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scripta oder legitima praescripta sein, c 11
X 1, 4; vgl Brie GewR 1 104.
3. Der Satz muß gleichförmig und all-
gemeingültig geübt werden.
4. Der Satz muß vernünftig sein. Diese
Rationabilität verlangte schon das alte
Rechtssprichwort: Hundert Jahre Un-
recht, keine Stunde Recht. Vgl Brie
GewR 1 237; hierzu Reichskammer-
gerichtsordnung vom 7. Aug 1495, 8 3.
5. Der Satz muß öffentlich geübt wer-
den. Die Übung kann gleichwohl so er-
folgt sein, daß das Gericht keine Kenntnis
von dem Bestehen eines G hat; vgl Z
293 Satz 1.
Streitig ist, ob ein G auf Irrtum beruhen darf. Nach
richtiger Ansicht kann der Irrtum keinen Einfluß auf die
Geltung einer Rechtsnorm haben, da eine Erwägung, die
zur Schöpfung eines Rechtssatzes führt, im Augenblicke
der Entstehung der Norm abgetan, also bedeutungslos
ist. Vgi D 1, 3, 89, wo Celsus sich gegen eine auf Irrtum
beruhende consuetudo erklärt, ebenso: Windscheid 1
86; RGZ 18 292. — Allerdings scheint Celsus nicht allge-
mein diese Auffassung zu vertreten, sondern nur ein fus
singulare in der auf um sich denden Gewohnheit
zu sehen; ähnlich Brie GewR 1 80: Kipp Geschichte
der Quellen des römR 19; vgl noch Zitelmann in
ArchZivPr 66 323. — Dernburg Pand 1 59 läßt auch
aus in Irrtum Geübtem ein Gewohnheitarecht erwacheen. —
Als gleichgültig sehen den Irrtum an: Gierke DPrivR
1 167; Kipp bei Windscheid 1 87 Anm 8. — Kohler
BürgR 1 111 Anm 1 erklärt die Behauptung, daß der
auf Irrtum beruhende Gerichtagebrauch kein G schaffe,
für ebenso unrichtig wie das Gegenteil.
III. Das G kann gemeines G (für das
Gebiet des ganzen Reiches, Reichsge-
wohnheitsrecht) oder partikuläres (in
einer bestimmten Begrenzung, und zwar:
örtlich, z. B. (Landesgewohnheitsrecht für
das Gebiet des Einzelstaates, als Provin-
zialgewohnheit, als Stadtgewohnheit; —
persönlich begrenzt, z. B. Observanz klei-
nerer Kreise, des hohen Adels, der Kauf-
leute, von Innungen) sein.
IV. Das G kann verschieden erkannt
werden:
1. unmittelbar, dadurch, daß es von Zeu-
gen bestätigt, aus Urkunden entnommen
werden kann;
2. mittelbar, dadurch, daß es aus der
Anwendung in Gerichtsurteilen als vor-
handen angesehen wird; vgl Danz Das
geltende GwR und der RÜUnterricht, in
DJZ 08 32.
G. Fr. Puchta Das Gewohnheitarecht, 2 Telle, 28, 37;
G. Beseler Volksrecht und Juristenrecht, 43: Zitel-
mann Gewohnheitsrecht und Irrtum im ArchZivPr 66
324; Brie Die Lehre vom Gewohnheitsrecht, I. Geschicht-
liche Grundlegung, 99; Windscheid-Kipp Lehrbuch
des Pandektenrechts 1? 76; Dernburg Pandekten 1’
866; Endemann BürgR 1 34; Eck Vorträge 1 16:
Cosack BürgR 187; Krückmann in JheringsJ 38
191, Crome in JheringsJ 89 323; Kohler BürgR 1 106;
Stammler Wesen des Rechtes (bei Hinneberg) XXIL;
Sohm Insitutionen!? 26; I,aband StaatsR 2° 2, 69; der-
selbe ReichsstaatsR 106 Anm 2 ;| Jellinek RModSt 1
331, 758. P.
Gezogener Wechsel s. Wechsel.
Gifte sind nach Lewin chemische nicht
organisierte Stoffe oder chemische Stoffe
Gewohnheitsrecht — Glaser.
abscheidende organisierte Gebilde, die, an
oder in den menschlichen Leib gebracht,
durch chemische Wirkungen unter be-
stimmten Bedingungen Krankheit oder
Tod herbeiführen.
In diese Definition gehören also auch
die Ausscheidungen schädlicher Bakte-
rien, die sog Toxine. Bei der Wirkung
des Giftes kommt zunächst die Größe der
dargereichten Gabe in Betracht; man
kann hierbei eine Dosis toxica von einer
Dosis letalis unterscheiden. Im Arznei-
buch für das Deutsche Reich sind für alle
Gifte, die als Arzneimittel angewendet
werden, die Normaldosen angegeben. In
zweiter Linie ist bei der Giftwirkung die
Art der Beibringung zu berücksichtigen.
Es ist ein bedeutender Unterschied in dem
schädigenden oder zerstörenden Einfluß
zu bemerken, je nachdem das Gift in
einem es lösenden oder nicht lösenden
Tranke verabreicht worden ist. Schließ-
lich spielen individuelle Verhältnisse,
Alter und Konstitution bei der Wirkung
eine große Rolle. Sachs.
Giftlegen s. Jagdrecht (Ausübung des
Jagdrechts) und Jagdvergehen; vgl $ 2
Reichsvogelschutzges vom 30. Mai 1908,
RGBI 314. Stelling.
Gilde s. Innung, Gewerkverein.
Giro s. Indossament.
Glaser, Julius (Josua), * 19. März 1831
zu Postelberg, habilitierte sich 1854 in
Wien, wo er 1856 a. o., 1860 o. Professor
wurde. Schon vorher vielfach an ge-
setzgeberischen Arbeiten beteiligt, führte
er als Justizminister (1871 — 79) die
neue Oesterreichische Strafprozeßordnung
durch und bearbeitete die Entwürfe des
Strafgesetzbuches und der ZivilprozeßBord-
nung. Seit 1879 Generalprokurator am
Wiener Kassationshofe, 7 er in Wien am
26. Dez 1885.
Unter seinen literarischen Arbeiten (Biblio-
graphisches Verzeichnis, Wien 88) sind hervor-
zuheben: Das englisch-schottische Strafverfahren,
Wien 50; Abhandlungen aus dem österreichischen
Strafrecht, erster (einziger) Band, Wien 58;
Über Friedensgerichte, Wien 59; (Über die Frag-
stellung an die Geschworenen, Wien 63; Zur
Juryfrage, Wien 65; zusammen in 2. Aufl 75;)
Anklage, Wahrspruch und Rechtsmittel im
englischen Schwurgerichtsverfahren, Erlangen 66;
Gesammelte kleinere Schriften?, Wien 83, %;
Studien zum Entwurf des österreichischen Straf-
gesetzes, Wien 71; Handbuch des (deutschen)
Strafprozesses, Leipzig 83—85, 2%; Beiträge zur
Lehre vom Beweis, Leipzig 83. Auch gab er
(mit Unger und Walther) heraus: Sammlung von
zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. obersten