Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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stimmung der Polizei zu gewähren, $ 33, 
wogegen kein Rechtsmittel gegeben ist. 
Streit über die Kost entscheidet die 
Polizei. Die Livree fällt männlichen Be- 
dienten nach Ablauf der Vertragszeit als 
Eigentum zu; ist keine Vertragszeit be- 
stimmt, so entscheidet die Polizei, $ 37. 
Auf besondere Staatslivreen, Mäntel, Kut- 
scherpelze und dergleichen hat der Be- 
diente keinen Anspruch, 88 38, 39. Weih- 
nachts-, Neujahrs- und andere dergleichen 
Geschenke kann das Gesinde auch auf 
Grund eines Versprechens niemals ge- 
richtlich einklagen, $ 34. Schon gegebene 
Geschenke kann die Herrschaft auf Lohn 
anrechnen, wenn der Vertrag im Laufe 
desselben Dienstjahres durch Schuld des 
Gesindes aufgehoben wird, $ 36. 
Ist die Dauer der Dienstzeit nicht nach 
Zeit oder Kündigung bestimmt, so ist ein- 
jährige Kündigung zulässig, $ 40. Min- 
derjährige haben nach erreichter Volljäh- 
rigkeit unbedingt die gesetzliche Kündi- 
gung (s. unten) von 6 Wochen oder 3 Mo- 
naten. Ist das Dienstverhältnis für Le- 
benszeit oder länger als 5 Jahre einge- 
gangen, so hat der Verpflichtete nach Ab- 
lauf von 5 Jahren sechsmonatliche Kün- 
digung, B 624. Ist nichts vereinbart, so 
gilt die Miete bei städtischem Gesinde als 
auf ein Vierteljahr, bei Landgesinde als 
auf ein Jahr geschlossen, $ 41. Städti- 
sches Gesinde ist nach ObTrib 17 510 das 
in der Stadt dienende, Landgesinde das 
auf dem Lande dienende; diese Ansicht 
ist aber allgemein verworfen und für Land- 
gesinde das vorwiegend zur Landwirt- 
schaft gebrauchte, für städtisches Gesinde 
alles übrige erklärt, ohne Rücksicht auf 
den Dienstort. 
Die Antrittszeit und die Abzugszeit, falls 
nichts anderes vereinbart ist, ist für städti- 
sches Gesinde der 2. Januar, April, Juli 
und Oktober, für Landgesinde der 
2. April; oder, falls einer dieser Tage ein 
Sonn- oder Festtag ist, der vorhergehende 
Werktag, 88 42ff. Für Schlesien, die 
Marken Brandenburg und Niederlausitz 
und Teile von Sachsen ist aber später der 
2. Januar als Umzugstermin für Landge- 
sinde festgesetzt worden (Schles Land- 
tagsabschied vom 2. Juni 1827, Kabinetts- 
orders vom 28. Juli 1842 und 20. Febr 
1846). Für Schäfer s. Ges vom 17. Mai 
1882, 
Weigert sich die Herrschaft, das Ge- 
sinde anzunehmen, so verliert sie das 
  
Gesindedienstvertrag. 
Mietsgeld und muß das Gesinde ebenso 
entschädigen, wie wenn sie es unter der 
Zeit ohne rechtlichen Grund entläßt, 
88 45 ff, s. später; das Gesinde muß aber, 
ehe es Entschädigung fordern kann, poli- 
zeiliche Vermittlung nachsuchen, Ober- 
trib 14 82, 59 256. Doch kann die Herr- 
schaft von dem Vertrage aus den Grün- 
den abgehen, die sie berechtigen würden, 
das Gesinde vorzeitig zu entlassen, $ 48, 
s. unten; desgleichen, wenn das Gesinde 
zuerst den Dienst anzutreten sich gewei- 
gert hat, $ 49. In beiden Fällen kann sie 
das Mietsgeld zurückfordern, $ 50. — 
Weigert sich das Gesinde, den Dienst an- 
zutreten, so muß es polizeilich gestellt 
werden; bleibt dies fruchtlos, so muß es 
der Herrschaft den Schaden erstatten und 
das Mietsgeld ersetzen, wird auch bestraft, 
8 51. Kann es jedoch nachweisen, daß die 
Herrschaft im letztverflossenen Dienst- 
jahre Handlungen begangen hat, wodurch 
es zur Verlassung des Dienstes ohne Kün- 
digung berechtigt werden würde, so kann 
es nicht zum Dienstantritt gezwungen 
werden, sondern muß nur das Mietsgeld 
zurückzahlen; ebenso, wenn es durch Zu- 
fall ohne seine Schuld den Dienst anzu- 
treten verhindert wird, 8$ 52f. Erhält weib- 
liches Gesinde vor Antritt Gelegenheit zu 
heiraten, so steht es ihm frei, für Ersatz zu 
sorgen oder den Dienst in Städten auf ein 
Vierteljahr, bei Landwirtschaften auf ein 
halbes Jahr anzutreten, $$ 54f. 
Der Dienstbote ist der Zucht und Haus- 
ordnung des Dienstherrn unterworfen. 
Diesem Grundsatze gemäß regelt die Ge- 
sindeOÖ seine Pflichten im einzelnen, 
88 56—81. Wird ein Dienstbote schadens- 
ersatzpflichtig, so kann sich die Herrschaft 
an den Lohn halten, Ges vom 20. Sept 
1899 Art 14 $ 1 Abs 3; ist der Schadens- 
ersatzanspruch größer als der fällige 
Lohn, so hat sie ein Zurückbehaltungs- 
recht an den Habseligkeiten des Dienst- 
boten. Reizt das Gesinde die Herrschaft 
durch ungebührliches Betragen zum Zorn, 
und wird in selbigem von ihr mit Schelt- 
worten oder geringen Tätlichkeiten be- 
handelt, so kann es dafür keine gericht- 
liche Genugtuung fordern, $ 77. Ein 
Züchtigungsrecht liegt darin nicht, die 
Vorschrift ist daher nicht durch Einf-B 95 
Abs 3 aufgehoben, vgl Verf d. Min des 
Innern vom 11. Aug 1898. Über die Pflich- 
ten der Herrschaft bestimmen 88 82—98 
und B 617—619. Zieht ein Dienstbote sich
	        
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