Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Kant — Kanzleisprache oder -stil. 
steht in dem Anspruch auf gewisse Lei- 
stungen einer anderen Person, welcher 
nur durch Vertrag erworben werden kann. 
Wenn auch die Willenserklärung der bei- 
den Kontrahenten zeitlich aufeinander 
folgt, so ist sie doch im Prinzip als eine 
gleichzeitige anzusehen. Die Verträge 
teilt Kant ein in einseitige, wechselseitige 
und Zusicherungsverträge. Beim Erbrecht 
findet der Philosoph eine Schwierigkeit 
darin, daß die Vermachung und die An- 
nahme des Vermächtnisses durch eine 
Zwischenzeit getrennt sind; in dieser Zwi- 
schenzeit ist nur die bürgerliche Gesell- 
schaft Trägerin und Bewahrerin des Be- 
sitzes. Den Eid bezeichnet Kant als eine 
„geistige Tortur“, nimmt Anstoß an sei- 
ner Verbindung mit religiösen Vorstellun- 
gen und möchte ihn am liebsten ganz be- 
seitigt sehen. 3. Das dinglich-persönliche 
Recht besteht darin, daß eine andere Per- 
son zwar als Sache besessen, aber als Per- 
son gebraucht wird. Es befaßt die Be- 
ziehungen zwischen Gatten, zu Kindern 
und zu Hausgesinde und beruht nicht 
ausschließlich auf Vertrag, sondern da- 
neben auf dem sittlichen Verhältnis der 
Menschen untereinander. Berühmt durch 
ihre Naivität ist Kants Definition der Ehe 
als der „Verbindung zweier Personen ver- 
schiedenen Geschlechts zum lebenswieri- 
gen, wechselseitigen Besitz ihrer Ge- 
schlechtseigenschaften“. Auf einem still- 
schweigend eingegangenen Vertrage be- 
ruht auch die Pflicht der Eltern gegen die 
Kinder. — Das Recht auf alle diese Arten 
des Besitzes besteht zwar von Natur, kann 
aber erst durch die staatliche Gemein- 
schaft sichergestellt werden. Das öffent- 
liche Recht zerfällt in Staatsrecht, Völker- 
recht und Weltbürgerrecht. 1. Das Staats- 
recht beruht ursprünglich auf einem con- 
trat social, doch soll es dem Volke nicht 
frei stehen, willkürlich von dem einmal 
eingegangenen Vertrage zurückzutreten. 
Der Fürst ist nur der „Agent des Staates“, 
Die legislative, exekutive und richterliche 
Gewalt müssen voneinander getrennt blei- 
ben. Die ideale Staatsverfassung würde 
die reine Republik in der Form der reprä- 
sentativen Volksherrschaft sein. Im Straf- 
recht huldigt Kant nicht der Ab- 
schreckungstheorie, sondern der Sühne- 
theorie, und verteidigt von diesem Ge- 
sichtspunkte aus auch die Todesstrafe. 
2. Das Völkerrecht strebt aus dem gegen- 
wärtigen Zustande der fortwährenden ge- 
  
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genseitigen Bedrohung durch einen allge- 
meinen Völkerbund mit internationalem 
Schiedsgerichte zu einem Zustande des 
ewigen Friedens zu gelangen. 3. Das 
Weltbürgerrecht besteht in dem Rechte 
des ungehinderten Verkehrs aller Völker 
der Erde miteinander. 
Das letzte Hauptwerk Kants, die Kritik 
der Urteilskraft, bildet das Mittelglied 
zwischen den Kritiken der theoretischen 
und der praktischen Vernunft und behan- 
delt den der Urteilskraft a priori einwoh- 
nenden Begriff der Zweckmäßigkeit. 
Diese ist entweder eine ästhetische, auf 
der Anschauung beruhende, oder eine te- 
leologische, welche von dem Begriff des 
Zweckes ausgeht. Hierdurch sind die bei- 
den Teile des Werkes bedingt, deren 
erster die Gefühle oder, wie Kant sagt, 
die Geschmacksurteile über das Schöne 
und das Erhabene nach Quantität, Quali- 
tät, Relation und Modalität analysiert, 
während die teleologische Urteilskraft die 
Zweckmäßigkeit, soweit wir sie als eine 
innere und äußere in der Natur verwirk- 
licht finden, einer näheren Betrachtung 
unterwirft und ihren subjektiven Ursprung: 
nachweist. 
Die gesamte philosophische Leistung 
Kants besteht somit darin, daß er bemüht 
ist, auf allen drei Gebieten des inneren Le- 
bens, dem des Erkennens, des Wollens 
und des Gefühls, die apriorischen Ele- 
mente nachzuweisen und sie von den 
aposteriorischen reinlich zu sondern. 
Deußen. 
Kanzleisprache oder -stil ist nahe 
verwandt, aber nicht gleichbedeutend mit 
„Juristendeutsch“ (s. d.), mit dem es 
oft verwechselt wird. Von KSt kann 
man strenggenommen nur bei Schrift- 
stücken oder Teilen von ihnen sprechen, 
die kein wissenschaftliches, sondern ein 
mehr formularmäßiges Gepräge tragen 
und deshalb regelmäßig den nicht juri- 
stisch gebildeten Kanzleibeamten der 
Justiz- und Verwaltungsbehörden zukom- 
men. Der KSt gefällt sich im Gefühl einer 
eingebildeten Würde besonders im zähen 
Festhalten am Altertümlichen und im Ein- 
mischen lateinischer Floskeln. In früheren 
Jahrhunderten freilich hatte das Wort 
einen sehr guten Klang, da es die Sprache 
der kursächs und der kaiserl Kanzlei be- 
zeichnete, die als ein Muster des guten. 
Schriftdeutsch galt und mit der Zeit die 
Sprache aller Gebildeten wurde. Luther
	        
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