Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Gewerbefreiheit im allgemeinen. 
reich selbst, sondern auch in einem gro- 
Ben Teile Deutschlands zur Geltung ge- 
bracht hatte, ging auch in Preußen schon 
das Edikt vom 2. Nov. 1810, GS 79, zu 
diesem Grundsatze über, indem es u. a. 
bestimmte, daß jeder, welcher, sei es in 
den Städten oder auf dem platten Lande, 
sein bisheriges Gewerbe fortsetzen oder 
ein neues unternehmen wolle, einen Ge- 
werbeschein zu lösen habe, daß aber die- 
ser Schein dem Inhaber das Recht gebe, 
das in ihm benannte Gewerbe im ganzen 
Staatsgebiete zu betreiben. Der Ge- 
werbeschein durfte niemandem versagt 
werden, der einen rechtschaffenen Lebens- 
wandel nachweisen konnte; nur bei Ge- 
werben, mit deren ungeschicktem Betriebe 
eine gemeine Gefahr verbunden war, oder 
die eine öffentliche Beglaubigung oder 
Unbescholtenheit erforderten, war der 
Nachweis der erforderlichen Eigenschaf- 
ten vorgeschrieben. In demselben Sinne 
erging die prGw vom 17. Jan 1845, 
GS 41, die insbesondere auch die Aufhe- 
bung und Ablösung der Gewerbeberech- 
tigungen sowie der Zwangs- und Bann- 
rechte regelte. 
Die Gw für das Deutsche Reich beruht 
auf der im gewerbefreiheitlichen Sinne 
revidierten prGw, hat aber durch spätere 
Gesetze eine Reihe nicht unerheblicher, 
eine Einschränkung der Gwf herbeifüh- 
render Abänderungen erfahren. Den An- 
laß hierzu gab teils die Wahrnehmung, 
daß zu weitgehende Freiheiten im Gewer- 
betriebe für das Publikum schwere Nach- 
teile zum Gefolge haben, teils das Inter- 
esse des Schutzes der Arbeiter. Die Gw 
nimmt grundsätzlich den Standpunkt ein, 
daß der Betrieb eines Gewerbes jedermann 
gestattet ist, soweit nicht durch sie selbst 
oder durch andere Reichsgesetze Aus- 
nahmen oder Beschränkungen vorge- 
schrieben oder zugelassen sind, Gw 1. 
Diese Bestimmung bezieht sich aber 
selbstverständlich bloß auf die unter die 
Gw fallenden Gewerbe und beseitigt nur 
solche Beschränkungen, die der Zulas- 
sung zum Gewerbebetriebe entgegen- 
stehen, nicht Vorschriften, welche die Aus- 
übung der Gewerbe, namentlich im Inter- 
esse der öffentlichen Ordnung und Sitte 
regeln. Die Gewerbetreibenden haben 
mithin die allgemeinen polizeilichen Vor- 
schriften, z. B. die bau-, feuer-, wasser-, 
sitten-, gesundheits-, sicherheitspolizei- 
lichen Vorschriften zu befolgen, die für 
  
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den betreffenden Bezirk erlassen sind, 
OVG 18 308. Die Bestimmungen der Gw 
und ihrer Novellen haben nach $ 1 Abs 2 
keine rückwirkende Kraft, so daß der- 
jenige, der beim Inkrafttreten der Gw 
oder einer Novelle zum Betriebe eines 
Gewerbes berechtigt war, von ihm nicht 
ausgeschlossen werden darf, weil er den 
Erfordernissen der Gw oder der Novellen 
nicht genügt, OVG 8 282. Im übrigen 
sind die aus dem Grundsatze der Gwf ent- 
springenden Vorschriften der Gw im we- 
sentlichen folgende: Die Unterscheidung 
zwischen Stadt und Land in bezug auf 
den Gewerbebetrieb und die Ausdehnung 
desselben wird aufgehoben, $ 2. Der 
gleichzeitige Betrieb verschiedener Ge- 
werbe sowie desselben Gewerbes in meh- 
reren Betriebs- oder Verkaufsstellen ist 
gestattet. Eine Beschränkung der Hand- 
werker auf den Verkauf der selbstver- 
fertigten Waren findet nicht statt, & 3. 
Den Zünften und kaufmännischen Korpo- 
rationen steht ein Recht, andere von dem 
Betrieb eines Gewerbes auszuschließen, 
nicht mehr zu, $ 4. Die ausschließlichen 
Gewerbeberechtigungen sind aufgeho- 
ben; ebenso 1. die mit solchen verbunde- 
nen Zwangs- und Bannrechte, mit Aus- 
nahme der Abdeckereiberechtigungen, 
2. alle Zwangs- und Bannrechte, deren 
Aufhebung nach dem Inhalte der Ver- 
leihungsurkunde ohne Entschädigung 
zulässig ist, 3. das mit dem Besitz einer 
Mühle, einer Brennerei oder Brenngerech- 
tigkeit, einer Brauerei oder Braugerech- 
tigkeit oder einer Schankstätte verbun- 
dene Recht, die Konsumenten zu zwingen, 
daß sie bei den Berechtigten ihren Bedarf 
mahlen oder schroten lassen oder das Ge- 
tränk ausschließlich von ihm beziehen, so- 
wie das städtischen Bäckern und Flei- 
schern zustehende Recht, die Einwohner 
der Stadt, der Vorstädte oder dersog Bann- 
meile zu zwingen, daß sie ihren Bedarf 
an Gebäck oder Fleisch ganz oder teil- 
weise von jenen ausschließlich entneh- 
men, sofern diese Berechtigungen nicht 
auf einem Vertrage zwischen Berechtig- 
ten und Verpflichteten beruhen; 4. die Be- 
rechtigungen, Konzessionen zu gewerb- 
lichen Anlagen oder zum Betriebe von 
Gewerben zu erteilen, die dem Fiskus, 
Korporationen, Instituten oder einzelnen 
Berechtigten zustehen; 5. vorbehaltlich 
der an den Staat und die Gemeinde zu 
entrichtenden Gewerbesteuern alle Ab-
	        
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