Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

824 
prinzips in das Territorialitätsprinzip be- 
dingt: der auf dem Staatsgebiete Befind- 
liche, sei er Geschlechtsgenosse oder 
nicht, ist der rechtlichen Friedensordnung, 
die das Territorium beherrscht, unterwor- 
fen. Und indem man die auf dem Staats- 
gebiete sich aufhaltenden Geschlechts- 
genossen als Inländer von den Nichtge- 
schlechtsgenossen, den Fremden, als Aus- 
ländern unterscheidet, erhält der Begriff 
des Inländers die rechtliche Vertiefung 
dadurch, daß die Inländer als Staatsge- 
nossen erscheinen, weil sie eine Bezie- 
hung zum Staate als solchem, die sog 
Staatsangehörigkeit, haben, eine Bezie- 
hung, die den Ausländern mangelt. 
II. So mußten sich schon im Altertum 
Regeln über den Rechtsverkehr von Aus- 
ländern mit Inländern im Inlande, von In- 
ländern im Inlande mit solchen, die sich 
ins Ausland begeben hatten, entwickeln. 
Aber bestimmte Grundsätze dieser ver- 
schiedenen Systeme des antiken inter- 
nationalen Privatrechtes lassen sich kaum 
auffinden, Rücksichtnahme, Retorsion und 
Repressalien wechseln rasch, die Politik 
ist für die verschiedene Behandlung der 
in einem Staate befindlichen Angehörigen 
verschiedener anderer Staaten entschei- 
dend, der Nationalitätsstolz (Hellenen und 
Barbaren, quiritisches Recht) verhindert 
eine Versöhnung des Territorialitätsprin- 
zips mit dem Personalitätsprinzip. Und als 
aus dem römischen Stadtrecht Weltrecht 
geworden war (jus civile und jus gen- 
tium), richtete sich auch die imperialisti- 
sche Idee, welche die Politik des römi- 
schen Reiches leitete, gegen die Ent- 
stehung eines internationalen Rechtes, 
d. h. gegen die Anerkennung, daß 
dem Nichtrömer grundsätzlich gleiche 
Rechtsfähigkeit wie dem Römer zu- 
komme. Aus der Anerkennung ande- 
rer Staaten als solche durch den römi- 
schen Staat leitete dessen Rechtsord- 
nung nur die Herrschaft des Territoriali- 
tätsprinzipes ab: dem strengen Rechte 
nach war der Inländer nur im Inlande 
Rechtssubjekt (und schon früh suchten 
besondere Staatsverträge eine Milderung 
dieser strengen grundsätzlichen Anschau- 
ung des römischen Rechtes herbeizufüh- 
ren). Auch die Entwickelung des jus gen- 
tium als desjenigen Teiles des römischen 
Privatrechtes, „welcher mit dem Privat- 
rechte anderer Völker in seinen Grund- 
gedanken übereinstimmte‘“, zeigt die 
  
Internalionales Privatrecht. 
Herrschaft dieses Prinzipes; ausgeschlos- 
sen war die Anwendung von dem römi- 
schen Rechte widersprechenden Normen 
ebenso wie die eines allgemeinen jus soli, 
das durch die örtliche Beziehung zum 
Staatsgebiet Beziehung zum Staate als 
solchem gegeben hätte, indem sie jeden 
auf dem Staatsgebiete Befindlichen ohne 
weiteres als Angehörigen des Staatsvol- 
kes behandelte; besondere Privilegien 
(commercium, commercium et connu- 
bium) als teilweise Ausnahme beweisen 
die Regel noch deutlicher. Immerhin fin- 
den sich hie und da in der Geschichte 
des römischen Rechtes Versuche, auch 
Probleme des internationalen Rechtes im 
modernen Sinne desselben klarer als 
solche zu fassen. Als Kaiser Caracalla aber 
die Einbürgerung aller freien Bewohner 
des römischen Reichsgebietes in den rö- 
mischen Staat bewirkte, wurde dann die 
Entstehung solcher Probleme im rechts- 
wirtschaftlichen Verkehre seltener, ihre 
Lösung unwichtiger. 
III. Die Auflösung des römischen Welt- 
reiches durch die Bildung germanischer 
Staaten in seinem Gebiete zeigt wieder 
die oben (I) angedeutete Entwickelung: 
es herrscht zunächst das Personalitäts- 
prinzip, die persönlichen Rechte der ein- 
zelnen Nationen gelten nebeneinander: 
der Römer ist, wo er auch sich aufhält, 
dem römischen Rechte, der Germane 
ebenso seinem Stammesrechte unterwor- 
fen, nachdem erst einmal eine gewisse 
Ruhe in der Bildung der neuen Staaten 
eingetreten war (denn in der Übergangs- 
zeit der wandernden germanischen Ge- 
schlechtereinheiten zum staatlichen Ge- 
meinwesen war auch bei ihnen der Nicht- 
geschlechtsgenosse noch rechtlos). Daß 
bei der Vielfachheit der verschiedenen 
nebeneinander bestehenden Rechtsord- 
nungen bald Unsicherheit über die jewei- 
lige Zugehörigkeit des einzelnen zu einer 
dieser Rechtsordnungen vielfach sich be- 
merkbar machen mußte, ist nicht ver- 
wunderlich: ein primitives Mittel, die Er- 
klärung des einzelnen, welches sein per- 
sönliches Recht sei (sog confessio juris), 
konnte sie nicht beseitigen. Das nur 
kurze Zeit festumgrenzte Frankenreich 
zeigt wegen seiner verschiedenen natio- 
nalen Bestandteile, die in ihm keinen in- 
neren Zusammenschluß finden, die Herr- 
schaft des Personalitätsprinzipes, die mit 
seinem Verfalle in den nun sich bildenden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.