Jugendgerichte.
Erziehung organisatorisch sicherstelle“.
Das Gegenteil ist richtig: das J wird eine
reinliche Scheidung schaffen durch erzieh-
liche Behandlung der nicht strafwürdigen,
mitleiderregenden Elemente. Hierdurch
kann die Repression gegen die ausge-
schiedenen antisozialen Elemente mit
einer sieghaften Schonungslosigkeit aus-
gerüstet werden. Es wird nicht vorkom-
men, daß ein strafwürdiges Verschulden
statt durch Strafe durch Erziehung ge-
sühnt werden soll. Es soll ja vielmehr
erst noch festgestellt werden, ob Erzieh-
barkeit oder Strafwürdigkeit vorliegt.
Wenn das Gesetz darauf verzichten will,
das Undefinierbare zu definieren, so ist
es kein Fehler, wenn es die Entscheidung
— die eventuell auf Grund eines Experi-
ments ergeht — in die Hand eines beson-
ders sachkundigen Gerichts legt. Durch
den Erziehungsversuch wird erst festge-
stellt, ob wir in dem Jugendlichen einen
strafwürdigen, „schlechten “ Menschen
vor uns haben oder nur einen solchen, an
dessen Taten und Zustand andere schuld
waren, indem sie die richtige Erziehung
verabsäumten. Der Mangel einer möglich
gewesenen Erziehung hebt eben für den
Jugendlichen die aus dem Erziehungs-
mangel entspringende Strafwürdigkeit
auf. Daher ist es kein Fehler, diese Frage
zu prüfen, sondern eine primäre Forde-
rung der Gerechtigkeit gegen sonst
schuldlos leidende Menschen. Wenn Oet-
ker dem Gedanken widerspricht, die Son-
dergerichte ohne rechtsgelehrten Richter
zu bilden, so ist ihm durchaus zuzustim-
men. Soweit ein Gericht überhaupt Un-
parteilichkeit und Rechtssicherheit ge-
währleisten kann, tut dies ein Gericht von
unabsetzbaren Berufsrichtern. Das ist
allen Anfeindungen der Justiz zum Trotz
eine unumstößliche Tatsache. Ebenso
trifft Oetker das Richtige, wenn er den
Plan befürwortet, daß unter den mitrich-
tenden Schöffen stets ein Lehrer, Geist-
licher, Fürsorger sich befinde. Leider
scheint aber der preußische Landtag auf
dem Standpunkte zu stehen, daß Volks-
schullehrer — und das sind fürs J just die
wichtigsten — nicht Schöffen werden sol-
len. Da wird es denn nicht zu umgehen
sein, gerade diese allerwichtigsten päda-
gogischen Helfer vor wie nach auf dem
Umwege der Fürsorgeausschüsse an der
Rechtsprechung der J zu beteiligen.
Richtig ist es weiter, wenn Oetker die
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Erforschung der Persönlichkeit und Le-
benslage der Jugendlichen durch z. B. den
FA für wichtiger hält als die Gerichtsbe-
setzung. Was aber nützt die gründlichste
Erforschung, wenn das Gericht nicht das
Recht hat, den Ergebnissen dieser Erfor-
schung Rechnung zu tragen? Das kann
es nur, wenn der Richter möglichst frei
ist in der Wahl seiner Mittel, insbesondere
nicht gezwungen ist, zu Strafe zu verurtei-
len, wenn er glaubt, daß statt dessen eine
versäumte Erziehung zu ersetzen ist.
Vielfach wünscht man den Ausschluß
der Öffentlichkeit für Verhandlungen
gegen Jugendliche. Köhne, Löffler
und Aschrott widersprechen dem mit
Recht. Dagegen empfiehlt sich eine Ver-
schärfung und Erleichterung der Sitzungs-
polizei in dem Sinne, daß Personen, deren
Anwesenheit nach dem Ermessen des
Vorsitzenden dem Jugendlichen schädlich
ist, ohne weitere Begründung aus
dem Sitzungsraume ausgeschlossen wer-
den können.
Die Gesamtwürdigung des Strebens
nach Reform des Jugendrechtes und nach
J wird unbedingt zu einer Rechtfertigung
dieser Reform führen müssen. Man darf
aber die Wirkung solcher Maßnahmen
gegenüber den Massenerscheinungen der
Verwahrlosung und der aus ihr folgenden
Kriminalität nicht überschätzen. Soziale
Schäden heilt man nicht durch Strafrecht
oder sonstige Repression. Wir aber be-
fürworten die J eben nicht nur wegen
ihrer Zweckmäßigkeit und wegen ihrer in
manchen Fällen doch nachweisbaren Spe-
zialerfolge, sondern fordern sie als ein
Mittel zur Verwirklichung der Gerechtig-
keit, einer höheren Gerechtigkeit, als sie
bisher bei den gewöhnlichen Strafgerich-
ten zu erreichen war. Die Gerechtigkeit
heischt von uns, daß wir uns nicht damit
begnügen, eine Straftat des Jugendlichen
und seine Erkenntnisfähigkeit festzustel-
len, sie heischt von uns, daß wir ein un-
fertiges Kind nicht fortwerfen wegen
einer Handlung, welche sittlich von an-
deren, nicht von dem Kinde, verschul-
det ist.
Bärnreither Jugendfürsorge und Strafrecht in den
U. 8. America, Leipzig 05, Duncker u. Humblot; Herr Das
moderne amerikanische Besserungssystem, Stuttgart. Kohl-
hammer; Hartmann Strafrechtspiiege in Amerika:
Koehne Entwurf eines Reichsgesetzes betr Ahndung
strafbarer Handlungen Jugendlicher, Berlin 08, Guttentag;
Landsberg Der Fürsorgeausschuß und seine Beteiligung
an der | ‚rafrechtepflege, JMSchr f. Posen O8 51; Roth-
schild MSchrkrimPsych 08 623; Oetker Gerichtssaal
78885; Aschrott Der Entwurf einer Strafprozeßordnung,
Berlin 08, Guttentag: derselbe Reforn des Strafpro-
zesses (Sammlung von Aufsätzen); Groß MSchrkrim