Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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wird nur als Symptom des Gesamtcha- 
rakters bewertet. 
11. Der Richter bleibt für längere Zeit 
der gleiche. Der regelmäßige Wechsel der 
Dezernate erstreckt sich nicht auf den Ju- 
gendrichter. 
12. Nach der Verhandlung nehmen frei- 
willige Helfer, Berufsvormund, gerichtlich 
bestellte Pfleger oder die Fürsorgeer- 
ziehung sich des Jugendlichen an. 
Bei den J, welche sich der Hilfe der FA 
bedienen, kommt noch folgendes hinzu. 
Zu den Sitzungen des FA wird der Ju- 
gendrichter eingeladen. Er lernt dabei die 
Jugendlichen schon kennen und erhält für 
Strafakten und FE-Akten einen Auszug 
aus dem Protokoll des Ausschusses. Für 
die FE-Sache hat dies die Wirkung, daß 
damit die nach FEGes 3 anzuhörenden 
Personen bereits vom Richter gehört 
sind; infolgedessen kann der Jugendrich- 
ter, der zugleich die Behandlung der FE- 
Sachen hat, unmittelbar nach der Bera- 
tung und Entscheidung der Strafsache 
auch die FE-Frage entscheiden. Der FA 
präsentiert für die Hauptverhandlung pä- 
dagogische Sachverständige. Diese wer- 
den dann als Sachverständige oder als 
Zeugen vernommen. Über die Jugend- 
lichen, welche wegen fehlender Einsicht 
freigesprochen werden, sowie über dieje- 
nigen, welche verurteilt, aber auf die Auf- 
schubliste gesetzt werden, übernimmt der 
FA die freiwillige Erziehungsaufsicht. 
Die größte Schwierigkeit für alle diese 
Arten von J besteht in Deutschland darin, 
daß das materielle Strafrecht und auch 
manches im Strafprozeß eine völlig erzieh- 
liche Behandlung kaum zuläßt. Ein fort- 
gesetzter Kampf mit dem Formalismus 
und der alten Routine aller anderen Be- 
hörden nimmt dem Jugendrichter einen 
Teil der Zeit und der Kraft, die er seiner 
Aufgabe schuldet. Namentlich ist die Ein- 
seitigkeit des S 56, die auf die intellek- 
tuelle Entwickelung des Jugendlichen ein 
viel zu schematisch entscheidendes Ge- 
wicht legt, ein Stein im Wege. 
Deshalb fordern alle Kenner der Ma- 
terie ein einheitliches Reichsgesetz für 
Jugendschutz und jugendliche Gesetzes- 
verletzer. Ein solches Gesetz müßte ent- 
halten: 
1. Bestimmungen über die Behandlung 
von jugendlichen Personen, welche Straf- 
taten begangen haben oder verwahrlost 
oder gefährdet sind. Also Strafrecht, 
  
Jugendgerichte. 
Strafprozeß, FE, Jugendgerichtsverfas- 
sung. 
2. Schutz der Minderjährigen gegen 
Mißbrauch der elterlichen Gewalt oder 
sonstige Gefährdungen, besonders gegen 
Verletzung oder Bedrohung der ge- 
schlechtlichen Reinheit. 
Diese sämtlichen Materien sollen im ]J 
ihre Zentralstelle finden. Das J soll die 
Wahl zwischen möglichst reichlichen Mit- 
teln der Behandlung der Jugendlichen ha- 
ben: Wahl zwischen Erziehungsstrafe und 
krimineller Strafe, zwischen Strafe und Er- 
ziehung überhaupt. Der Strafaufschub 
soll in der Form der bedingten Verurtei- 
lung aus der Hand der Justizverwaltung 
an das J übergehen. Die Schöffen sollen 
aus den Ständen der Geistlichen, Lehrer, 
Ärzte und den Reihen der mit Fürsorge 
befaßten Personen genommen werden. 
Andere empfehlen es, die Mitwirkung der 
FA zu legalisieren. 
Die Entwürfe zu den Reichsjustizge- 
setzen tragen diesen Wünschen nur zum 
geringsten Teile Rechnung. Sie enthalten 
einige Bestimmungen über die prozessuale 
Behandlung Jugendlicher, aber gar nichts 
von materiellem Strafrecht. Das J über- 
lassen sie dem Landesrechte. Vor allem 
aber fehlt die organische Zusammenfas- 
sung des gesamten Jugendrechtes. 
Die Ziele insbesondere des Entwurfes 
zur C kennzeichnet Aschrott dahin: 
„ı. Ein Strafverfahren gegen einen Ju- 
gendlichen soll, soweit möglich, vermie- 
den werden, damit er vor dem Schaden 
bewahrt bleibe, den jede Berührung mit 
der Strafjustiz für ihn haben kann. 
2. Soweit ein Strafverfahren unvermeid- 
lich ist, soll es so ausgestattet werden, wie 
es die besondere Schutzbedürftigkeit von 
Jugendlichen erheischt. 
3. Eine eigentliche Bestrafung Jugend- 
licher soll möglichst auf solche Fälle be- 
schränkt bleiben, in denen erzieherische 
Maßregeln keinen Erfolg versprechen.“ 
Diese Ziele hat auch das auf dem Ver- 
ordnungswege bereits eingeführte ]J. 
Sie sind aber nicht ohne Gegner. Zwar 
betonen Köhne und Aschrott (s.u.) 
ihre Zustimmung. Doch erhebt Oetker 
Gerichtssaal 73 442 energisch Einw endun- 
gen, die sich besonders gegen das Ziel 3 
und die geplante Schaffung eines Sonder- 
gerichts für Jugendliche überhaupt wen- 
den. Er befürchtet, daß eine solche Ein- 
richtung „die Verwirrung von Strafe und
	        
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