Internationales Privatrecht.
Staaten zunächst noch kurze Zeit an-
dauert, dann aber rasch erlischt.
IV. In der nationalen Staatenbildung
des Mittelalters wird, getragen von Ge-
danken des germanischen Rechtes, das
jus soli in den Vordergrund gerückt, das
Personalitätsprinzip durch das Territoria-
litätsprinzip verdrängt. Die Herrschaft
des Königs über das Staatsgebiet unter-
wirft ihm die auf diesem Gebiete Befind-
lichen, für die Staatsangehörigkeit ist ent-
scheidend der längere Aufenthalt, der
Wohnsitz, ja sogar die Geburt auf dem
Staatsgebiet, die ohne weiteres die Ein-
bürgerung herbeiführen. Aber der antike
Gedanke der Rechtlosigkeit des Auslän-
ders (Geltung des Satzes: extraneus liber
vivit, servus moritur, dessen Reste sich
noch im lJus Albinagii, später Gabella
hereditaria, finden) widersprach der
christlichen Weltanschauung, und so fin-
det sich in dieser Zeit das Territorialitäts-
prinzip keineswegs erstarrt: wenn auch
einerseits die Ausbreitung des Lehns-
wesens die Anwendung der lex rei sitae
begünstigte, die Autonomie kleinerer Ge-
meinwesen andererseits dem Persona-
litätsprinzip wenig günstig war, so be-
dingte doch auch Wirkung und Gegen-
wirkung unter den verschiedenen staat-
lichen Bildungen einen Ausgleich des
Personalitätsprinzipes mit dem Terri-
torialitätsprinzip, einen Ausgleich, der
seine wissenschaftliche Formulierung in
der (vom ausgehenden Mittelalter bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts herrschenden)
Statutentheorie fand, deren Terminologie
noch heute vielfach in den modernen
Theorien (nicht zu deren Vorteil) bemerk-
bar wird.
V. Diese Theorie, deren wissenschaft-
liche Begründung auf die Postglossatoren,
vor allem Bartolus, zurückgeht, versuchte
derart eine Annäherung des Territoriali-
tätsprinzipes an das Personalitätsprinzip,
daß sie zwar die Souveränität der Terri-
torialität als solche anerkannte, aber doch
auch das persönliche Recht berück-
sichtigte, indem sie eine freiwillige Unter-
werfung des Ausländers unter diese Sou-
veränität annahm. Wer sich einen W:ohn-
sitz wählt, unterwirft sich damit in Rück-
sicht der auf die Person bezüglichen
Rechtssätze dem Rechte dieses Wohn-
sitzes (Statuta personalia), über Hand-
lungen, die an einem bestimmten Orte
vorgenommen werden, entscheidet das
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Recht dieses Ortes (Statuta mixta). Hin-
sichtlich der unbeweglichen Sachen sollte
das an deren Orte geltende Recht be-
stimmen (Statuta realia), bei den beweg-
lichen Sachen suchte man durch die
Regel: mobilia personam sequuntur (mo-
bilia ossibus inhaerent) in der lex domi-
cilii einen Stützpunkt zu finden: der
Wohnsitz des an ihnen Berechtigten be-
stimmte auch über seinen Tod hinaus das
Mobiliarrecht. Diese Statutentheorie (de-
ren Terminologie bald in große Verwir-
rung geriet) führte zu vielem Streit über
ihre Anwendung im einzelnen, ein Streit,
der die Entwickelung der Wissenschaft
des internationalen Rechtes im 16., 17.,
18. Jahrhundert, wie sie allmählich durch
französische, niederländische und auch
deutsche Juristen ausgebildet worden
war, wenig günstig beeinflußte und auch
in der dieser Theorie folgenden Gesetz-
gebung (bis zur Mitte des 19. Jahrhun-
derts) und Rechtsprechung (bis in die
neueste Zeit) bemerkbar wird. —
VI. C.G. v. Wächters (s. diesen) be-
rühmte Kritik der Statutentheorie (1841)
beseitigte die Autorität dieser Theorie für
die Wissenschaft des internationalen
Rechtes, die F. C. v. Savigny auf den
Trümmern der scholastischen Theorie zu
neuem Leben erweckte. In Gegensatz
zur comitas nationum, die bis dahin als
entscheidend für die Anwendung auslän-
dischen Rechtes im Inlande galt und da-
mit das internationale Recht von dem
mehr oder minder guten Willen der ein-
zelnen Staaten abhängig zeigte, seine
Normen als Regeln der Förderlichkeit,
nicht aber der Gesetzlichkeit erscheinen
ließ, stellte v. Savigny die völkerrecht-
liche Gemeinschaft, die eine Pflicht be-
gründe, für jedes Rechtsverhältnis das-
jenige Rechtsgebiet aufzusuchen, in wel-
chem es seinen Sitz hat. Diesen für die
moderne deutsche (und vielfach auch die
ausländische) Theorie des internationalen
Privatrechtes maßgebend gewordenen
Grundsatz hat dann Savigny dahin be-
schränkt, daß er ihn für unanwendbar auf
manche Arten von Gesetzen erklärte, de-
ren besondere Natur einer so freien Be-
handlung der Rechtsgemeinschaft wider-
strebe. Bei solchen Gesetzen müsse der
Richter das heimische Recht ausschlie-
Bender anwenden, als es jener allge-
meine Grundsatz gestatte, und das fremde
Recht unangewendet lassen, auch wo