Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Idealkonkurrenz — Idiotie. 
strafgesetzlicher Bestimmungen enthält. 
Sie ist gleichartige I(deal-)K(onkurrenz), 
wenn ein und dieselbe Handlung dasselbe 
Strafgesetz gegen mehrere Personen ver- 
letzt (z. B. Beleidigung mehrerer Personen 
durch eine Äußerung), oder ungleichartige 
IK, wenn ein und dieselbe Handlung ver- 
schiedene Strafgesetze verletzt (z. B. Not- 
zucht gegen eine verheiratete Schwester). 
Grundsatz: Wo nur eine Handlung be- 
gangen ist, da kann auch nur ein Straf- 
gesetz und dieses Strafgesetz nur einmal 
angewandt werden. Das S hält diesen 
Grundsatz bei der gleichartigen IK für 
selbstverständlich und trifft daher für 
diese Unterart keine Anordnung. Wohl 
aber bestimmt folgerichtig für die un- 
gleichartige IK S 73: „Wenn ein und die- 
selbe Handlung mehrere Strafgesetze ver- 
letzt, so kommt nur dasjenige Gesetz, wel- 
ches die schwerste Strafe, und bei un- 
gleichen Strafarten dasjenige Gesetz, wel- 
ches die schwerste Strafart androht, zur 
Anwendung.‘ S 73 umfaßt gleichermaßen 
Verbrechen, Vergehen und Übertretungen 
im fachmännischen Sinne, also alle straf- 
baren Handlungen. 
Stichworte: Gesetzeskonkurrenzs, Realkonkurrenz, 
dauerndes Verbrechen, fortgesetztes Verbrechen, gewerbs- 
und „gewohnheitemäßiges Verbrechen, wiederholtes Ver- 
rechen. 
Berner Lehrbuch des deutschen Strafrechts (95) 
145—146; Binding Handbuch des Strafrechts (85) 1 
517—588 (517-518 ausführliche Literaturangabe); Ols- 
hausen Kommentar z. S 73 Anm 15—22. Ratzlatt. 
Idealteilung s. Sache. 
Idiotie oder Idiotismus (angeborener 
Blödsinn) bezeichnet eine angeborene 
bzw in frühester Kindheit erworbene Gei- 
stesstörung, dieden tiefsten Grad psychi- 
schen Defektes darstellt und den völligen 
Mangel der geistigen Persönlichkeit ein- 
schließt. Durch angeborene oder in den 
ersten Lebensjahren erworbene, das Hirn- 
organ treffende Schädlichkeiten, welche 
dessen Entwickelung völlig hemmen oder 
nur einengen, erzeugt sich die Idiotie 
oder der originäre Blödsinn, bei welchem 
das geistige Leben entsprechend der Ent- 
wickelung des Gehirns entweder gar nicht 
oder nur teilweise sich entfaltet. Der Idio- 
tismus ist ein schwererer Zustand als die 
Imbezillität, die, als Unterart ihm zugehö- 
rend, einen angeborenen Schwachsinn und 
mittleren Grad geistigen Defektes ohne 
gröbere Störung der Motilität, Sprache 
und Sensibilität ausmacht. Bei der Im- 
bezillität sind vornehmlich die sittlichen 
Begriffe, d. h. diejenigen Vorstellungen, 
welche ein normales, geistig gesundes In- 
  
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dividuum zum Gegengewicht gegenüber 
impulsiven bzw auf augenblicklichen An- 
reiz erfolgenden, daher ihm fast stets 
schädlich werdenden und auf Grund sei- 
ner besseren Einsicht zu unterlassenden 
und auch unterlassenen Handlungen 
macht, entweder gar nicht erst entwickelt 
oder geschwächt oder auch völlig ver- 
nichtet. Meist ist dies die Folge von 
Krankheit. 
Der Blödsinn im gewöhnlichen Sinne 
bezeichnet wieder mehr die schwereren 
Zustände des sogenannten sekundären 
Schwachsinnes, der aus den allerverschie- 
densten Psychosen her sich entwickelt 
und in seiner Art noch Andeutungen er- 
kennen läßt, aus denen man auf die Ur- 
sache, die primäre Störung, schließen 
kann, die zu ihm führte. Den leichtesten 
Grad von angeborener geistiger Schwäche 
oder Minderwertigkeit bezeichnet man mit 
Debilität; diese hebt sich schon nicht mehr 
scharf von Dummheit oder physiologi- 
scher Beschränktheit ab. Diese Abstufun- 
gen sind jedoch nicht feststehende. Em - 
minghaus z. B. unterscheidet folgende 
drei: Idiotie, Halbidiotie und Imbezilli- 
tät. 
Der Idiot hat entweder keine oder doch 
nur konkrete Begriffe, der Imbezille kann 
wenigstens noch einige abstrakte Begriffe 
sich aneignen; dieser vermag im geringen 
Maße noch zu urteilen und zu vergleichen. 
Er kann sich sogar noch gewisse Schul- 
kenntnisse erwerben, lernt die Umgangs- 
formen, einige technische Fertigkeiten, er- 
scheint auch nach außen hin als ganz ge- 
sund, eignet sich jedoch die sittlichen Be- 
griffe nur mechanisch an und kann sie 
nicht als Notwendiges erkennen, weil sein 
Intellekt die hierfür unerläßliche Höhe 
nicht erreicht. 
Unter den Idioten unterscheidet man 
bildungsunfähige und bildungsfähige. 
Jene sind Wesen von automatischer Art, 
die noch unter dem Tier stehen und bei 
denen man meist schon in den ersten Le- 
bensmonaten die vorliegende Abnormität 
zu erkennen vermag. Kinder dieser Art 
können z. B. die Mutterbrust oder den 
Saugpfropfen schwer oder gar nicht er- 
fassen, oder sie schreien den ganzen Tag 
oder schlafen auch fortwährend und sind 
sehr schwer zu erwecken usw. Bewußte 
Wahrnehmungen werden von solchen In- 
dividuen, sobald sie heranwachsen, nicht 
gemacht. Ein dunkles Triebleben be-
	        
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