Kant — Kanzleisprache oder -stil.
steht in dem Anspruch auf gewisse Lei-
stungen einer anderen Person, welcher
nur durch Vertrag erworben werden kann.
Wenn auch die Willenserklärung der bei-
den Kontrahenten zeitlich aufeinander
folgt, so ist sie doch im Prinzip als eine
gleichzeitige anzusehen. Die Verträge
teilt Kant ein in einseitige, wechselseitige
und Zusicherungsverträge. Beim Erbrecht
findet der Philosoph eine Schwierigkeit
darin, daß die Vermachung und die An-
nahme des Vermächtnisses durch eine
Zwischenzeit getrennt sind; in dieser Zwi-
schenzeit ist nur die bürgerliche Gesell-
schaft Trägerin und Bewahrerin des Be-
sitzes. Den Eid bezeichnet Kant als eine
„geistige Tortur“, nimmt Anstoß an sei-
ner Verbindung mit religiösen Vorstellun-
gen und möchte ihn am liebsten ganz be-
seitigt sehen. 3. Das dinglich-persönliche
Recht besteht darin, daß eine andere Per-
son zwar als Sache besessen, aber als Per-
son gebraucht wird. Es befaßt die Be-
ziehungen zwischen Gatten, zu Kindern
und zu Hausgesinde und beruht nicht
ausschließlich auf Vertrag, sondern da-
neben auf dem sittlichen Verhältnis der
Menschen untereinander. Berühmt durch
ihre Naivität ist Kants Definition der Ehe
als der „Verbindung zweier Personen ver-
schiedenen Geschlechts zum lebenswieri-
gen, wechselseitigen Besitz ihrer Ge-
schlechtseigenschaften“. Auf einem still-
schweigend eingegangenen Vertrage be-
ruht auch die Pflicht der Eltern gegen die
Kinder. — Das Recht auf alle diese Arten
des Besitzes besteht zwar von Natur, kann
aber erst durch die staatliche Gemein-
schaft sichergestellt werden. Das öffent-
liche Recht zerfällt in Staatsrecht, Völker-
recht und Weltbürgerrecht. 1. Das Staats-
recht beruht ursprünglich auf einem con-
trat social, doch soll es dem Volke nicht
frei stehen, willkürlich von dem einmal
eingegangenen Vertrage zurückzutreten.
Der Fürst ist nur der „Agent des Staates“,
Die legislative, exekutive und richterliche
Gewalt müssen voneinander getrennt blei-
ben. Die ideale Staatsverfassung würde
die reine Republik in der Form der reprä-
sentativen Volksherrschaft sein. Im Straf-
recht huldigt Kant nicht der Ab-
schreckungstheorie, sondern der Sühne-
theorie, und verteidigt von diesem Ge-
sichtspunkte aus auch die Todesstrafe.
2. Das Völkerrecht strebt aus dem gegen-
wärtigen Zustande der fortwährenden ge-
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genseitigen Bedrohung durch einen allge-
meinen Völkerbund mit internationalem
Schiedsgerichte zu einem Zustande des
ewigen Friedens zu gelangen. 3. Das
Weltbürgerrecht besteht in dem Rechte
des ungehinderten Verkehrs aller Völker
der Erde miteinander.
Das letzte Hauptwerk Kants, die Kritik
der Urteilskraft, bildet das Mittelglied
zwischen den Kritiken der theoretischen
und der praktischen Vernunft und behan-
delt den der Urteilskraft a priori einwoh-
nenden Begriff der Zweckmäßigkeit.
Diese ist entweder eine ästhetische, auf
der Anschauung beruhende, oder eine te-
leologische, welche von dem Begriff des
Zweckes ausgeht. Hierdurch sind die bei-
den Teile des Werkes bedingt, deren
erster die Gefühle oder, wie Kant sagt,
die Geschmacksurteile über das Schöne
und das Erhabene nach Quantität, Quali-
tät, Relation und Modalität analysiert,
während die teleologische Urteilskraft die
Zweckmäßigkeit, soweit wir sie als eine
innere und äußere in der Natur verwirk-
licht finden, einer näheren Betrachtung
unterwirft und ihren subjektiven Ursprung:
nachweist.
Die gesamte philosophische Leistung
Kants besteht somit darin, daß er bemüht
ist, auf allen drei Gebieten des inneren Le-
bens, dem des Erkennens, des Wollens
und des Gefühls, die apriorischen Ele-
mente nachzuweisen und sie von den
aposteriorischen reinlich zu sondern.
Deußen.
Kanzleisprache oder -stil ist nahe
verwandt, aber nicht gleichbedeutend mit
„Juristendeutsch“ (s. d.), mit dem es
oft verwechselt wird. Von KSt kann
man strenggenommen nur bei Schrift-
stücken oder Teilen von ihnen sprechen,
die kein wissenschaftliches, sondern ein
mehr formularmäßiges Gepräge tragen
und deshalb regelmäßig den nicht juri-
stisch gebildeten Kanzleibeamten der
Justiz- und Verwaltungsbehörden zukom-
men. Der KSt gefällt sich im Gefühl einer
eingebildeten Würde besonders im zähen
Festhalten am Altertümlichen und im Ein-
mischen lateinischer Floskeln. In früheren
Jahrhunderten freilich hatte das Wort
einen sehr guten Klang, da es die Sprache
der kursächs und der kaiserl Kanzlei be-
zeichnete, die als ein Muster des guten.
Schriftdeutsch galt und mit der Zeit die
Sprache aller Gebildeten wurde. Luther