Gewerbeordnung — Gewerbesteuer in Preußen.
sehen haben, mancherlei Änderungen er-
fahren, und bereits durch das Gesetz vom
1. Juli 1883 wurden diese wiederum um-
gestaltet.
Die einschneidendste. Reform der letzten
20 Jahre ist aber die sog Handwerker-
novelle, durch die den kleineren Gewerben
ein ihnen notwendiger Rückhalt geschaffen
wurde. Durch das Gesetz vom 26. Juli
1897 ist die Organisation des Handwerks
vollendet worden. Die Bestimmungen
über das Innungswesen haben hierbei
ihre heute gültige Form angenommen, das
Lehrlingswesen ist neu geregelt, im Zu-
sammenhang mit ihm der kleine Befähi-
gungsnachweis geschaffen und vor allem
die äußerst segensreiche Einrichtung der
Handwerkskammern getroffen worden.
Zusätze zur Gw waren notwendig durch
das neue B und das H. Eine Neuredak-
tion brachte ferner das Ges vom 30. Juni
1900, hauptsächlich sozialpolitischer Be-
deutung.
Weitere kleine Abänderungen brachte
das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhun-
derts; diese Aufzählung, die keinen An-
spruch auf absolute Vollständigkeit selbst
der kleinsten Abänderungsnormen macht,
kann sich auf die wichtigeren beschrän-
ken: Ges vom 7. Jan 1907 betrifft die Un-
tersagung des Betriebes wegen Unzuver-
lässigkeit des Gewerbetreibenden. Als
jüngste Gesetze sind noch zu nennen die
Taesetze vom 29. Juni 1908 und 28. Dez
1908.
Eine weitere Ausgestaltung der Gw
stellen auch die sehr zahlreichen Bundes-
ratsbeschlüsse dar, die auf Grund beson-
derer in der Gw erteilter Befugnis sozial-
politische Fragen behandeln und als Bek
des Reichskanzlers publiziert sind. S. im
übrigen bei den einzelnen Gewerberechts-
materien.
Marcinowski Kommentar z.Gw; Schicker Kom-
mentar z. Gw; v. Landmann Kommentar z. Gw:
Berger- Wilhelmi Kommentar 3. Gw usw; Jacob
Gewerbegesetzgebung des Deutschen Reichs. Weilgelt.
Gewerbesteuer in Preußen. Eine von
allen stehenden Gewerben (s. Artikel
Wandergewerbesteuer) gleichmäßig er-
hobene Steuer ist in Preußen durch das
Gewerbesteuergesetz vom 24. Juni 1891,
GS 205, geltend vom 1. April 1893 an,
Ausführungsanweisung vom 4. Nov 1805,
eingeführt worden; ebenso wurde die
Besteuerung nach dem äußeren Merkmal
des Umfanges durch diejenige nach einer
Verbindung von Anlage- und Betriebs-
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kapital mit dem Ertrage ersetzt. Die
gleichzeitig angestrebte gerechtere Vertei-
lung der Last, Entlastung der kleinen Be-
triebe, stärkere Heranziehung der größe-
ren, ist in weitem Maßstabe erreicht (s.
den Schluß). Nur für die Jahre 1893 und
1894 ist die neue Steuer als Staatssteuer
erhoben (s. den Artikel Vermögens-
steuer). Der Staat besteuert für sich
noch den seit dem Gesetz vom 3. Juli 1876,
GS 274, aus der allgemeinen Gewerbe-
steuer herausgelösten Gewerbebetrieb im
Umherziehen, Wander- oder Hausierge-
werbe.
Gewerbe ist die mit der Absicht der
Gewinnerzielung unternommene, selb-
ständige, berufsmäßige und erlaubte Ar-
beitstätigkeit, die sich als Beteiligung am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar-
stellt. In engerem Sinne ist es im Gegen-
satz zu den Betrieben der Rohstofferzeu-
gung, Land- und Forstwirtschaft usw die
Rohstoffveredelung durch Be- und Ver-
arbeitung; weiter umfaßt aber Gewerbe
auch die Gütervermittelung, den Handel,
und endlich jede andere wie oben geartete
Tätigkeit, die nicht höhere oder niedere
Lohnarbeit ist.
Da der Betrieb von dieser Real-, Objekt-
oder Ertragsteuer besteuert wird, weshalb
z. B. ein Wechsel in der Person des In-
habers des ganzen Betriebes im Laufe
eines Steuerjahres nur zu einer Umschrei-
bung der Steuer auf den Nachfolger führt,
$ 41 des Ges, so ist es ohne Belang, daß
der Sitz des Unternehmens außerhalb
Preußens liegt, wofern nur in Preußen
sich eine Zweigniederlassung oder über-
haupt eine Betriebsstätte befindet. Natür-
lich ist dann nur mit einem Teilertrage,
Teilkapital zu rechnen, $ 2, wie in dem
umgekehrten Falle, daß ein inländischer
Betrieb außerhalb Preußens Betriebsstät-
ten unterhält, 8 21. Eine Betriebsstätte ist
jede Einrichtung, von der aus ein Teil des
Betriebes, wenn nicht der ganze, sich
dauernd als von einem örtlichen Mittel-
punkte aus vollzieht, z. B. auch Stand in
der Markthalle, Börse, ein Verkaufsauto-
mat. Ob der Teilbetrieb nur Kosten ver-
ursacht, wie die bloße Fabrikation, bei
einem auswärtigen Fuhrunternehmen die
hiesigen Stallungen usw, macht keinen
Unterschied; auch er trägt zur Ertragser-
zielung bei und vielfach wird es gerecht-
fertigt sein, auf ihn die Hälfte des Ertrags
zu schätzen. Dauernd muß der Betrieb