Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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denen in einem Staate verschiedenartige 
Privatrechtsnormen gelten, wodurch aller- 
dings das Domizilprinzip als das vorteil- 
hafte erscheint.] Grundsätzlich wird das 
für die Bestimmung der Staatsangehörig- 
keit einer Person maßgebende Recht eben 
dasjenige dieses Staates sein (Reichs- 
gesetz vom 1. Juni 1870 über den Erwerb 
und Verlust der Staatsangehörigkeit) ; 
bei mehrfacher Staatsangehörigkeit einer 
Person wird diese, wofern sie auch 
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, 
vom Standpunkte des deutschen Richters 
als Reichsangehöriger zu betrachten sein; 
fehlt aber diese Voraussetzung und kom- 
men mehrere fremde Gesetzgebungen in 
Konflikt, so wird (was nicht unbestritten 
ist) die Person als Angehöriger desjeni- 
gen Staates anzusehen sein, in dem sie 
zuletzt ihren Wohnsitz hatte (ein auch in 
den sog Bancroftverträgen durchgeführ- 
tes Prinzip). Lassen sich Zweifel über die 
Tatsache, welchem Staate eine Person an- 
gehöre, nicht beseitigen, so ist sie, aber 
mit Rücksicht darauf, ob eine frühere 
Staatsangehörigkeit für die Bestimmung 
des anzuwendenden Rechtes festgestellt 
werden kann oder nicht, als heimatlos zu 
behandeln: es entscheidet die lex domi- 
cilii oder, wofern sich auch ein gegen- 
wärtiger Wohnsitz nicht feststellen läßt, 
der Ort des Aufenthalts zur Zeit des von 
der Person vorgenommenen Rechtsaktes, 
Einf-B 29. (Besondere Zweifel, die dann 
entstehen, wenn man die rechtliche Mög- 
lichkeit einer mehrfachen, gleichzeitigen 
Staatsangehörigkeit derselben Person an- 
nimmt, die sich ferner aus einem Schwebe- 
zustande der Staatsangehörigkeit ergeben 
sowie daraus, daß im Heimatsstaate meh- 
rere Rechte nebeneinander bestehen, ohne 
daß der Heimatstaat über ihre Anwen- 
dung bestimmt, können hier nur angedeu- 
tet werden.) Daß die lex patriae darüber 
entscheidet, ob jemand die rechtlichen 
Fähigkeiten zur Begründung eines Wohn- 
sitzes hat oder nicht hat, ist allgemein an- 
erkannt, vielfach streitig aber ist noch die 
Frage, welches Recht den Begriff des 
Wohnsitzes (z. B. im Falle eines mehr- 
fachen Wohnsitzes) beherrscht, ebenso 
wie, oft auch für Anwendung der lex do- 
micilii, die, was entscheidend ist für die 
Bestimmung des Zeitpunktes, in welchem 
jemand einen Wohnsitz haben muß (zu 
vgl: Sieber Staatsbürgerrecht im inter- 
nationalen Verkehr, 07). — Eine beson- 
  
Internationales Privatrecht. 
dere, vielumstrittene Frage des internatio- 
nalen Privatrechtes ist die der sog Rück- 
(bzw Weiter-)Verweisung, d. h. die Be- 
stimmung des Gesetzes, das anzuwenden 
ist, wenn einerseits das für das Gericht 
maßgebende Gesetz (lex fori) die Ent- 
scheidung einer bestimmten Frage einem 
bestimmten auswärtigen Rechte zuweist, 
dieses aber andererseits bestimmt, daß 
das am Orte des Gerichtes geltende Ge- 
setz (bzw das Gesetz eines dritten Staa- 
tes) entscheidend sei. (lm internen deut- 
schen internationalen Privatrecht, Einf-B 
27, ist diese Frage für die in ihm bezeich- 
neten Fälle durch Annahme der Rück- 
verweisung beantwortet; eine teilweise 
Modifikation erfährt dieser Artikel durch 
die Haager Abkommen.) Bestimmend für 
die Form des Rechtsgeschäftes müßte 
auch in internationaler Beziehung konse- 
quenterweise dasselbe Recht sein, nach 
dem das fragliche Rechtsverhältnis auch 
materiell zu beurteilen ist, und so begann 
auch die geschichtliche Entwickelung des 
internationalen Rechtes. Mit dem aus- 
gehenden Mittelalter entstand dann aber 
aus dem Bestreben einer Erleichterung 
des Rechtsverkehres, wie es sich zunächst 
gewohnheitsrechtlich bemerkbar machte, 
die Regel: locus regit actum, d. h. für die 
Form eines Rechtsaktes sollte die Be- 
obachtung des am Orte der Vornahme 
dieses Rechtsaktes geltenden Gesetzes 
genügen. Daß dieser Regel nur ein fakul- 
tativer, kein imperativer Charakter zu- 
kommt, wird heute fast allgemein an- 
genommen (so auch Einf-B 11 Abs I), 
sie wird aber schon mit Rücksicht darauf, 
daß eine Nichtbeachtung der lex loci ac- 
tus in einer Reihe von Fällen das frag- 
liche Rechtsgeschäft ungültig machen 
würde oder seine Gültigkeit zweifelhaft 
erscheinen ließe, Beachtung finden müs- 
sen. Daß Ausnahmen von dieser Regel 
gegeben sein müssen (so für die Formen 
des Erwerbes [bzw Verlustes] dinglicher 
Rechte an Immobilien und [bestritten, 
aber richtig auch Einf-B 11 Abs 2] Mo- 
bilien), wird allgemein zugegeben, nur 
über die Abgrenzung dieser Ausnahmen, 
insbesondere bei der mitunter schwierigen 
Grenzbestimmung zwischem materiellem 
und formellem Recht, bestehen Zweifel. 
Jedenfalls ist die Regel stets dann gültig, 
wenn es sich um die nach der lex loci 
actus notwendige Erfüllung der für einen 
Rechtsakt mit publica fides von dem au-
	        
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