Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Kastration — Kataster. 
derliegen der körperlichen und geistigen 
Funktionen, die in starkem Gegensatz zu 
der häufig abnormen Fettleibigkeit der- 
artig verstümmelter Frauen stehen, wei- 
sen doch darauf hin, daß man bei den 
Neurosen mit der Indikationsstellung der 
Entfernung der Ovarien in einen circulus 
vitiosus geraten ist. 
Aus sozialen Gründen und von Gesetzes 
wegen hat man in den letzten Jahren im 
Staate Indiana die Kst an Personen vorge- 
nommen, die durch ihren perversen Trieb 
oder sonst in geschlechtlicher Hinsicht ge- 
meingefährlich geworden waren. Neuer- 
dings wird dies auch in der Schweiz ge- 
übt. Die hierbei angewandte Methode 
weicht von den bisherigen ab und besteht 
in der Ausschneidung des vas deferens, 
wodurch eine Verödung der Geschlechts- 
drüsen und damit Zeugungsunfähigkeit 
herbeigeführt wird. Diese Methode soll 
auch sonst weniger eingreifende Folgen 
haben als die bisher geübten. 
Die Zeugungsunfähigkeit folgt der Kst 
ohne weiteres, nicht die Beischlafsunfähig- 
keit. Zeugungsfähigkeit kann zwar beim 
Manne noch kurze Zeit nach dem Ein- 
griff vorhanden sein, in praxi wird aber 
die Frage nach ihr bei einem erst jüngst 
Kastrierten überflüssig; denn ein solcher 
wird in dem kurzen Zwischenraum, der 
für seine eventuelle Zeugungsfähigkeit in 
Betracht käme, weder physisch dazu im- 
stande sein, den Beischlaf auszuüben — 
schon die angelegten Verbände werden 
ihm ein Hindernis bieten —, noch auch 
psychisch auf Grund der bei ihm vor- 
liegenden Verletzung und des durch sie 
veranlaßten Darniederliegens des Ge- 
schlechtstriebes sich zur event Ausübung 
seiner geschlechtlichen Tätigkeit ange- 
regt fühlen. Den Beweis dafür, daß 
Kastrierte den Beischlaf ausüben und hier- 
bei noch eine starke libido bzw voluptas 
zeigen, liefern u. a. die Berichte über die 
Zügellosigkeiten, denen sich derartige, 
allerdings nur der Hoden beraubte Indi- 
viduen hingegeben haben. Interessant 
sind auch in dieser Beziehung die Auf- 
zeichnungen des russischen Gerichtsarztes 
Pelikan über die Sekte der Skopzen in 
Rußland (Das Skopzentum in Rußland, 
Gießen 1876). Die Anhänger dieser in 
Rußland als staatsgefährlich verfolgten 
Sekte schnitten sich Penis und Skrotum 
(Hodensack) ab; sie hießen dann die 
Skopzen „vom großen Siegel‘ zum Un- 
  
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terschied von jenen, die sich nur der Ho- 
den beraubten und „vom kleinen Siegel“ 
benannt wurden. Diese blieben daher 
auch noch beischlafsfähig und gaben sich 
bisweilen der zügellosesten Wollust hin. 
Die weiblichen Mitglieder dieser Sekte 
machten sich Einschnitte in die Brüste 
oder schnitten diese gänzlich ab oder ver- 
stümmelten sich die Genitalien. 
Trotz der Kst bleibt die Frau, bei der 
sie vornehmlich die Eierstöcke betrifft, 
beischlafsfähig; durch die Entfernung der 
Ovarien tritt eine sog „Kastrations- 
atrophie‘ auf, bei welcher der Uterus, 
die Eileiter usw sich zurückbilden bzw 
gänzlich schwinden, d. h. ein frühzeitiges, 
künstliches Klimakterium (Wechsel) be- 
obachtet wird. Dies beruht darauf, daß 
die Eierstöcke nicht bloß die Eier bilden, 
ausstoßen und die Menstruation unterhal- 
ten, sondern auch durch eine „innere 
Sekretion‘ oder „Funktion“ die übrigen 
Geschlechtsteile beeinflussen. Allerdings 
ist auch bis heute weder der Sitz noch 
das Wesen dieser „inneren Sekretion‘ 
näher bekannt. 
Vor allem die im Text genannten Autoren; Hegar 
Zentralblatt für Gynäkologie: Über Kastration, 79; Eulen- 
burg Realenzyklopädie: Kastration der Frauen; Über die 
Bedeutung der Eierstöcke von Dr. Konstantin J. Bucura, 
Sammlung klinischer Vorträge (Serie XVIII Heft 3/4), 08; 
Gerichtliche Medizin Casper-Liman 1; Archiv für Kriminal- 
enthropologie und Kriminallstik (Groß) 32 343. Cohn. 
Kasuelle Bedingung s. Bedingung. 
Kataster. Das Orundstücksk(a)t(aster), 
das amtliche Verzeichnis der Grund- 
stücke, welches in Preußen und den 
meisten anderen Einzelstaaten die Grund- 
stücke kartenmäßig bezeichnet, wurde 
zur Veranlagung der Grund- und Ge- 
bäudesteuer eingeführt und bildete die 
Grundlage der Steuerbücher. Durch die, 
in Preußen zuerst durch die Verordn vom 
31. März 1834 für das Herzogtum West- 
falen angeordnete Verbindung der Steuer- 
bücher. mit dem Grundbuch hat das Kt 
für das Eigentumsrecht Bedeutung er- 
langt und wird in Preußen von dem 
Königl Katasteramt fortgeführt, obgleich 
der Staat die Grund- und Gebäudesteuer 
nicht mehr erhebt. Nach $ 4 der prGr 
vom 5. Mai 1872 sollten die Grund- und 
Gebäudesteuerbücher zur Ausmittlung 
der Grundstücke dienen, die Bezeichnung, 
welche die Grundstücke in den Steuer- 
büchern erhalten hatten, sollten sie auch 
im Grundbuch führen ; durch die Überein- 
stimmung dieser Bezeichnung in den bei- 
den Büchern war das Grundbuch auf das
	        
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