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prinzips in das Territorialitätsprinzip be-
dingt: der auf dem Staatsgebiete Befind-
liche, sei er Geschlechtsgenosse oder
nicht, ist der rechtlichen Friedensordnung,
die das Territorium beherrscht, unterwor-
fen. Und indem man die auf dem Staats-
gebiete sich aufhaltenden Geschlechts-
genossen als Inländer von den Nichtge-
schlechtsgenossen, den Fremden, als Aus-
ländern unterscheidet, erhält der Begriff
des Inländers die rechtliche Vertiefung
dadurch, daß die Inländer als Staatsge-
nossen erscheinen, weil sie eine Bezie-
hung zum Staate als solchem, die sog
Staatsangehörigkeit, haben, eine Bezie-
hung, die den Ausländern mangelt.
II. So mußten sich schon im Altertum
Regeln über den Rechtsverkehr von Aus-
ländern mit Inländern im Inlande, von In-
ländern im Inlande mit solchen, die sich
ins Ausland begeben hatten, entwickeln.
Aber bestimmte Grundsätze dieser ver-
schiedenen Systeme des antiken inter-
nationalen Privatrechtes lassen sich kaum
auffinden, Rücksichtnahme, Retorsion und
Repressalien wechseln rasch, die Politik
ist für die verschiedene Behandlung der
in einem Staate befindlichen Angehörigen
verschiedener anderer Staaten entschei-
dend, der Nationalitätsstolz (Hellenen und
Barbaren, quiritisches Recht) verhindert
eine Versöhnung des Territorialitätsprin-
zips mit dem Personalitätsprinzip. Und als
aus dem römischen Stadtrecht Weltrecht
geworden war (jus civile und jus gen-
tium), richtete sich auch die imperialisti-
sche Idee, welche die Politik des römi-
schen Reiches leitete, gegen die Ent-
stehung eines internationalen Rechtes,
d. h. gegen die Anerkennung, daß
dem Nichtrömer grundsätzlich gleiche
Rechtsfähigkeit wie dem Römer zu-
komme. Aus der Anerkennung ande-
rer Staaten als solche durch den römi-
schen Staat leitete dessen Rechtsord-
nung nur die Herrschaft des Territoriali-
tätsprinzipes ab: dem strengen Rechte
nach war der Inländer nur im Inlande
Rechtssubjekt (und schon früh suchten
besondere Staatsverträge eine Milderung
dieser strengen grundsätzlichen Anschau-
ung des römischen Rechtes herbeizufüh-
ren). Auch die Entwickelung des jus gen-
tium als desjenigen Teiles des römischen
Privatrechtes, „welcher mit dem Privat-
rechte anderer Völker in seinen Grund-
gedanken übereinstimmte‘“, zeigt die
Internalionales Privatrecht.
Herrschaft dieses Prinzipes; ausgeschlos-
sen war die Anwendung von dem römi-
schen Rechte widersprechenden Normen
ebenso wie die eines allgemeinen jus soli,
das durch die örtliche Beziehung zum
Staatsgebiet Beziehung zum Staate als
solchem gegeben hätte, indem sie jeden
auf dem Staatsgebiete Befindlichen ohne
weiteres als Angehörigen des Staatsvol-
kes behandelte; besondere Privilegien
(commercium, commercium et connu-
bium) als teilweise Ausnahme beweisen
die Regel noch deutlicher. Immerhin fin-
den sich hie und da in der Geschichte
des römischen Rechtes Versuche, auch
Probleme des internationalen Rechtes im
modernen Sinne desselben klarer als
solche zu fassen. Als Kaiser Caracalla aber
die Einbürgerung aller freien Bewohner
des römischen Reichsgebietes in den rö-
mischen Staat bewirkte, wurde dann die
Entstehung solcher Probleme im rechts-
wirtschaftlichen Verkehre seltener, ihre
Lösung unwichtiger.
III. Die Auflösung des römischen Welt-
reiches durch die Bildung germanischer
Staaten in seinem Gebiete zeigt wieder
die oben (I) angedeutete Entwickelung:
es herrscht zunächst das Personalitäts-
prinzip, die persönlichen Rechte der ein-
zelnen Nationen gelten nebeneinander:
der Römer ist, wo er auch sich aufhält,
dem römischen Rechte, der Germane
ebenso seinem Stammesrechte unterwor-
fen, nachdem erst einmal eine gewisse
Ruhe in der Bildung der neuen Staaten
eingetreten war (denn in der Übergangs-
zeit der wandernden germanischen Ge-
schlechtereinheiten zum staatlichen Ge-
meinwesen war auch bei ihnen der Nicht-
geschlechtsgenosse noch rechtlos). Daß
bei der Vielfachheit der verschiedenen
nebeneinander bestehenden Rechtsord-
nungen bald Unsicherheit über die jewei-
lige Zugehörigkeit des einzelnen zu einer
dieser Rechtsordnungen vielfach sich be-
merkbar machen mußte, ist nicht ver-
wunderlich: ein primitives Mittel, die Er-
klärung des einzelnen, welches sein per-
sönliches Recht sei (sog confessio juris),
konnte sie nicht beseitigen. Das nur
kurze Zeit festumgrenzte Frankenreich
zeigt wegen seiner verschiedenen natio-
nalen Bestandteile, die in ihm keinen in-
neren Zusammenschluß finden, die Herr-
schaft des Personalitätsprinzipes, die mit
seinem Verfalle in den nun sich bildenden