Idiotie.
sunden wurden, die sie zu verbrecheri-
schen Taten als Werkzeuge gebrauchten
und anstifteten.
Die Imbezillen nehmen, wie bereits er-
wähnt, eine etwas höhere Stellung ein als
die bildungsfähigen Idioten. Ausschlag-
gebend für die Scheidung von diesen wird
ihre höhere Gedächtnisfähigkeit, die auch
eine etwas weitere Ausbildung gestattet.
Im Durchschnitt steht auch diese noch
weit unter dem, was gleichaltrige nor-
male Individuen leisten. Einseitige Ge-
dächtnisausbildung und Kunstfertigkeit
findet sich gerade bei ihnen; so konnte
ein derartig angeboren schwachsin-
sinniges Individuum sämtliche Geburts-
tage der Kühe im Stall seiner Anstalt
und den Tag ihres Ankaufs angeben;
„beim Nennen eines beliebigen Datums
konnte dieser Imbezille ohne Zögern den
Wochentag angeben, auf den dieses vor
Jahren gefallen war,‘‘ Kompendium der
Psychiatrie von Dr med OÖ. Dornblüth
222. Ich selber kenne ein derartiges Indi-
viduum, das hart an der Grenze eines ere-
thischen Idioten steht und eine fast wun-
derbare Begabung für Musik zeigt. Dieser
Halbidiot spielt, ohne je Schreiben oder
Lesen gelernt zu haben, auf dem Klavier
die schwersten von ihm einmal gehörten
Stücke eines Beethoven, Mozart, Mendels-
sohn, Schumann u. a. ebenso vortrefflich
wie die gerade grassierenden Gassen-
hauer, die er auf dem Hofe von Leier-
kästen oder sonst aufgefangen hat. Be-
sonders auffällig ist noch, daß dieser
Kranke die von ihm zu spielenden Stücke
sich selber richtig im Notenbuch auf-
schlägt und auch nur dann sie vorträgt.
Der jetzt 30jährige Kranke gehört einer
Musikerfamilie an. Sicherlich hat er be-
sondere Merkmale für das richtige Auf-
finden der betreffenden Notenbücher aus
einer Zahl von Hunderten und für das
richtige Aufschlagen der Seiten in diesen
Büchern. Diese Merkmale entgehen einem
Gesunden, vielleicht deswegen nur völlig,
weil er auf sie nicht zu achten braucht!
Geradezu rätselhaft ist es ferner, daß der
Kranke Lieder von Klassikern, aus Opern
und Operetten, selbst wenn er sie jahre-
lang nicht mehr gehört hatte, auf Wunsch
des Sängers, den er auf dem Klavier be-
gleiten soll, im Augenblick von einer Ton-
art in die für den betreffenden Vortragen-
den passende andere richtig zu trans-
ponieren imstande ist! Durch schweren
799
Scharlach im 2. Lebensjahre hat sich bei
dem Kranken die Idiotie entwickelt.
Auch bei der Imbezillität unterscheidet
man eine apathische und eine erethische
Form. Die apathischen Imbezillen sind
ohne Kontrolle träge und ohne Interesse
für ihre Umgebung; sie sind daher un-
brauchbar zu selbständigen Leistungen ;
die erethischen vermögen Brocken von
Kenntnissen zu sammeln, sind zerfahren,
sprechen flott und viel, haben ein untreues
Gedächtnis, statt dessen eine bis zu einem
gewissen Grade entwickelte Phantasie,
die bisweilen zu falschen Darstellungen
und Aussagen führt. Sie dringen nicht
tief, sind stark ablenkbar, suggestiv, haben
ihre Schlagworte, schmücken auf Grund
ihrer Phantasie vielfach aus und wer-
den dadurch zu pathologischen Lüg-
nern. Geckenhaftigkeit, Launenhaftigkeit,
schnelle Gereiztheit, ein unbegründetes
Selbstgefühl zeichnet und leitet sie häufig
zu der Gruppe der Debilen über, die ihren
intellektuellen Defekt, der sich mit einem
völligen ethischen verknüpft, durch eine
gewisse äußere Routine, durch der Um-
gebung abgelauschte und mechanisch er-
lernte Phrasen usw recht gut zu verdecken
vermögen. Diese Gruppe wieder grenzt
bereits hart an die der psychopathisch
Minderwertigen (Koch). Sie bilden die
Klasse derer, die beim Militär z. B. durch
ihre häufigen Insubordinationsvergehen
auffallen. Der Zweifel, der hierdurch an
der geistigen Gesundheit derartiger Indi-
viduen mit Recht entsteht, bestätigt sich,
sobald man nur ihrer Anamnese nach-
forscht und dann erfährt, daß sie bereits
in der Jugend dumme Streiche verübt, in
der Schule nichts Rechtes gelernt hatten,
aus dem Elternhause, aus der Lehre ent-
laufen waren u. dgl m. Schon in früher
Kindheit haben derartige Schwachsinnige
auch durch eine besondere Roheit sich
ausgezeichnet, die sie aı Tieren (Hunden,
Katzen usw) und schwächeren Gefährten
verübten. Ihre geistige Inferiorität be-
wiesen sie in der Schule, daneben aber
zeigten sie vielleicht für einzelne Fächer
eine sogar außerordentliche Begabung.
Die ethischen Gefühle sind bei den Debi-
len häufig mangelhaft; wenigstens beein-
flussen sie ihre Handlungen fast gar nicht,
wenn sie auch oft von ihnen mit Emphase
und Vorliebe hervorgehoben werden;
Ehre, Recht, Vaterlandsliebe, Treue,
Freundschaft u. ä. m. führen sie häu-