Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Annahme an Kindesstatt (Adoption). 63 
das Fehlen der Einwilligung des Gatten, 
wenn nicht der Gatte zur Erklärung der 
Einwilligung dauernd außerstande oder 
dauernd unbekannten Aufenthaltes ist. 
Absolutes Hindernis ist für den Anzuneh- 
menden ebenso dies Fehlen der Einwilli- 
gung des Ehegatten, ferner für eheliche 
Minderjährige die Einwilligung der EI- 
tern, für uneheliche der Mutter. 
Kontrovers ist, ob das Vorhandensein 
einer ungeborenen Leibesfrucht die An- 
nahme ausschließt. Dernburg bejaht es 
gegen Planck und Opet. Die verneinende 
Ansicht verdient den Vorzug, da der Satz 
„nasciturus pro jam nato habetur‘‘ im B 
nicht allgemein ausgesprochen ist. Zwi- 
schen denselben ist streitig, ob bei Todes- 
erklärung eines ehelichen Kindes die 
Adoption in Kraft bleibt, wenn sich später 
herausstellt, daß das Kind gleichwohl 
noch lebte. Dernburg bejaht dies. Die ver- 
neinende Ansicht verdient den Vorzug, 
denn die Todeserklärung begründet nur 
eine Vermutung, B 18, und wirkt nur da 
rechtbegründend, wo dies ausdrücklich 
bestimmt ist, z. B. B 1348; vgl auch B 
2370 Abs 2. 
Hindernisse, von denen die Staats- 
gewalt befreien kann, sind die Altersvor- 
schriften. Der Annehmende muß das 
50. Jahr vollendet haben und 18 Jahre 
älter sein als das Adoptivkind. Die Be- 
freiung soll nur dann erfolgen, wenn die 
Erzeugung ehelicher, leiblicher Kinder 
aller Voraussicht nach nicht zu erwarten 
ist. Erteiler der Befreiung ist der Einzel- 
staat, dem der Annehmende angehört, für 
Deutsche ohne Einzelstaatsangehörigkeit 
der Reichskanzler. Die Befreiung zu er- 
teilen oder zu versagen steht im freien 
Gutdünken der Staatsgewalt; ein Recht 
liegt nicht vor; also gibt es auch kein 
Rechtsmittel gegen die Entscheidung. In 
Preußen trifft der Justizminister diese Ent- 
scheidung. Die Vorbereitung, d. i. Ver- 
mittelung der Bewilligung liegt in Preu- 
Ben demjenigen Amtsgerichte ob, welches 
für die Bestätigung des Annahmevertrages 
zuständig ist. Die Regeln für die Vorbe- 
reitung enthält die AllgVerf v. 14. De- 
zember 1899, JMBi 1899, 784, Die Staats- 
gewalt kann Bedingungen stellen. Diese 
müssen vor der Bestätigung erfüllt sein. 
Das Adoptionsverhältnis selbst kann nicht 
bedingt oder befristet sein. 
Weitere Hindernisse und Ausnahmen 
gibt es nicht. Uneheliche Kinder können 
  
daher auch von ihrem Vater oder ihrer 
Mutter adoptiert werden. Hierüber be- 
steht jedoch eine lebhafte Kontroverse, da 
ein Teil der Literatur aus anderen Ge- 
setzesstellen eine Schwierigkeit in die 
Frage hineininterpretiert hat. Allerdings 
ist die Kontroverse uralt. Sie bestand 
schon im römischen Recht. Justinian zer- 
hieb sie mit dem Schwert, indem er die 
Adoption unehelicher Kinder durch ihren 
Vater in Novelle 74 cap 3 und 7 einfach 
untersagte. Für das gegenwärtige Recht 
läßt sich aus den früheren Normen jedoch 
hier nichts herleiten, da nicht nur der 
Wortlaut des Gesetzes ein neuer, sondern 
auch die geistige Grundlage des Wortlau- 
tes eine veränderte ist. Das neue Recht 
sinnt auf Mittel, von möglichst vielen un- 
ehelichen Kindern Makel und Nachteil der 
illegitimen Geburt zu beheben, während 
das alte Recht die unehelichen Kinder dem 
Phantom der „castitas‘‘ opfert, welche 
durch ihr Erscheinen ohne ihre Schuld 
verletzt worden ist („quoniam castitatem 
non perfecte consideravit‘). Auch die 
historische Interpretation bestätigt die be- 
jahende Aussicht. Denn nach Staudinger 
war in der Kommissionsberatung zum 
B die Bestimmung beantragt worden: 
„Eine Frau kann ihr uneheliches Kind 
nicht an Kindesstatt annehmen,‘ und die- 
ser Antrag wurde ausdrücklich deshalb 
abgelehnt, „weil die Kindesannahme ein 
angemessener Ersatz für die Legitimation 
sei und der Mutter die elterliche Gewalt 
verleihe“. Die bejahende Ansicht ver- 
treten in der unten angegebenen Literatur: 
Achilles, Blume, Cosack, Dittenberger, 
Eck-Leonhard, Endemann, Fischer-Henle, 
Hecker, Kockerols, Kuhlenbeck, Kutt- 
ner, Mantiy, Neidmann, Planck, Spahn, 
Staudinger, Thiesing, sowie die bis- 
her ergangenen Gerichtsentscheidungen 
„Recht“ 1900, 373. A. M. Conrades, 
Francke, Lehmann, Müller, Sartorius. 
Eine Annahme eines Kindes durch meh- 
rere Personen zugleich ist ausgeschlossen, 
solange das durch die Annahme begrün- 
dete Rechtsverhältnis besteht. Nur ein 
Ehepaar kann ein Kind als gemeinschaft- 
liches annehmen. Hat ein Ehegatte ein 
Kind aus einer früheren Ehe, so kann nur 
der eine Ehegatte annehmen. Der ur- 
sprünglich verhinderte Ehegatte kann je- 
doch nach Fortfall des Hindernisses sei- 
nerseits die Adoption noch nachholen. 
Das Kind erlangt dann die rechtliche Stel- 
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