Handwerkerfrage — Harpprecht.
Ziele vertrat auch der 1882 zu Magde-
burg gegründete „Allgemeine deutsche
Handwerkerbund‘“. Mehrfach wurde
die Gründung einer selbständigen Mit-
telstandspartei zur Bekämpfung von
Kapitalismus und Konkurrenz erwogen.
Zu einer Ausführung des Gedankens
kam es jedoch erst im Mai 1895 zu
Hallee. Als man endlich an die Be-
ratungen über den Berlepsch’schen Ent-
wurf von 1893 ging, zeigte sich,
daß sich die verschiedenen bestehenden
Handwerkerverbände über ihre Wünsche
selbst nicht einig waren. Während der
„Verband deutscher Gewerbevereine‘‘ in
einem Zusammenwirken der gewerblichen
Vereine eine genügende Vertretung der
Interessen des Handwerks zu erblicken
glaubte, forderten der „Zentralausschuß
der vereinigten Innungsverbände‘‘ und
der „Allgemeine deutsche Handwerker-
bund‘‘ Zwangsorganisationen,, letzterer
auch den Befähigungsnachweis. Da sich
bei der Beratung eines zweiten Entwurfs
von 1896 herausstellte, daß auch die
Wünsche der Regierungen nicht densel-
ben Weg gingen, so kam es zu einem
Kompromiß in der Form des Gesetzes
vom 26. Juli 1897.
Das Gesetz brachte nur eine teilweise
Erfüllung der Wünsche des Handwerks
durch Einführung von fakultativen
Zwangsinnungen, Einrichtung von Hand-
werkskammern, Regelung des Lehrlings-
wesens, Vorschriften über die Führung
des Meistertitels usw. Es gibt immer noch
Kreise, die an der Forderung obligatori-
scher Zwangsinnungen und des Befähi-
gungsnachweises festhalten. Vielfach
wird jedoch bereits eingesehen, daß
solche Wünsche in der Gegenwart weder
erreichbar sind, noch daß die von ihnen
erwartete Heilwirkung sich einstellen
würde. Weitere Wünsche zielen auf Be-
seitigung der Militärwerkstätten, Ein-
schränkung der Gefängnisarbeit, des Hau-
sierhandels, Regelung des Submissions-
wesens etc.
Nach den Untersuchungen des Vereins
für Sozialpolitik (1895) gelten als Gründe
für den Niedergang des Handwerks
hauptsächlich die Verdrängung des Hand-
werks durch Fabrikproduktion und durch
Angliederung des Handwerks an große
Unternehmungen, die Verarmung des
Handwerks durch Bedarfsverschiebung,
die Zunahme der Heimarbeit. Dazu
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kommt der Mangel an kaufmännischer
Bildung und an Kapital zu fortschrittlicher
Ausgestaltung des Betriebes. Eine Ände-
rung dieser Zustände würde weder der
Befähigungsnachweis noch die Zwangs-
organisation bringen. Eine Besserung
könnte allein herbeigeführt werden durch
eine berufliche Organisation der Ge-
werbetreibenden in Fachvereinen und ge-
werblichen Genossenschaften sowie durch
eine Förderung der technischen und kauf-
männischen Ausbildung der Handwerker.
P.Voigt Die Hauptergebnisse der neuesten deutschen
Handwerkerstatistik, Jahrb f. Gesu. Verw 21; Grandke
Zusammenfassende Darstellung der vom Verein für Sozial-
politik veranstalteten Untersuchungen, Jahrb f. Ges u.
erw 21; Böttger Geschichte und Kritik des neuen
Handwerkergesetzes, 98. Böhm
Haneberg, Daniel, Bonifacius von, *
17. Juni 1816 zu Tanne, $ als Bischof von
Speier am 31. Mai 1876. Er veröffentlichte
u.a. (in den Abhandlungen der Kgl bay-
erischen Akademie der Wissenschaften):
Das moslemische Kriegsrecht. München
1871. Bogeng.
Hänel, Gustav Friedrich, * 5. Okt 1792
zu Leipzig, wo er 1821 a. o. Professor
wurde, ohne jedoch während einer sieben-
jährigen wissenschaftlichen Reise sein
Lehramt zu verwalten. Seit 1838 o. Pro-
fessor, ter in Leipzig am 18. Okt 1878.
Seine Forschungen verwertete er in einer
Reihe meist textkritischer Arbeiten, unter denen
zu verzeichnen sind: Paulus Sententiae (mit
Arndts), Bonn 33; Dissensiones dominorum sive
controversiae veterum juris Romani interpretum
qui glossatores vocantur, Leipzig 34; Antiqua
summaria codicis Theodosiani, Leipzig 34; Incerti
auctoris ordo Judiciorum, Leipzig 38; Codicis
Gregoriani et codicis Hermogeniani fragmenta
ad XXV lib. Ms... . fidem recognita, Bonn 35,
(ad XXXVI Ms...., Bonn 37); Codex Theodo-
sianus, Bonn 39-42; Novellae constitutiones
imperatorum Theodosii II ...., Bonn 44; Lex
Romana Visigothorum, Leipzig 49; Corpus legum
ab imperatoribus romanis ante Justinianum
latarum, Leipzig 57—60; Juliani epitome latina
novellarum Justiniani, Leipzig 73. Bogeng.
Harpprecht, Stephan Christoph, einer
berühmten deutschen Juristenfamilie ent-
stammend, * zu Lustnau (bei Tübingen)
12. Juni 1676, wurde 1702 Professor in
Tübingen, 1709 Regierungsrat und Kam-
mergerichtsprokurator in Stuttgart, ver-
waltete dann wieder bis 1714 sein Tü-
binger Lehramt, ging dann aus politischen
Gründen als Liechtensteinscher Hofrat und
Kammerdirektor nach Wien, in welcher
Eigenschaft er 11. Jan 1735 in Wien ft,
nachdem er in der Zwischenzeit noch in
verschiedenen anderen wechselnden Stel-
lungen tätig gewesen war.
Hauptwerk: Non usus modernus speculi