Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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Juristische Tatsachen sind äußere 
Vorgänge, von denen die Rechte in ihrem 
Bestande beeinflußt werden. Motive, Er- 
wägungen können rechtlich bedeutsam 
werden; sie sind jedoch nicht J; letztere 
sind vielmehr die Ursache dafür, daß eine 
Rechtswirkung eintritt. 
, Juristischer Gebietserwerb s. Ge- 
iet. 
Juristisches Denken ist jene Vor- 
stellungen vereinigende und verarbei- 
tende geistige Tätigkeit, welche auf Er- 
kenntnis des Rechtes in seiner Einwir- 
kung und seinem Zusammenhange mit 
den Lebensverhältnissen gerichtet ist. 
Die Rechtserkenntnis setzt die Findung 
des Rechts, sodann die Formulierung des 
aufgefundenen und schließlich die Aus- 
legung des formulierten Rechts voraus. 
Insofern uns das Recht gewöhnlich schon 
in formulierter Gestalt, den Gesetzen, ent- 
gegentritt, beschränkt sich das juristische 
Denken auf die Auslegung derselben. Da- 
her hat sich eine Theorie des juristischen 
Denkens eigentlich nur für die Auslegung 
ausgebildet. Von der (grammatischen und 
logischen) Interpretation der einzelnen 
Rechtssätze ausgehend, hat sie zur syste- 
matischen Darstellung der einzelnen 
Rechtsgebiete geführt und ihren Abschluß 
in der allgemeinen Rechtslehre, als ge- 
meinsamer Grundlage aller Rechtsdiszi- 
plinen, gefunden (vgl Art Methoden des 
juristischen Arbeitens I). Da aber jede 
Gesetzgebung (echte) Lücken enthält, ist 
der Jurist auch heutzutage berufen, die- 
selben durch Findung der der Natur der 
Sache angemessenen Normen auszufüllen. 
Ebenso fordert die gesetzgeberische Tä- 
tigkeit die Mitwirkung des Juristen. 
Wenn auch der Inhalt der auzuarbeiten- 
den Gesetze — ein Gegenstand rechtspoli- 
tischer Erwägungen — durch die gesetz- 
gebenden Faktoren bzw die beteiligten 
Interessentengruppen bestimmt wird, ist 
doch die Formengebung (in Ausdruck und 
Sprachgebrauch, Anordnung, Gliederung 
und Fassung der einzelnen Vorschrift) 
Gegenstand juristischer Gedankenarbeit 
und juristischen Taktes. Die Mittel zur 
Erreichung dieses Zweckes legt die Ge- 
setzestechnik dar (vgl E. Zitelmann 
Die Kunst der Gesetzgebung, Dresden 
04; H. Gutherz Studien zur Gesetzes- 
technik Teil I, Breslau 08). 
Zur Erkenntnis des Rechts gehört auch 
das Verständnis seiner Einwirkung auf 
  
  
Juristische Tatsachen — ius offerendi. 
die Lebensverhältnisse. Gewöhnlich wer- 
den dieselben in Einklang mit den Rechts- 
vorschriften stehen. Soweit das nicht der 
Fall ist, ist der Jurist berufen, das Recht 
in Anwendung zu bringen. Diese Anwen- 
dung setzt natürlich die Kenntnis des zu 
entscheidenden Tatbestandes (des Rechts- 
falles) und Auslegung der darauf anzu- 
wendenden Rechtsvorschrift voraus. Wäh- 
rend man früher darin nur eine logische 
Operation erblickte, die Subsumtion des 
Tatbestandes unter den Rechtssatz, wird 
jetzt mit Recht betont, daß das juristische 
Denken zugleich eine Wertung der ein- 
schlägigen Verhältnisse verlange. So 
kann der Richter den Schuldner wegen 
seines Verhaltens zum Schadensersatz nur 
verurteilen, wenn seinem Urteile nach in 
dem Verhalten eine Außerachtlassung der 
im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt. 
Derartige Werturteile ethischer, sozialer, 
wirtschaftlicher Natur bilden überhaupt 
in zahllosen Fällen die Voraussetzung der 
Subsumtion der Tatsachen unter das an- 
zuwendende Recht (man denke z. B. nur 
daran, daß der Schuldner die Leistung so 
zu bewirken hat, wie Treu und Glauben 
mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es ver- 
langen) und zeigen zugleich, in welch um- 
fassendem Maße die gesamte Auffassung 
des Richters einen Bestandteil des juri- 
stischen Denkens bildet. 
Vgl Art: Methoden des jurist Arbeitens, inebes I 2; 
K.G. Wurzel Das jurist Denken, Wien 04; M. Rumpf 
Gesetz und Richter, Berlin 06; die Lehrbücher des bürger!l 
Rechts über Auslegung und Anwendung der Gesetze und 
die bezüglichen Stichworte. Qrueber. 
ius ad rem s. Schuldverhältnis. 
ius detractus s. Abschoß. 
ius divinum s. Kirchenrecht, katho- 
lisches. 
ius Italicum (RRGesch) macht ein 
Gemeinwesen zur colonia Italica, so daß 
sein Grund und Boden die Rechtsstellung 
als fundus Italicus und damit die Be- 
freiung von der Grundsteuer erlangt. 
ius offerendi (bürgR). Betreibt der 
Gläubiger die Zwangsvollstreckung in 
einen Gegenstand des Schuldners, dann 
besteht ein Befriedigungsrecht Dritter 
unter Ausschluß des Widerspruchs des 
Schuldners, und zwar: 
1. für einen Berechtigten, dessen Recht 
an dem Gegenstande durch die Zwangs- 
vollstreckung gefährdet werden würde; 
2. für den Besitzer, dessen Besitz ge- 
fährdet werden würde. 
Die Befriedigung zwecks Abwendung 
der Zwangsvollstreckung bewirkt, daB 
 
	        
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