Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

670 
scripta oder legitima praescripta sein, c 11 
X 1, 4; vgl Brie GewR 1 104. 
3. Der Satz muß gleichförmig und all- 
gemeingültig geübt werden. 
4. Der Satz muß vernünftig sein. Diese 
Rationabilität verlangte schon das alte 
Rechtssprichwort: Hundert Jahre Un- 
recht, keine Stunde Recht. Vgl Brie 
GewR 1 237; hierzu Reichskammer- 
gerichtsordnung vom 7. Aug 1495, 8 3. 
5. Der Satz muß öffentlich geübt wer- 
den. Die Übung kann gleichwohl so er- 
folgt sein, daß das Gericht keine Kenntnis 
von dem Bestehen eines G hat; vgl Z 
293 Satz 1. 
Streitig ist, ob ein G auf Irrtum beruhen darf. Nach 
richtiger Ansicht kann der Irrtum keinen Einfluß auf die 
Geltung einer Rechtsnorm haben, da eine Erwägung, die 
zur Schöpfung eines Rechtssatzes führt, im Augenblicke 
der Entstehung der Norm abgetan, also bedeutungslos 
ist. Vgi D 1, 3, 89, wo Celsus sich gegen eine auf Irrtum 
beruhende consuetudo erklärt, ebenso: Windscheid 1 
86; RGZ 18 292. — Allerdings scheint Celsus nicht allge- 
mein diese Auffassung zu vertreten, sondern nur ein fus 
singulare in der auf um sich denden Gewohnheit 
zu sehen; ähnlich Brie GewR 1 80: Kipp Geschichte 
der Quellen des römR 19; vgl noch Zitelmann in 
ArchZivPr 66 323. — Dernburg Pand 1 59 läßt auch 
aus in Irrtum Geübtem ein Gewohnheitarecht erwacheen. — 
Als gleichgültig sehen den Irrtum an: Gierke DPrivR 
1 167; Kipp bei Windscheid 1 87 Anm 8. — Kohler 
BürgR 1 111 Anm 1 erklärt die Behauptung, daß der 
auf Irrtum beruhende Gerichtagebrauch kein G schaffe, 
für ebenso unrichtig wie das Gegenteil. 
III. Das G kann gemeines G (für das 
Gebiet des ganzen Reiches, Reichsge- 
wohnheitsrecht) oder partikuläres (in 
einer bestimmten Begrenzung, und zwar: 
örtlich, z. B. (Landesgewohnheitsrecht für 
das Gebiet des Einzelstaates, als Provin- 
zialgewohnheit, als Stadtgewohnheit; — 
persönlich begrenzt, z. B. Observanz klei- 
nerer Kreise, des hohen Adels, der Kauf- 
leute, von Innungen) sein. 
IV. Das G kann verschieden erkannt 
werden: 
1. unmittelbar, dadurch, daß es von Zeu- 
gen bestätigt, aus Urkunden entnommen 
werden kann; 
2. mittelbar, dadurch, daß es aus der 
Anwendung in Gerichtsurteilen als vor- 
handen angesehen wird; vgl Danz Das 
geltende GwR und der RÜUnterricht, in 
DJZ 08 32. 
G. Fr. Puchta Das Gewohnheitarecht, 2 Telle, 28, 37; 
G. Beseler Volksrecht und Juristenrecht, 43: Zitel- 
mann Gewohnheitsrecht und Irrtum im ArchZivPr 66 
324; Brie Die Lehre vom Gewohnheitsrecht, I. Geschicht- 
liche Grundlegung, 99; Windscheid-Kipp Lehrbuch 
des Pandektenrechts 1? 76; Dernburg Pandekten 1’ 
866; Endemann BürgR 1 34; Eck Vorträge 1 16: 
Cosack BürgR 187; Krückmann in JheringsJ 38 
191, Crome in JheringsJ 89 323; Kohler BürgR 1 106; 
Stammler Wesen des Rechtes (bei Hinneberg) XXIL; 
Sohm Insitutionen!? 26; I,aband StaatsR 2° 2, 69; der- 
selbe ReichsstaatsR 106 Anm 2 ;| Jellinek RModSt 1 
331, 758. P. 
Gezogener Wechsel s. Wechsel. 
Gifte sind nach Lewin chemische nicht 
organisierte Stoffe oder chemische Stoffe 
  
Gewohnheitsrecht — Glaser. 
abscheidende organisierte Gebilde, die, an 
oder in den menschlichen Leib gebracht, 
durch chemische Wirkungen unter be- 
stimmten Bedingungen Krankheit oder 
Tod herbeiführen. 
In diese Definition gehören also auch 
die Ausscheidungen schädlicher Bakte- 
rien, die sog Toxine. Bei der Wirkung 
des Giftes kommt zunächst die Größe der 
dargereichten Gabe in Betracht; man 
kann hierbei eine Dosis toxica von einer 
Dosis letalis unterscheiden. Im Arznei- 
buch für das Deutsche Reich sind für alle 
Gifte, die als Arzneimittel angewendet 
werden, die Normaldosen angegeben. In 
zweiter Linie ist bei der Giftwirkung die 
Art der Beibringung zu berücksichtigen. 
Es ist ein bedeutender Unterschied in dem 
schädigenden oder zerstörenden Einfluß 
zu bemerken, je nachdem das Gift in 
einem es lösenden oder nicht lösenden 
Tranke verabreicht worden ist. Schließ- 
lich spielen individuelle Verhältnisse, 
Alter und Konstitution bei der Wirkung 
eine große Rolle. Sachs. 
Giftlegen s. Jagdrecht (Ausübung des 
Jagdrechts) und Jagdvergehen; vgl $ 2 
Reichsvogelschutzges vom 30. Mai 1908, 
RGBI 314. Stelling. 
Gilde s. Innung, Gewerkverein. 
Giro s. Indossament. 
Glaser, Julius (Josua), * 19. März 1831 
zu Postelberg, habilitierte sich 1854 in 
Wien, wo er 1856 a. o., 1860 o. Professor 
wurde. Schon vorher vielfach an ge- 
setzgeberischen Arbeiten beteiligt, führte 
er als Justizminister (1871 — 79) die 
neue Oesterreichische Strafprozeßordnung 
durch und bearbeitete die Entwürfe des 
Strafgesetzbuches und der ZivilprozeßBord- 
nung. Seit 1879 Generalprokurator am 
Wiener Kassationshofe, 7 er in Wien am 
26. Dez 1885. 
Unter seinen literarischen Arbeiten (Biblio- 
graphisches Verzeichnis, Wien 88) sind hervor- 
zuheben: Das englisch-schottische Strafverfahren, 
Wien 50; Abhandlungen aus dem österreichischen 
Strafrecht, erster (einziger) Band, Wien 58; 
Über Friedensgerichte, Wien 59; (Über die Frag- 
stellung an die Geschworenen, Wien 63; Zur 
Juryfrage, Wien 65; zusammen in 2. Aufl 75;) 
Anklage, Wahrspruch und Rechtsmittel im 
englischen Schwurgerichtsverfahren, Erlangen 66; 
Gesammelte kleinere Schriften?, Wien 83, %; 
Studien zum Entwurf des österreichischen Straf- 
gesetzes, Wien 71; Handbuch des (deutschen) 
Strafprozesses, Leipzig 83—85, 2%; Beiträge zur 
Lehre vom Beweis, Leipzig 83. Auch gab er 
(mit Unger und Walther) heraus: Sammlung von 
zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. obersten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.