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Kirchendiebstahl s. Diebstahl.
Kirchenfabrik s. Kirchenbaulast.
Kirchengewalt ist nach katholischer
Lehre von Christus eingesetzt. I. Die
“kath Kirche ist eine Stiftung durch Chri-
stus zum Heile der Menschheit und um-
faßt unter der Leitung des Papstes alle
durch Glaubensbekenntnis und Gemein-
schaft der Sakramente verbundenen Per-
sonen. Die kath Kirche ist visibilis una
sancta catholica apostolica quae errare
non potest.
Il. Die kath K äußert sich in zwei Funk-
tionen: 1. Als potestas ordinis, d. h. als
K in bezug auf die Verwaltung der Sa-
kramente und in bezug auf das Lehramt.
Die K in bezug auf das Lehramt bildete
früher eine besondere potestas magiste-
rii. — 2. Als potestas iurisdictionis, d. h.
als Kirchenregiment oder Regierung.
Über die K in der evang Kirche s. Staat und Kirche.
Kirchenlehrer s. Christliche Philo-
sophie.
Kirchenrecht nimmt im Rechts-
systeme eine besondere Stellung ein; es
gehört nicht zum Staatenrecht, denn es
ist die Gemeinschaftsordnung der gesell-
schaftlich organisierten Gläubigen der
christlichen Offenbarung; aber auch in
diesem Sinne gefaßt ist das K nicht ein-
heitlich, zerfällt vielmehr in das K der
Katholen und in das K der Evangelen. —
Die K anderer Konfessionen sind nicht
Gegenstand der hier bezeichneten kir-
chenrechtlichen Darstellung. Das K stellt
die Verfassung der Kirche dar, die Ämter
der Kirche, die Gesetzgebung, die Ver-
waltung des Kirchenvermögens und die
Kirchenjustiz.
Hinschius Das Kirchenrecht der Katholiken und
Protestanten, 6 Bde, 69-97; Sohm Kirchenrecht I, 92;
Frantz Lehrbuch, 4. Aufl; Friedberg Lehrbuch;
Stutz bei Holtzendorff Enzyklopädie 2811ff; Hergen-
röther Lehrbuch des kath Kirchenrechts, 2. Aufl, 05.
Kirchenrecht, katholisches (Quel-
len). Nach katholischer Lehre enthält
die Heilige Schrift, insbesondere das
Neue Testament, nicht nur Religionsvor-
schriften, sondern auch eine große Anzahl
von Rechtsregeln. Die Auslegung erfolgt
durch den Papst und die Konzilien; zu-
grunde gelegt wird die Vulgata, eine vom
Kirchenvater Hieronymus neu redigierte
lateinische Übersetzung; das Tridentinum
pt diese Übersetzung für authentisch er-
ärt.
I. Quelle des katholischen Kirchen-
rechtes ist die von Christus und den Apo-
Kirchendiebstahl — Kirchenrecht, katholisches (Quellen).
heit die neun doctores ecclesiae und der
Papst feststellen.
1. Demnach wird unterschieden: ius
divinum, von welchem der Papst nicht
dispensieren kann, und ius humanum. —
(Manche sehen einen Überrest des ius di-
vinum in der evangelischen Kirche darin,
daß das Bischofsamt der englischen Hoch-
kirche Sakramentsnatur habe.)
2. Die Vigens Ecclesiae Disciplina, die
kirchliche Praxis, äußert sich, wie folgt:
Papa dissimulat, Papa ignorat, Papa re-
probat. Das hängt davon ab, welche
Macht die Kirche im Staate und ev gegen-
über dem Staate beanspruchen kann. Je
nach der Stellung des Staates zur Kirche
unterscheidet man: a. ecclesia recepta mit
öffentlichem Gottesdienste; b. ecclesia to-
lerata mit gestattetem privaten Gottes-
dienste; c. ecclesia reprobata, vom Staate
verboten.
II. Die katholische Kirche erkennt den
Papst als Gesetzgeber an; bereits seit dem
12. sc steht seine kirchliche Gesetzgebung
in Sachen des Rechtes und des Glaubens
über den Konzilien.
1. Die päpstlichen Erlasse sind: a. Con-
stitutiones: allgemeine Anordnungen für
die Kirche oder einzelne Gebiete. b. Re-
scripta: Antworten in Einzelfällen, z. B.
rescripta gratiae und rescripta iu-
stitiae.
2. Eine andere Einteilung unterscheidet
Bullen und Breven. a. Bullae werden
durch die Kanzlei des Papstes in feier-
licher Form expediert; sie sind in latei-
nischer Sprache auf starkem Pergamente
ohne Interpunktion in altgotischer Schrift
abgefaßt. Das daran hängende Siegel
zeigt auf der Vorderseite das Bild der
Apostel Petrus und Paulus, auf der Rück-
seite das Bild des Papstes. Die Bullen
sind offen und ohne Adresse; sie werden
vom Papste nicht unterschrieben. Semi-
bullen sind Bullen, deren Siegel auf der
Rückseite das Bild des Papstes nicht
zeigt; dies ist der Fall, wenn der Papst
vor der Krönung Bullen erläßt. — In Ju-
stizsachen wird eine hänfene, in Gnaden-
sachen eine (rote oder gelbe) seidene
Schnur verwendet. — Bullarien sind al-
phabetarische Verzeichnisse der Bul-
len. — b. Brevia werden durch das Se-
kretariat der Breven expediert; sie sind
in lateinischer oder italienischer Sprache,
steln stammende Tradition, deren Echt- | in moderner Schrift mit Adresse abgefaßt