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kursrecht ist enthalten in vereinzelten Nor-
men von Konkursordnungen und Han-
delsgesetzbüchern einiger Staaten, die
entweder Kollissionsnormen sind oder
doch wenigstens als solche verwert-
bar erscheinen. Und selbst eine solche
lückenhafte Regelung des internationalen
Konkursrechtes entbehren große Rechts-
gebiete, wie der englisch-nordamerikani-
sche Rechtskreis und diejenigen Staaten,
die die Ordnung des Konkursrechtes nach
dem Vorbilde des französischen Handels-
gesetzbuches bewirkt haben. Damit ist
ein Rechtszustand charakterisiert, den ein
niederländischer Delegierter zur Haager
Staatenkonferenz von 1900 kurz und tref-
fend so beurteilt hat: L’etat actuel du
droit international de la faillite est un ve£ri-
table scandale; on peut s’en convaincre
tous les jours (Actes 1900, 138). [Im ein-
zelnen nach F. Meili: Deutsches Reich,
K 1, 5, 50, 51, 56, 237, 238, Z 791; Frank-
reich (C. c. Art 3, Art 14 in der Judikatur
verwertet); Großbritannien und Irland
(Bankruptcy Act von 1883 Art 168); Ita-
lien (Disposizione sulla pubblicazione, in-
terpretazione ed applicazione delle leggi
in generale Art 10, 11); Niederlande: Wet
of het fallissement en de surseance varı
betaling Art 203—205; Österreich und
Ungarn; Österreichische Konkursordnung
von 1868 88 58-61; Ungarisches Kon-
kursgesetz von 1881 88 71, 75 (73, 74);
Portugal Art 694, 745; Schweiz: Bundes-
gesetz über Schuldbeitreibung und Kon-
kurs Art 197, 271 Nr 4, Bundesgesetz über
die zivilrechtlichen Verhältnisse der Nie-
dergelassenen und Aufenthalter Art 19,
mit Art 32; Argentinische Republik:
Handelsgesetzbuch von 1889 (Fassung
von 1902) Art 1385; Brasilien: Konkurs-
ordnung vom 24. Okt 1890 Art 91
bis 106; Vereinigte Staaten von Amerika
(Bankruptcy law of 1898, amended 1903,
sectio 65 litt. d.)] In letzter Zeit haben
auch Staatenkonferenzen dem Gegen-
stande erhöhte Beachtung gewidmet, wie
die Haager Konferenz von 1904, die einen
Vertragsentwurf aufstellte (Projet relatif
a la faillite, Actes 1904, 222—23, s. ferner
Actes 1894, 59—62; Actes 1900, 147), aber
nur, um damit die Grundlage für einen
zwischen einzelnen Staaten abzuschließen-
den Vertrag zu schaffen, und, wie vielfach
die Theorie, beherrscht von der Idee der
Universalitätdes Konkurses, die allerdings
in einigen Staatsverträgen (so in dem
Internationales Konkursrecht.
zwischen Frankreich und der Schweiz von
1869, zwischen Frankreich und Belgien
von 1899) durchgeführt worden ist. [Zu
vergleichen: F. Meili Moderne Staats-
verträge über das internationale Konkurs-
recht. (SA aus der Festschrift für Re-
gelsberger), 1907. Contuzzi Commen-
taire theorique et pratique de conventions
de la Haye concernant la codification du
droit international prive I 362—65.]
2. Die Idee von der Universalität des
Konkurses, die des Zusammenhanges
mit der geschichtlichen Entwickelung ent-
behrt und für ihre Verwirklichung eine
ungemeine Beschleunigung dieser Ent-
wickelung zur Voraussetzung hätte, hat
lange Zeit die Beratung internationaler
Gesellschaften und Vereine beherrscht,
so des II. Congresso giuridicd italiano
internazionale, Turin 1880, der aussprach,
daß das Konkurserkenntnis alle Aktiven
ohne Rücksicht auf ihre Lage erfassen
müsse. Atti..., Turin 1881, 3—28 (15,
16), XVIIl, XXIV, des Institut de droit
international, Annuaire XX (1904) 84,
der International Law Association, Re-
port of the 5t annual Conference
43 — 44, Bulletin VII 373, wie die
italienische (Fiore, Carle, de Rossi, Gem-
ma), die französische (Pradier - Fodere,
Wein) und die niederländische (Asser)
Theorie. Allerdings haben eine Anzahl
gewichtiger Stimmen (v. Bar, Kohler,
Lyon-Caen, Renault, Meili, Thaller, Whar-
ton) sich dagegen ausgesprochen. Denn
mag man auch die Ubiquität des Kon-
kurses für „ein Ziel aufs innigste zu wün-
schen‘ halten, nüchterne rechtspolitische
Erwägungen dürfen nicht über dem En-
thusiasmus für eine schöne Idee auf die
Verwirklichung des zurzeit Erreichbaren
verzichten, zunächst einzelne Kollisions-
normen des internationalen Konkursrech-
tes durch Staatsverträge zu regeln, da der
Gegensatz nationaler Rechtsordnungen
die Regelung der gesamten Materie ver-
hindett. Wo ein Einklang nationaler
Rechte besteht, wird die Durchführung
des Universalitätsprinzipes in Verträgen
zwischen einzelnen Staaten (wie z. B. in
dem zwischen Frankreich und Belgien
1899) nützlich sein, für ein großes Rechts-
gebiet, das mehrere Staaten umfaßt, wer-
den zunächst zahlreiche besondere Fra-
gen ihre praktische Lösung finden müs-
sen.
Aus der Natur des Konkurses als eines