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jenigen Willenserklärungen des Staa-
tes, welche auf diesem Wege, also unter
Mitwirkung der Volksvertretung erfolgen,
ohne Rücksicht darauf, welchen Inhalt sie
haben. Daher gehören die Rechtsverord-
nungen, obgleich sie eine Rechtsregel ent-
halten, nicht zu den Gzen in diesem Sinne,
während andererseits Verwaltungsvor-
schriften, Wirtschaftspläne (Etats) und an-
dere die Rechtsordnung nicht betreffende
Akte, wenn sie auf dem ‚„Gesetzgebungs-
wege‘ erfolgen, zu den Gzen im formellen
Sinne gehören und formelle Gesetzeskraft
haben.
2. In jedem Gz ist ein doppelter Be-
standteil zu unterscheiden, die in dem Gz
enthaltene Rechtsregel und die Ausstat-
tung derselben mit rechtsverbindlicher
Kraft, oder der Gesetzesinhalt und der Ge-
setzesbefehl. Es ist nicht notwendig, daß
der Gesetzgeber den Gesetzesinhalt erfin-
det; er kann ihm durch einen völkerrecht-
lichen Vertrag, durch eine mit der Ausar-
beitung beauftragte Kommission, durch
das Recht eines anderen Staates oder
durch wissenschaftliche Untersuchungen
usw gegeben sein. Dagegen ist die Ertei-
lung des Gesetzesbefehls notwendig eine
Tat des Staates, ein Wirken der Staats-
gewalt, des Herrschens. In der Monar-
chie ist der Monarch als der alleinige Trä-
ger der ungeteilten und unteilbaren
Staatsgewalt dasjenige Organ, welches
allein den Gesetzgebungsbefehl, die Sank-
tion, erteilen kann. Den Inhalt des Gzes
aber zu bestimmen, steht ihm nicht aus-
schließlich zu; die Regierung hat vielmehr
den Inhalt, also den Wortlaut des Gzes,
mit der Volksvertretung zu vereinbaren.
Der Souverän kann an demselben nichts
ändern; er hat nur darüber die Freiheit
der Entscheidung, ob er den Befehl ertei-
len will, daß dieser Wortlaut Gz werde.
Das Gz darf daher nicht aufgefaßt werden
als eine gemeinsame Erklärung des Mon-
archen und der Volksvertretung. Das
Parlament gibt in der konstitutionellen
Monarchie niemals eine Erklärung den
Staatsuntertanen gegenüber ab; es erteilt
durch die Genehmigung eines Gesetzent-
wurfs dem Monarchen gegenüber die Zu-
stimmung, daß dieser den Gesetzesbefehl
erlasse. Der Beschluß des Parlaments
und die Sanktion sind zwei verschiedene
und getrennte Akte.
3. Das Gz bedarf wie jeder Willensakt
einer Erklärung, welche den Zweck hat,
Gesetz.
den Gesetzeswillen in authentischer Weise
erkennbar zu machen. Die Form dieser
Erklärung ist die Ausfertigung einer öf-
fentlichen Urkunde, aus welcher sich in
unzweifelhafter Art das Vorhandensein
des Gesetzgebungsbefehls und sein Inhalt
ergibt. Durch die Beurkundung des Gzes
wird dasselbe sinnlich wahrnehmbar und
dadurch erst juristisch existent, und da die
Beurkundung nur erfolgen darf, wenn die
Voraussetzungen gegeben sind, welche
das positive Recht für das Zustandekom-
men eines Gesetzes aufstellt, so hat die
Ausfertigung zugleich die Funktion zu
konstatieren, daß diese Vorbedingungen
erfüllt sind.
4. Da das Gz nicht an bestimmte ein-
zelne Personen gerichtet ist, sondern Be-
folgung oder Berücksichtigung von allen
verlangt, welche an der Rechtsordnung
teilnehmen oder zur Handhabung und
Aufrechterhaltung derselben berufen sind,
. so bedarf jedes Gz der Verkündigung.
Nicht jede Veröffentlichung des Gzes aber
ist eine Verkündigung. Die letztere ge-
hört zu dem Gesetzgebungsweg, sie ist
eine Amtshandlung, welche nur derjenige
vornehmen kann, welcher dazu die gesetz-
liche Zuständigkeit hat, und für welche
derselbe verantwortlich ist, und sie muß
in der gesetzlich angeordneten Weise,
insbesondere durch Abdruck im Gesetz-
blatt, erfolgen. Nur bei Beobachtung die-
ser Formen kann die Fiktion, daß das Gz
allgemein kundbar sei und die Regel ig-
norantia juris nocet eintreten.
5. Der Weg der Gesetzgebung besteht
daher in den Einzelstaaten aus vier Akten
oder Stadien: der Beratung und Feststel-
lung des definitiven Entwurfs, der Sank-
tion, Ausfertigung und Verkündigung.
Die Verhandlung und Beschlußfassung
der Volksvertretung über eine Gesetzes-
vorlage ist teils in den Verfassungen, teils
in den Geschäftsordnungen geregelt. Die
Beschlüsse werden in der Regel mit ein-
facher Mehrheit gefaßt; für Gesetzent-
würfe, welche die Verfassung ändern sol-
len, ist entweder eine verstärkte Majori-
tät oder, wie in Preußen, eine wiederholte
Abstimmung vorgeschrieben; wo das
Zweikammersystem besteht, muß der
Wortlaut des Gesetzentwurfs in vollkom-
men übereinstimmender Fassung von bei-
den Kammern genehmigt werden. Die
Sanktion und die Ausfertigung fallen regel-
mäßig in einem Akt zusammen, nämlich