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derrechte, und er ist ergänzt durch ein
Schlußprotokoll und eine Militärkonven-
tion vom gleichen Datum. Zwischen dem
Nordd Bunde und Bayern wurde der Ver-
trag zu Versailles am 23. Nov 1870 abge-
schlossen; er enthält eine Verfassung des
Bundes mit einer erheblichen Anzahl von
Abänderungen der Nordd Bundesv, fer-
ner Sonderbestimnmungen für Bayern
und die Zusicherung, daß Sonderrechte
nur mit Zustimmung des berechtigten
Staates abgeändert werden können, und
ihm ist ein Schlußprotokoll beigegeben,
in welchem .eine Anzahl von Erläuterun-
gen, Beschränkungen und Ergänzungen
des Vertrages enthalten sind. Endlich ist
am 8. Dez 1870 noch ein Vertrag zwischen
dem Nordd Bund und sämtlichen südd
Staaten geschlossen worden, in welchem
sie wechselseitig den unter den einzelnen
Staaten vereinbarten Verträgen nebst An-
lagen, Protokollen und Militärkonventio-
nen zustimmten.
Sämtliche Verträge enthielten überein-
stimmend die Festsetzung, daß sie am
1. Jan 1871 in Wirksamkeit treten sollten.
Zunächst hatten diese Verträge einen völ-
kerrechtlichen Charakter und begründe-
ten nur gegenseitige Rechte und Pflich-
ten der kontrahierenden Staaten; das
Reich selbst war durch sie noch nicht er-
richtet worden. Hierzu bedurften die Re-
gierungen dieser Staaten der Genehmi-
gung der Volksvertretungen. Dieselbe
wurde in allen Staaten in verfassungs-
mäßiger Form erteilt, in Bayern allerdings
erst am 21. Jan 1871, so daß die Ratifi-
kationen des Vertrages erst am 29. Jan
ausgetauscht wurden; indes enthält der
Vertrag selbst die Bestimmung, daß eram
1. Jan in Wirksamkeit treten sollte. Die
Regierungen der südd Staaten waren hier-
durch in den Stand gesetzt, am 1. Jan in
den neugegründeten Bund einzutreten,
durch ihren Eintritt die aus den Novem-
berverträgen entstandenen Verpflichtun-
gen zu erfüllen und hierdurch das Reich
zu errichten. Für den Nordd Bund be-
deutete dies aber nicht eine Auflösung,
sondern eine Ausdehnung oder Erweite-
rung; es besteht daher zwischen dem
Nordd Bund und dem Reich Rechtskonti-
nuität. Österreich, welches an der Ver-
einigung der südd Staaten mit dem Nordd
Bunde ein Interesse hatte, weil sie dem
Art IV des Prager Friedens widersprach,
stimmte durch eine Note vom 26. Dez
Gründung des Deutschen Reiches.
1870 der Errichtung des Deutschen Reichs
ausdrücklich zu und erkannte das Reich
formell an.
Das Reich war am 1. Jan 1871 gegrür-
det worden, aber seine V war nicht in
einer ordnungsmäßigen Form redigiert.
Die Publikation des badisch-hessischen
Vertrages enthielt eine andere Fassung
wie die des bayerischen; dazu kamen die
Änderungen und Vorbehalte im württemb
Vertrage, und die während der Beratung
im Reichstage beschlossene Einführung
der Bezeichnungen „Kaiser und Reich“
hatte zunächst nur an zwei Stellen vor-
läufig Aufnahme gefunden. Überhaupt
hatte nicht die Form des Gesetzes, son-
dern die der Genehmigung von Staatsver-
trägen stattgefunden. Eine formell ord-
nungsmäßige Redaktion der R war daher
nötig, und eine solche wurde von dem
ersten Reichstag des Reichs beschlossen
und am 16. April 1871 als Reichsgesetz
verkündigt. Der Text der V schließt sich
an die im bayerischen Vertrage verein-
barte Fassung an; jedoch sind die Würt-
temberg und Bayern zugesicherten Son-
derrechte in die V selbst aufgenommen
worden; der in den Verträgen anerkannte
Schutz der Sonderrechte gegen Entzie-
hung wurde als Art 78 Abs 2 in die V ein-
gefügt; die Bezeichnungen Kaiser und
Reich wurden durchgeführt und die Zu-
sarnmensetzung des Ausschusses für die
auswärtigen Angelegenheiten wurde er-
gänzt. Der Verfassungsurkunde ist ein
Publikationsgesetz beigegeben, welches
bestimmt, daß die beigefügte V an die
Stelle der Verträge vom 23. und 25. Nov
1870 tritt, d. h. an Stelle der in diesen
Verträgen enthaltenen Fassung. Das In-
krafttreten dieser Verfassungsredaktion
beruht nicht mehr auf den vertragsmäßi-
gen Vereinbarungen, sondern auf der ge-
setzgebenden Gewalt des Reichs, und das
Publikationsgesetz hat die gewöhnliche
Eingangsformel der Reichsgesetze. Die
in den Novemberverträgen getroffenen
Vereinbarungen über die Einführung
nordd Bundesgesetze in den südd Staaten
sind durch $ 2 des Publikationsgesetzes
in Kraft erhalten, und es wird zugleich
beigefügt, daß diese Gesetze Reichsge-
setze sind.
Die im Gesetz vom 16. April 1871 fest-
gestellte Redaktion der V steht zwar noch
gegenwärtig in Geltung; sie ist aber an
ziemlich zahlreichen Stellen durch spätere