Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Höherer im Dienstrange — Holtzendorff. 
Begriff Raum ist, wenn auch zum Teil aus- 
drücklich (wie z. B. hinsichtlich der Mi- 
litärbeamten) besondere Bestimmung ge- 
troffen wurde. Hierfür spricht Garnison- 
dienstvorschrift Ziff 166, wenn daselbst 
vorgeschrieben ist, daß alle im Offiziers- 
range stehenden Militärpersonen in Uni- 
form sich gegenseitig zu grüßen haben, 
wobei der Rangniedere bei Abgabe des 
Grußes das Respektverhältnis nicht unbe- 
achtet lassen darf. Diese Vorschrift grün- 
det sich auf die rein tatsächlichen Rang- 
verhältnisse und ist geeignet, für den 
rechtlichen Begriff des im Dienstrange 
Höheren Anhaltspunkte zu schaffen. 
Durchaus wünschenswert wäre eine 
durchgreifende Klarlegung des Begriffes. 
Strafrechtlichen Schutz genießt der Rang- 
höhere kraft ausdrücklicher Vorschrift in- 
sofern, als Beleidigung, MS 91, und Her- 
ausforderung zum Zweikampfe aus 
dienstlicher Veranlassung, MS 112, gegen- 
über dem im Dienstrange Höheren in glei- 
cher Weise wie gegenüber dem Vorge- 
setzten den Tatbestand besonderer mili- 
tärischer Reate bildet. Achtungsverlet- 
zung, Belügen, Widersetzung, tätlicher 
Angriff, Ungehorsam jedoch werden bei 
Verübung der Tat gegen einen Ranghöhe- 
ren, welcher nicht Vorgesetzter ist, ent- 
weder nur disziplinär oder, wenn dies 
möglich ist, nach den Vorschriften des 
Reichsstrafgesetzbuchs geahndet. Der 
strafrechtliche Schutz des Ranghöheren ist 
also im Vergleich zu demjenigen des Vor- 
gesetzten wesentlich beschränkt. Umge- 
kehrt ist der Ranghöhere, welcher sich 
gegen den Rangniederen verfehlt, als 
solcher nirgends mit besonderer Kriminal- 
strafe bedroht, insbesondere treffen die 
Strafen wegen Mißbrauchs der Dienstge- 
walt nur den Vorgesetzten. Eine analoge 
Ausdehnung der den Vorgesetzten betref- 
fenden Strafvorschriften auf den Rang- 
höheren ist stets unzulässig; so kann der 
Strafmilderungsgrund des MS 98 (wenn 
der Täter durch den Vorgesetzten gereizt 
und auf der Stelle zu der Tat hingerissen 
worden ist) dem wegen Beleidigung 
eines Ranghöheren Angeklagten nicht zu- 
gute kommen; so wird im Falle des $ 112 
(s. 0.) nur der Vorgesetzte, nicht auch der 
Ranghöhere nach Maßgabe dieses Para- 
graphen gestraft, wenn er die Herausfor- 
derung annimmt oder den Zweikampf 
vollzieht. Härten und Ungleichheiten 
sind hieraus offensichtlich und de lege fe- 
  
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renda zu beseitigen. Prozessual bemer- 
kenswert ist, daß nach MC 287 aktive Mi- 
litärpersonen nur insoweit den öffent- 
lichen militärgerichtlichen Hauptverhand- 
lungen als Zuhörer anwohnen dürfen, als 
sie im Range nicht unter dem Angeklag- 
ten bzw dem höchstgestellten Mitange- 
klagten stehen. Jeder Ranghöhere des 
Soldatenstandes kann sich in und außer 
Dienst zu dem Rangniederen, welcher 
den Standespflichten entgegenhandelt, in 
das Verhältnis eines Vorgesetzten setzen. 
Stichworte: Militärbeamter, Vorgesetzter. 
Quellen: MS 91 112; Motive hierzu; Anlage zum MS 
(enthaltend das Verzeichnis der Militärpersonen), MC 287; 
Garnisondienstvorschrift vom 15. März 1902, 166; Kais 
Verordn betr die Klasseneintellung der Milltärbeamten vom 
12. Aug 1801, preuß Verordn betr Stellung der Stabs- 
hoboisten usw vom 10. Dez 1908; RMG 2 34; 8 86, 224 
(aufgehoben durch 9 71), 4 8, 188; 6 89; 9 71,171; 11 128. 
ommentare zum MS von Keller, v. Koppmann 
sıofl, 388, Rotermund 2i4fl, Elsnerv.Gronow 
und Sohl Militärstrafrecht Anm 3 zu MS 91, S 1132; 
Schlayer Militärstrafrecht 173 ff u. die dort erschöpfend 
aufgezählten Quellen; Herz-Ernst MS, Textausgabe 
mit Anm; v. Schwarzkoppen Entscheidungen 142, 
148, 149; M. E. Mayer Militärstrafrecht 2 10f; Ph. O. 
Muy gr Erörterungen 6&4fl; Gerland im Gerichtesaal 
69 816. Autenrieth. 
Hohltaube s. Wildtaube. 
Holschulden s. Ort und Zeit der Lei- 
stung. 
Holtzendorff, Franz von, * 14. Okt 
1829 zu Vietmannsdorf, habilitierte sich 
1857 an der Universität Berlin und wurde 
1861 a. o., 1873 o. Professor, in welcher 
Eigenschaft er im gleichen Jahre nach 
München übersiedelte, wo er 4. Febr 
1889 +}. Seinem Andenken gewidmet ist 
die Holtzendorff-Stiftung (1890) zur För- 
derung strafrechtlicher, gefängniswissen- 
schaftlicher und völkerrechtlicher Stu- 
dien, denen auch die hauptsächliche prak- 
tische und theoretische Lebensarbeit H.s 
gewidmet war. Vielfache wissenschaft- 
liche Reisen, deren Ergebnis er in kürze- 
ren Darstellungen mitteilte, galten der Re- 
form des Strafwesens, insbesondere der 
Gefängnisanstalten sowie der Abschaf- 
fung der Todesstrafe. (Von hierhergehö- 
rigen Schriften sind zu verzeichnen: Die 
Deportationsstrafe und die Verbrecher- 
kolonien der Engländer und Franzosen, 
Leipzig 1858; Französische Rechtszu- 
stände, insbesondere die Resultate der 
Strafgerichtspflege in Frankreich und die 
Zwangskolonisation von Cayenne, Leip- 
zig 1859; Die Deportation als Strafmittel 
in alter und neuer Zeit, Leipzig 1859; Das 
irische Gefängnissystem, insbesondere die 
Zwischenanstalten vor Entlassung der 
Sträflinge, Leipzig 1859; Die Kürzungs- 
fähigkeit der Freiheitsstrafen, Leipzig 
1861; Die Reform der Staatsanwaltschaft
	        
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