Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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a. die Einziehung des Kaufpreises aus den 
von ihnen abgeschlossenen Kaufverträ- 
gen; b. die Bewilligung von Zahlungs- 
fristen bei den von ihnen abgeschlossenen 
Verkäufen; c. die Entgegennahme von 
Mängelrügen, Zurverfügungstellungen 
und ähnlichen Erklärungen. 
IV. Auf Grund von H 56 besteht fol- 
gende Rechtsvermutung: Wer in einem 
Laden oder in einem offenen Warenlager 
angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Ver- 
käufen und Empfangnahmen, die in einem 
derartigen Laden oder Warenlager ge- 
wöhnlich geschehen. 
Handschriftenkunde, Graphologie, 
Schriftexpertise, eine wichtige Hilfs- 
wissenschaft der Kriminalistik und auch 
in Zivilprozessen oft von größter Bedeu- 
tung. Gefälschte Urkunden aller Art, 
anonyme Droh- und Erpressungsbriefe so- 
wie beleidigende Schreiben, anonyme An- 
zeigen an die Behörden machen regel- 
mäßig die Zuziehung eines Schriftsach- 
verständigen notwendig. Oft werden am 
Tatorte von Verbrechern zurückgelassene 
oder verlorene Zettel, beschriebene Pa- 
pierfetzen oder irgendwelche sonstigen 
handschriftlichen Vermerke an Wänden, 
Türen, Möbeln usw gefunden. Die Auf- 
gabe der Hf(and)sch(riftenkunde) kann 
in solchen Fällen eine verschiedene 
sein. Meist tritt sie in Tätigkeit, wenn 
festgestellt werden soll, ob die frag- 
liche Schrift von einer bestimmten Per- 
son herstammt. Diese Feststellung er- 
folgt durch Schriftvergleichung. Es wer- 
den von der betr Person herstammende 
Schriftstücke beschafft, oder die Person 
wird veranlaßt, Schriftproben herzustel- 
len, und die so erhaltenen Schriftstücke 
werden mit den zu prüfenden verglichen. 
Oft aber ist der Urheber des Schrift- 
stückes überhaupt nicht bekannt. Dann 
soll die Hsch Anhaltspunkte für die Per- 
sönlichkeit des Täters geben. Diese An- 
wendung der Hsch ist die eigentliche 
Graphologie, welche ursprünglich eine 
„Handschriftendeutungskunde“ war, also 
lediglich den Zweck verfolgte, aus der 
Handschrift möglichst viele Aufschlüsse 
über die Persönlichkeit (Stellung, Beruf, 
Herkunft, Alter, Charakter, Fähigkeiten 
usw des Schreibers) zu gewinnen. Hier- 
bei wurde lediglich ‚„intuitiv‘‘ vorgegan- 
gen, d. h. man deutete die Handschrift 
unmittelbar nach dem Eindrucke bzw 
nach dem Gefühl, welches der An- 
  
Handlungsvollmacht — Handschriftenkunde. 
blick der Handschrift in einem erregte, 
ohne daß es bestimmte Regeln gab, 
nach denen die Beurteilung vorgenom- 
men wurde. Dies war die ursprüng- 
liche Graphologie, mit der sich seiner- 
zeit Goethe und Lavater beschäftigten, 
und in dieser Art ging auch der erste 
allgemein bekannte Schriftsachverstän- 
dige Adolf Henze vor, der 1862 seine 
„Chirogrammatomantie‘‘ herausgab. Erst 
Jean Hippolyte Michon (1806 — 1881) 
kann als Begründer der eigentlichen wis- 
senschaftlichen Graphologie gelten, 
welche lediglich als ein Zweig der Natur- 
wissenschaften auftritt und sich auf die 
Lehre gründet, daß jede Bewegung vom 
Gehirn geleitet wird und individuell ge- 
färbt ist. Daß es möglich ist, aus der 
Handschrift bestimmte Eigenschaften des 
Schreibers zu erkennen, wird heute wohl 
durchgängig anerkannt, freilich ist es oft 
zweifelhaft, wie weit man hierbei gehen 
darf, zumal manche Handschriften sehr 
leicht zu beurteilen sind, während bei 
anderen der Graphologe überhaupt kein 
abschließendes Urteil abgeben kann. 
Dazu kommt, daß die Handschrift 
des Menschen durch äußere Einflüsse 
(z. B. schon durch ungewohntes Schreib- 
material), ebenso wie durch Affekte aller 
Art erheblich beeinflußt und manchmal 
äußerlich völlig verändert wird, von ab- 
sichtlichen Verstellungen ganz abgesehen. 
Der wissenschaftliche Graphologe kann 
aus vielen Handschriften Geschlecht, Al- 
ter, Beruf und auch wohl Charaktereigen- 
schaften, wie Willenskraft, Ausdauer, 
Ordnungssinn, Pedanterie usw, bestim- 
men. Die „intuitiven‘‘ Graphologen 
gehen in dieser Beziehung außerordent- 
lich weit und ihre Methode grenzt hin 
und wieder stark an Chiromantie und son- 
stige Wahrsagekünste. Der wissenschaft- 
liche Graphologe hält sich lediglich an 
physiologisch und psychologische 
Grundsätze; trotzdem kann auch er im 
einzelnen Falle zu überraschend ge- 
nauen Ergebnissen kommen, freilich nicht 
immer. Dem wissenschaftlichen Grapho- 
logen darf auch die Psychiatrie nicht 
fremd sein. Manche Geisteskrankheiten, 
Idiotie, Paralyse und andere hinterlassen 
in der Handschrift deutliche Spuren, und 
ihre Erkennung kann namentlich bei ano- 
nymen Anzeigen von großer Bedeutung 
sein. Was schließlich die Schriftverglei- 
chung anbetrifft, so ist heute anerkannt,
	        
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