874
wird nur als Symptom des Gesamtcha-
rakters bewertet.
11. Der Richter bleibt für längere Zeit
der gleiche. Der regelmäßige Wechsel der
Dezernate erstreckt sich nicht auf den Ju-
gendrichter.
12. Nach der Verhandlung nehmen frei-
willige Helfer, Berufsvormund, gerichtlich
bestellte Pfleger oder die Fürsorgeer-
ziehung sich des Jugendlichen an.
Bei den J, welche sich der Hilfe der FA
bedienen, kommt noch folgendes hinzu.
Zu den Sitzungen des FA wird der Ju-
gendrichter eingeladen. Er lernt dabei die
Jugendlichen schon kennen und erhält für
Strafakten und FE-Akten einen Auszug
aus dem Protokoll des Ausschusses. Für
die FE-Sache hat dies die Wirkung, daß
damit die nach FEGes 3 anzuhörenden
Personen bereits vom Richter gehört
sind; infolgedessen kann der Jugendrich-
ter, der zugleich die Behandlung der FE-
Sachen hat, unmittelbar nach der Bera-
tung und Entscheidung der Strafsache
auch die FE-Frage entscheiden. Der FA
präsentiert für die Hauptverhandlung pä-
dagogische Sachverständige. Diese wer-
den dann als Sachverständige oder als
Zeugen vernommen. Über die Jugend-
lichen, welche wegen fehlender Einsicht
freigesprochen werden, sowie über dieje-
nigen, welche verurteilt, aber auf die Auf-
schubliste gesetzt werden, übernimmt der
FA die freiwillige Erziehungsaufsicht.
Die größte Schwierigkeit für alle diese
Arten von J besteht in Deutschland darin,
daß das materielle Strafrecht und auch
manches im Strafprozeß eine völlig erzieh-
liche Behandlung kaum zuläßt. Ein fort-
gesetzter Kampf mit dem Formalismus
und der alten Routine aller anderen Be-
hörden nimmt dem Jugendrichter einen
Teil der Zeit und der Kraft, die er seiner
Aufgabe schuldet. Namentlich ist die Ein-
seitigkeit des S 56, die auf die intellek-
tuelle Entwickelung des Jugendlichen ein
viel zu schematisch entscheidendes Ge-
wicht legt, ein Stein im Wege.
Deshalb fordern alle Kenner der Ma-
terie ein einheitliches Reichsgesetz für
Jugendschutz und jugendliche Gesetzes-
verletzer. Ein solches Gesetz müßte ent-
halten:
1. Bestimmungen über die Behandlung
von jugendlichen Personen, welche Straf-
taten begangen haben oder verwahrlost
oder gefährdet sind. Also Strafrecht,
Jugendgerichte.
Strafprozeß, FE, Jugendgerichtsverfas-
sung.
2. Schutz der Minderjährigen gegen
Mißbrauch der elterlichen Gewalt oder
sonstige Gefährdungen, besonders gegen
Verletzung oder Bedrohung der ge-
schlechtlichen Reinheit.
Diese sämtlichen Materien sollen im ]J
ihre Zentralstelle finden. Das J soll die
Wahl zwischen möglichst reichlichen Mit-
teln der Behandlung der Jugendlichen ha-
ben: Wahl zwischen Erziehungsstrafe und
krimineller Strafe, zwischen Strafe und Er-
ziehung überhaupt. Der Strafaufschub
soll in der Form der bedingten Verurtei-
lung aus der Hand der Justizverwaltung
an das J übergehen. Die Schöffen sollen
aus den Ständen der Geistlichen, Lehrer,
Ärzte und den Reihen der mit Fürsorge
befaßten Personen genommen werden.
Andere empfehlen es, die Mitwirkung der
FA zu legalisieren.
Die Entwürfe zu den Reichsjustizge-
setzen tragen diesen Wünschen nur zum
geringsten Teile Rechnung. Sie enthalten
einige Bestimmungen über die prozessuale
Behandlung Jugendlicher, aber gar nichts
von materiellem Strafrecht. Das J über-
lassen sie dem Landesrechte. Vor allem
aber fehlt die organische Zusammenfas-
sung des gesamten Jugendrechtes.
Die Ziele insbesondere des Entwurfes
zur C kennzeichnet Aschrott dahin:
„ı. Ein Strafverfahren gegen einen Ju-
gendlichen soll, soweit möglich, vermie-
den werden, damit er vor dem Schaden
bewahrt bleibe, den jede Berührung mit
der Strafjustiz für ihn haben kann.
2. Soweit ein Strafverfahren unvermeid-
lich ist, soll es so ausgestattet werden, wie
es die besondere Schutzbedürftigkeit von
Jugendlichen erheischt.
3. Eine eigentliche Bestrafung Jugend-
licher soll möglichst auf solche Fälle be-
schränkt bleiben, in denen erzieherische
Maßregeln keinen Erfolg versprechen.“
Diese Ziele hat auch das auf dem Ver-
ordnungswege bereits eingeführte ]J.
Sie sind aber nicht ohne Gegner. Zwar
betonen Köhne und Aschrott (s.u.)
ihre Zustimmung. Doch erhebt Oetker
Gerichtssaal 73 442 energisch Einw endun-
gen, die sich besonders gegen das Ziel 3
und die geplante Schaffung eines Sonder-
gerichts für Jugendliche überhaupt wen-
den. Er befürchtet, daß eine solche Ein-
richtung „die Verwirrung von Strafe und