Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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men Verbindlichkeiten aus Verträgen in 
Betracht, aber B 278 beschränkt sich nicht 
auf kontraktliches Verschulden. Öffent- 
lichrechtliche Verhältnisse, B89, 31, Einf-B 
77, gehören zwar nicht hierher, dagegen 
gilt B 278 gleichmäßig bei Verbindlich- 
keiten aus Verträgen und vertragsähn- 
lichen Verhältnissen, z. B. B 809, 812. 
Aber auch die Erfüllung einer Schuld aus 
unerlaubter Handlung fällt unter B 278. 
Nur die Erfüllung eines bestehenden 
Schuldverhältnisses wird vorausgesetzt, 
JW 06 111, 193, dagegen fällt nicht unter 
B 278 ein Verschulden, welches selbst erst 
den Tatbestand einer unerlaubten Hand- 
lung begründet. Zur Erfüllung einer Ver- 
bindlichkeit bedient sich der Schuldner 
eines anderen nicht nur dann, wenn es 
sich gerade um die einklagbare Leistung 
handelt, sondern allgemein, wenn die Er- 
füllung der aus dem Schuldverhältnisse 
sich ergebenden Verpflichtungen oder die 
Ausübung der kraft des Schuldverhält- 
nisses zustehenden Befugnisse in Frage 
steht, vgl gegen Nußbaum 54—63: 
Feder 43ff, ROLG 18 10; DJZ 07 283, 
655, 481; dagegen gehört nicht hierher 
ein Verschulden des Gehilfen bei Ein- 
gehung des Schuldverhältnisses. Einer- 
seits genügt es nicht, wenn der Gehilfe 
zwar zu der Erfüllung zugezogen wird, 
aber sich an derselben überhaupt nicht be- 
teiligt, andererseits ist nicht erforderlich, 
daß die schuldhafte Handlung gerade am 
Gegenstand der Leistung erfolge. Inner- 
halb dieser Grenzen vertreten M. Rüme- 
lin, Feder und Karl Fischer die „un- 
eingeschränkte Haftung‘ des Schuldners 
für Hilfspersonen nach B 278. Der Schuld- 
ner soll für jede bei Gelegenheit der Erfül- 
lung begangene schädigende Handlung 
der Hilfsperson haften, weil B 31, 831 
die Haftung auf die „in Ausführung der 
(ihm zustehenden) Verrichtung(en)‘‘ be- 
gangenen Handlungen beschränkten, weil 
die Beweisführung aus B 275, 280, wo- 
nach nur für schuldhafte Handlungen ge- 
haftet werde, durch welche gerade die 
geschuldete Leistung ganz oder teilweise 
unmöglich werde, zu unerwünschten Er- 
gebnissen führe, und weil die „uneinge- 
schränkte Haftung‘ der Volksüberzeu- 
gung entspreche und eine scharfe Abgren- 
zung ergebe. Das sei die Haftung bis zu 
derjenigen Schädigung, welche durch die 
Erfüllung im Sinne eines adäquaten Zu- 
sammenhangs verursacht sei. Allein der 
  
Geschäftsherr. 
Schuldner soll ein Verschulden der Gehil- 
fen bei der Erfüllung nur in gleichem Um- 
fange vertreten wie eigenes Verschul- 
den. Bezieht sich dies auch zunächst auf 
die verschiedenen Verschuldungsgrade 
— leichte, konkrete, grobe Fahrlässigkeit, 
Vorsatz — JW 07 100 —, so besagt die 
Bestimmung doch mit gleicher Deutlich- 
keit, daß der Schuldner nur für ein sol- 
ches Verschulden der Hilfsperson haftet, 
für das er selbst, wenn es ihm zur Last 
file, und zwar aus dem bestehenden 
Schuldverhältnisse, nicht aus einem eben 
durch dieses Verschulden erst zu begrün- 
denden Schuldverhältnisse, gleichfalls haf- 
ten würde. Der Uhrmacher, der nicht den 
Lehrling schickt, sondern selbst zu den 
Kunden kommt, die Uhr aufzuziehen, und 
im Hause des letzteren einen Überzieher 
stiehlt, haftet hierwegen nicht aus dem 
Werkvertrag. Ebensowenig kann hieraus 
der Schuldner nach B 278 haften, wenn 
der Diebstahl von einer Hilfsperson be- 
gangen wird. 
Über die Tragweite der Ä„uneinge- 
schränkten Haftung‘ sind sich ihre Ver- 
treter selbst nicht einig. Während Feder 
66 in dem von Merkel 67 an den 
Pranger gestellten Beispiele aus der fran- 
zösischen Rechtsprechung — welche den 
Gutsbesitzer, der ein Mädchen an der 
Bahn abholen ließ, dafür haftbar machte, 
daß der Kutscher dasselbe unterwegs ver- 
gewaltigte — diese Entscheidung von sei- 
nem Standpunkte aus auch nach B 278 
billigt, lehnt Fischer 36 diese Folge 
mit einer dem Gebiete seiner Abhandlung 
völlig fremden Erwägung ab, indem er 
irrigerweise den ursächlichen Zusammen- 
hang zwischen der Zuziehung und dem 
Verschulden der Hilfsperson sowie dem 
Schaden verneint. Nach der weitaus herr- 
schenden Ansicht, vglÖOrtmann Anm 3b 
zu B 278, ist erforderlich ein innerer Zu- 
sammenhang der schädigenden Handlung 
der Hilfsperson mit der Erfüllung. Die 
schuldhafte Handlung muß ihrer Art nach 
mit der Erfüllung in adäquatem Zusam- 
menhang stehen. Das kann auch der Fall 
sein, wenn nicht gerade der Gegenstand 
der Leistung beschädigt ist, z. B. der Lehr- 
ling läßt die Uhr, die er aufhängen soll, 
fallen, daß sie zerbricht und den dabei ste- 
henden Hausherrn verletzt, JW 09 359; 
06 460; 07 741. 
Gemeinsam mit B 278 ist dem B 831 
die Bestellung zu einer Verrichtung und
	        
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