Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Gründung d. Deutschen Reiches — Gründung d. Norddeutschen Bundes. 
Reichsgesetze abgeändert worden (Art 4 
Nr 9 und Nr 13; Art 24; Art 28 Abs 2; 
Art 32; Art 38 Abs 2 Ziff 3d; Art 53 
Abs 5; Art59 Abs 1 und Art 70). Laband. 
Gründung des Norddeutschen 
Bundes. Nachdem die wiederholten 
Versuche zu einer Reform des Deutschen 
Bundes gescheitert waren, richtete Fürst 
Bismarck am 10. Juni 1866 an die deut- 
schen Regierungen eine Zirkulardepesche, 
in welcher er ihnen Grundzüge zu einer 
neuen Bundesverfassung zur Erwägung 
mitteilte und sie für den Fall der 
Auflösung des bisherigen Bundesverhält- 
nisses zum Beitritt zu einem neu zu 
errichtenden Bunde aufforderte.. Die 
nicht zum ehemaligen Bunde gehören- 
den Landesteile Preußens und Schles- 
wig sollten eingeschlossen, Österreich 
und die niederländischen Gebiete (Luxem- 
burg und Limburg) ausgeschieden wer- 
den. Im übrigen stimmen die Grund- 
züge so vielfach mit der späteren V 
des Nordd Bundes überein, daß man 
sie als einen ersten Entwurf dersel- 
ben bezeichnen kann. Die wesentliche 
Voraussetzung des neuen Bundes, der 
Ausschluß Österreichs, wurde infolge 
des schnellen und glücklichen Verlaufs 
des Krieges durch Art II des Präliminar- 
friedens von Nikolsburg vom 26. Juli 1866 
und Art IV des Prager Friedens vom 
23. Aug 1866, gleichzeitig aber auch die 
Beschränkung des engeren Bundesverhält- 
nisses auf die Länder nördlich der Main- 
linie Österreich gegenüber völkerrechtlich 
festgestellt. Die südlich von dieser Linie 
gelegenen deutschen Staaten sollten einen 
Verein bilden, der eine internationale un- 
abhängige Existenz haben wird und 
dessen nationale Verbindung mit dem 
Nordd Bunde der näheren Verständigung 
zwischen beiden vorbehalten bleiben 
sollte. Diesen Bestimmungen traten sämt- 
liche mit Preußen im Krieg befindlich ge- 
wesene Staaten in den mit ihnen abge- 
schlossenen Friedensverträgen bei. 
Schon am 16. Juni 1866 nach dem Aus- 
tritt Preußens aus dem Bunde wurde von 
Preußen sämtlichen nordd Staaten mit 
Ausnahme von Sachsen, Hannover, bei- 
den Hessen und Luxemburg der Vor- 
schlag zu einem Bündnis gemacht und am 
18. Aug 1866 zwischen ihnen ein defini- 
tiver Bündnisvertrag abgeschlossen. Die- 
sem, zunächst unter 16 Staaten geschlosse- 
nen Vertrage traten bald darauf die beiden 
  
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Mecklenburg und in den Friedensverträ- 
gen Reuß ä. L., Sachsen-Meiningen, Kö- 
nigreich Sachsen, sowie Hessen-Darm- 
stadt mit seinen nördlich des Mains lie- 
genden Gebietsteilen bei. Durch diese 
Verträge verpflichteten sich die Staaten 
zur Errichtung eines Bündnisses auf 
Grundlage der preuß Grundzüge vom 
10. Juni 1866; die V des Bundes sollte un- 
ter Mitwirkung eines gemeinschaftlich zu 
berufenden Parlaments festgestellt wer- 
den, dessen Mitglieder nach dem sog 
Reichswahlgesetz vom 12. April 1849 ge- 
wählt werden sollten. Der dem Parlament 
vorzulegende Verfassungsentwurf sollte 
durch Bevollmächtigte der verbündeten 
Staaten in Berlin festgestellt werden. In- 
folge dieser Vereinbarungen wurde den 
Landtagen der Einzelstaaten ein Wahlge- 
setz für den Reichstag vorgelegt, welches 
sich so eng als möglich an das Wahlgesetz 
von 1849 anlehnte. Das pr Abgeordneten- 
haus, in welchem noch die Erinnerung an 
den Konflikt mit der Regierung über das 
Budgetrecht und die Armeereorganisation 
nachwirkte, wollte aber das gemeinsame 
Parlament nicht mit der Befugnis aus- 
statten, die V mit den Regierungen zu 
vereinbaren, sondern nur sie zu beraten; 
es sollte die zu vereinbarende V noch der 
Genehmigung durch den pr Landtag und 
mithin, da das gleiche Recht jedem andern 
nordd Staat nicht versagt werden konnte, 
durch mehr als 20 landständische Ver- 
sammlungen vorbehalten werden. 
Das Herrenhaus und die Regierung ent- 
schlossen sich, der vom Abgeordneten- 
hause beliebten Fassung zuzustimmen, so 
daß das Wahlgesetz in Preußen am 
15. Okt 1866 verkündet werden konnte; 
auch in allen übrigen Staaten kam das 
Wahlgesetz in verfassungsmäßiger Weise 
zustande; es konnten also die Wahlen zu 
dem verfassungberatenden Reichstage auf 
Grund dieser Gesetze vorgenommen wer- 
den. Am 15. Dez traten in Berlin Bevoll- 
mächtigte der nordd Staaten zusammen, 
um den Entwurf einer V zu beraten. Fürst 
Bismarck legte der Konferenz namens der 
pr Regierung einen Entwurf vor, welcher 
den Beratungen zugrunde gelegt und in 
zahlreichen Punkten abgeändert wurde. 
Die Beschlüsse der Konferenz sind in vier 
Protokollen niedergelegt, in welchen der 
Wortlaut des Entwurfs, wie er dem 
Reichstage vorgelegt werden sollte, fest- 
gestellt ist. Hierauf wurde der Reichs-
	        
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