch 
Druck oder Schrift) und dessen Uhnter- 
zeichnung durch die erklärende Person. Es 
besteht jedoch ein Unterschied zwischen 
gesetzlicher und vertraglicher Schriftform. 
1. Bei gesetzlicher Schriftform hat der 
Aussteller eigenhändig zu unterzeichnen; 
handelt es sich um einen Vertrag, so müs- 
sen beide Parteien dieselbe Urkunde un- 
terzeichnen. Wird der Vertrag in mehre- 
ren Exemplaren ausgestellt, z. B. ein 
Pachtvertrag, so genügt es, wenn jede 
Partei die für die andere Partei bestimmte 
Urkunde unterzeichnet. Die Schriftform 
wird durch die gerichtliche oder notari- 
elle Beurkundung ersetzt. — 2. Bei ge- 
willkürter Schriftform gelten im Zweifel 
die Vorschriften über gesetzliche Schrift- 
form; letztere werden jedoch wie folgt 
modifiziert: a. Telegramm genügt als ge- 
willkürte Schriftform. — b. Ein Vertrag 
in gewillkürter Schriftform kann durch 
Briefwechsel abgeschlossen werden. In 
beiden Fällen kann jede Partei nachträg- 
lich gerichtliche oder notarielle Beurkun- 
  
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dung verlangen. — 3. Beim ordentlichen 
Privattestamente nach B 2231 Nr 2 ge- 
nügt die Schriftform nicht, sondern der 
Erblasser muß seinen letzten Willen eigen- 
händig, unter Angabe des Ortes und Ta- 
ges der Errichtung schreiben und unter- 
schreiben. — Beispiele gesetzlicher Schrift- 
form: Stiftungsgeschäft inter vivos, Quit- 
tung, Miete und Pacht von Immobilien 
über ein Jahr, Leibrentenversprechen, 
Bürgschaftserklärung, abstraktes Schuld- 
versprechen, Schuldanerkenntnis, Anwei- 
sung, Abtretung einer Briefhypothek. — 
Der Einschreibebrief ist eine qualifizierte 
Schriftform. 
IV. Öffentliche Beglaubigung ist die 
schriftliche Erklärung und sodann die Be- 
glaubigung nur der Unterschrift durch Ge- 
richt oder Notar. Beispiele: Anmeldung 
zum Vereinsregister, Geltendmachung der 
Eheanfechtung bei Tod des Anfechtungs- 
gegners durch öffentlich beglaubigte Er- 
klärung gegenüber dem Nachlaßgerichte, 
Antrag zum Güterrechtsregister, Wieder- 
annahme des früheren Namens durch die 
geschiedene Frau, Ehelichkeitsanfechtung 
gegen ein verstorbenes Kind, Nutznie- 
Bungsverzicht des Vaters, Gewährung des 
Namens des Mannes an das uneheliche 
Kind seiner Frau, Ausschlagung einer an- 
gefallenen Erbschaft. 
V. Gerichtliche oder notarielle Beur- 
kundung: die Erklärung wird zu Protokoll 
abgegeben und der ganze Akt, nicht bloß 
die Unterschrift, beurkundet. Bei Verträ- 
gen genügt es, daß erst der Antrag in 
einer, sodann die Annahme in einer 
zweiten Urkunde beurkundet werden. 
Beispiele: Übertragung oder Nieß- 
brauchsbelastung des ganzen gegenwär- 
tigen Vermögens, pactum de hereditate 
tertii unter den künftigen gesetzlichen Er- 
ben, obligatorische Eigentumsübertra- 
gung an Immobilien, Schenkungsverspre- 
chen, Belastung von Grundstücken, An- 
trag auf Ehelichkeitserklärung, Verfügung 
über einen Miterbenanteil, Erbverzicht, 
Erbschaftskauf. — 1. Gerichtliche oder 
notarielle Beurkundung unter gleichzeiti- 
ger Anwesenheit beider Parteien (Vertre- 
tung meist zugelassen). Beispiele: Auf- 
lassung von Immobilien, Bestellung des 
Erbbaurechtes, Ehevertrag, Kindesan- 
nahme, Erbvertrag, öffentliches, gemein- 
schaftliches Testament. — 2. Die Ehe- 
schließung kann nur vor dem Standesbe- 
amten erfolgen, und zwar bei gleichzeiti-
	        
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