Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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das Kardinalskollegium unter Oberleitung 
des Camerlengo. 
Über die Ko tionen s. Papst. 
Kargoversicherung s. Transportver- 
sicherung. 
Karlsbader Beschlüsse s. Deutscher 
Bund. 
Karolinenstreit. Spanien behauptete, 
die Karolinen okkupiert zu haben, das 
Deutsche Reich erklärte dagegen, Spa- 
nien habe den Besitz nicht effektiv aus- 
geübt (oder die Inseln wieder derelin- 
quiert). Im Wege des Schiedsgerichtes 
(Vertrag vom 27. Dez 1885, Leo XIII.) 
wurde der K in dem Sinne entschieden, 
daß Spanien die Karolinen erworben 
habe, aber auch tatsächlich (effektiv) be- 
sitzen müsse. 
Siehe auch Inselgebiet. . 
Kartelle s. Gewerbliche Kampfmittel. 
Kaskoversicherung s. Transportver- 
sicherung. 
Kassageschäfte s. Börse. 
Kassakonto s. Buchführung. 
Kassenzwang s. Krankenkassen. 
Kastration besteht in der Entfernung 
der Geschlechtsdrüsen. Beim Manne wer- 
den die Hoden mit allen Anhängen, beim 
Weibe die Gebärmutter oder deren Ad- 
nexa (vornehmlich häufig die Eierstöcke) 
exstirpiert. Die K(a)st(ration) an Knaben 
wurde noch bis in die neueste Zeit hinein 
in Italien geübt, um diese zu Diskant- 
sängern für Kirchenchöre (sixtinische Ka- 
pelle), Opern- und Konzertaufführungen zu 
befähigen. Die Knabenstimme bleibt der- 
art verstümmelten Individuen auch spä- 
ter erhalten, vereinigt sich mit der Lun- 
genkraft des Mannes und erhält dadurch 
die Ausdauer und Kraft, die schwierigsten 
und ausgedehntesten Passagen zu über- 
winden. In der Jugend kastrierte männ- 
liche Individuen nähern sich in ihrem 
Habitus dem weiblichen an; sie werden 
fett, haben einen zarten Bau, schmalen 
Brustkorb, weites Becken; der Bartwuchs 
bleibt aus, der Kehlkopf etwa um ein 
Drittel zu klein; dadurch verharrt die 
Stimme auf ihrer kindlichen Höhe und 
der Stimmwechsel wird unterdrückt. Sind 
die Hoden in frühester Jugend entfernt 
worden, so schwindet mit dem Zeu- 
gungs- auch das Begattungsvermögen. In 
den mohammedanischen Ländern wird 
noch heute die Kst zahlreich vollzogen. 
Dadurch werden Haremswächter (Eunu- 
chen) gezüchtet. Über die Folgen der Ope- 
ration hinsichtlich der Psyche derartiger 
  
Kardinäle — Kastration. 
Individuen sind wir durchaus noch nicht 
im klaren. In der Literatur sind zwar 
viele Angaben darüber, die aber näherer 
Prüfung gegenüber sich nicht als stichhal- 
tig erwiesen haben. Rieger hat in sei- 
nem sehr lesenswerten Buche (Die Kst 
in rechtlicher, sozialer und vitaler Hin- 
sicht [Jena 1900]) darauf aufmerksam ge- 
macht, daß weder der Habitus noch die 
Psyche von Individuen, die im Mannes- 
alter oder kurz nach der Pubertät kastriert 
wurden, verändert wird bzw war; er be- 
weist dies u. a. auch durch die historisch 
beglaubigten Gestalten eines Origines, 
Abälard und Narses, die bis in ihr spätes 
Alter hinein energische und kraftvolle 
männliche Naturen waren und blieben. 
Auch der durch ihn bekannt und berühmt 
gewordene Fall eines mittels Unfallver- 
letzung der Hoden beraubten Knechtes 
zeigte weder in körperlicher noch in psy- 
chischer Beziehung Abweichungen vom 
Normalen. Die den Kastraten im allge- 
meinen zugeschriebene Tücke und Hinter- 
list scheint sonach, wenigstens in den Fäl- 
len, bei denen die Operation bzw Ver- 
stümmelung nicht in der Jugend vorge- 
nommen worden war, mehr eine von Au- 
tor zu Autor übertragene Legende als Tat- 
sache zu sein. 
Kastrierte Frauen sollen wieder mehr 
dem männlichen Typus sich annähern; 
auch dies bedarf noch weiterer Klärung 
und Beobachtung; sie ist hier auch we- 
niger schwierig, da Frauen in unseren 
zivilisierten Staaten häufiger der Kst un- 
terzogen worden sind und werden als 
Männer. Die Indikation hierfür geben 
u. a. Geschwülste. Bei Männern veranlas- 
sen zur Kst z. B. Krebs und Tuberkulose 
der Hoden, bei Weibern Erkrankungen 
der Eierstöcke, der Gebärmutter, der 
Scheide, aber auch Neurosen, die durch 
jene Leiden bzw durch anormale Men- 
strualvorgänge unterhalten werden und 
bisweilen sogar fast zu Psychosen (Pa- 
ranoia) ausarten. Eine weitere Frage 
ist aber, ob man nicht mit dergleichen 
schweren Eingriffen in den Organismus 
der Frau, die eine Zeitlang sehr häufig 
vorgenommen worden sind, aus der Scylla 
in die Charybdis gerät; denn die Folgen 
der Entfernung der Eierstöcke, die hier- 
durch hervorgerufenen vasomotorischen 
Störungen in Gestalt von aufsteigender 
Hitze, Herzklopfen, Ohrensausen, Kopf- 
schmerz, Gereiztheit, schwerem Darnie-
	        
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