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folge (bonorum possessio); die Zwölf-
tafelerbfolge ist durch Reformgesetze ab-
geändert worden. Beide Formen sind
dann durch Justinian ersetzt worden.
I. Intestaterbrecht nach Zwölftafelrecht
in drei Klassen: 1. sui, Hauskinder des
Erblassers unter dessen potestas, auch die
künstlichen sui, ferner die Ehefrau in der
manus; — 2. agnatus proximus, wenn
keine sui da waren; — 3. gentiles. —
In legitimis hereditatibus successio non
est: ist die Berufung an einen suus ge-
gangen, ohne daß dieser erwirbt, dann
geht sie nicht etwa an den agnatus proxi-
mus, sondern die Erbschaft wird vakant
und kann mit der usucapio pro herede er-
sessen werden. — Die Ehefrau erbt nur,
wenn sie in einer Manusehe lebt.
II. Bonorum possessio ist die vom Prä-
tor adiuvandi, corrigendi, supplendi iuris
civilis gratia eingeführte Erbfolge in vier
Klassen: 1. unde liberi, d. h. die sui und
diejenigen Deszendenten, welche wegen
capitis deminutio minima nicht mehr sui
sind, z. B. emanzipierte Kinder des Erb-
lassers; — durch die nova clausula Juliani
de oonjungendis cum emancipato liberis
ejus wird, wenn neben dem emancipatus
seine Kinder (als in der Gewalt des pater
familias, ihres Großvaters, verbliebene
sui) berufen sind, bestimmt, daß der
emancipatus 1/,, seine als sui erbenden
Kinder 1/, des Kopfteiles des emancipatus
erhalten ; — 2. unde legitimi, d. h. die ge-
setzlichen Erben des Zwölftafelrechtes ;
daher können die sui nochmals die bono-
rum possessio agnoszieren, wenn sie in
der ersten Klasse die Frist für die agnitio
verabsäumt haben; bestritten wird, daß
hier die gentiles miterben; — 3. unde
cognati, d. h. die Blutsverwandten des
Erblassers bis zum 6. Grade, ferner aus
dem 7. Grade: sobrino et sobrina natus
et nata (Kinder von Nachgeschwister-
kindern) ; — 4. unde vir et uxor, der über-
lebende Ehegatte. — Der Prätor gestattet
sukzessive Berufung.
Außerordentliches Erbrecht (bonorum
possessio quibus ex legibus) ist das durch
Kaisergesetze gewährte, vom Prätor ge-
schützte Erbrecht folgender Personen:
a. die mulier inops et indotata (arme
Witwe) erhält eine quarta aus dem Nach-
lasse ihres Mannes; bei mehr als drei
Kindern bekommt sie einen Kopfteil; sie
erhält nie mehr als 100 Pfund Gold. —
b. Die quarta divi Pii: der unmündige
Intestaterbfolge.
Arrogierte erhält, wenn er grundlos eman-
zipiert wird, 1/, des Vermögens des Wahl-
vaters. — c. Mangels ehelicher Erben be-
erben Konkubinenkinder ihren Erzeuger;
sie erhalten zusammen mit der Mutter 1/,
des Vermögens. — Dies gilt nicht für die
incestuosi.
III. Kaiserliche Reformgesetze zur Ab-
änderung der legitima hereditas im Sinne
des Kognationsprinzipes: 1. SC Tertullia-
num (Hadrian) gibt der Mutter mit ius
liberorum ein Erbrecht gegen ihr Kind,
wenn dieses keinen Agnaten (außer einer
consanguinea, der agnatischen Schwester)
hinterläßt; — 2. SC Orfitianum (Mark
Aurel): die Kinder beerben ihre Mutter
in erster Reihe; — 3. Valentinian, Theo-
dosius und Arkadius: die Enkel beerben
alle Großeltern (nicht nur den väterlichen
Großvater), aber für die Agnaten werden
Abzüge gemacht; — 4. Konstantin: wie
zu 1, auch wenn kein ius liberorum ; —
5. Anastasius: emanzipierte Geschwister
des Erblassers erben neben agnatischen,
letztere erhalten aber ein praecipuum (be-
seitigt von Justinian).
IV. Justinian führt in den Novellen 118
und 127 eine successio ordinum et gra-
duum in vier Klassen ein, auf dem Kogna-
tionsprinzipe beruhend und sukzessive
Berufung zulassend. 1. Deszendenten,
d. h. Söhne, Töchter, Enkel, Urenkel ohne
Unterschied von Kognation und Agna-
tion. Entferntere Deszendenten, deren
parens fortgefallen ist, erben neben nähe-
ren aus Repräsentationsrecht, das durch
den Freiburger Reichsabschied von 1498
für Tochterkinder eingeführt worden
ist. — 2. Der nächste Aszendent und da-
neben vollbürtige Geschwister (falls diese
fortfallen: deren Kinder ersten Grades).
Sind nur Neffen und Nichten, die von ver-
schienenen Geschwistern abstammen,
vorhanden, dann erfolgt Teilung nach
Köpfen (Reichsabschied von Speier 1529
auf Grund der Ansicht des Azo). Da-
gegen vertrat der Glossator Accursius die
Ansicht, daß nach Stämmen zu teilen
wäre; dies gilt nach ALR und nach B. —
3. Halbbürtige Geschwister und deren
Kinder. — 4. Alle übrigen Seitenver-
wandten; der entfernteste Kognat schließt
den Ehegatten aus. — Nach diesen vier
Klassen erben noch diejenigen Personen,
die auf Grund der bonorum possessio
unde vir et uxor und quibus ex legibus
berufen sind.