Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Knappschaftswesen. 
die Bruderlade von ihrem Lohne abfüh- 
ren. Die Besitzer (Gewerken) sollen 1% 
der Rohproduktion an die Kasse abführen 
oder einen Kux der Knappschaft freibauen 
(1/,9gg des Ertrags). Verwaltet wurde das 
Kassenvermögen durch behördlich ver- 
pflichtete Knappschaftsälteste. Die Kas- 
sen stellten hiernach deutschrechtliche 
Zwangskorporationen dar, Mitglieder 
waren die Arbeiter, beitragspflichtig auch 
die Werksbesitzer. 
Aufrechterhalten bzw neu geregelt 
wurde die Organisation durch die drei be- 
rühmten sogen revidierten Bergordnun- 
gen Friedrichs des Großen (für Cleve- 
Mark, Halberstadt, Schlesien, 1769, 1772, 
1776) und das Allgemeine Landrecht (Il 
16 SS 134, 214— 220). Jede Gewerkschaft 
soll in der Regel 2 Freikuxe für die 
Knappschafts- und Armenkasse freibauen. 
Die Zahlungspflicht der Bergleute bleibt 
bestehen. Die Gewerken sind verpflich- 
tet, den in ihrem Dienst erkrankten oder 
beschädigten Bergleuten von einer Aus- 
beute (Gewinn) bringenden Zeche auf 8, 
sonst auf 4 Wochen Gnadenlohn zu ge- 
ben; länger dauernde Krankheiten fallen 
der Knappschaftskasse zur Last, diese 
hatte auch die Kur- und Begräbniskosten 
zu tragen. Auch die Witwe hat den glei- 
chen Gnadenlohn zu fordern. Weiter- 
gehende Ansprüche waren in den Knapp- 
schaftsstatuten gegeben und geregelt. 
Grundsätzlich und zugleich einheitlich 
für den ganzen Umfang des preußischen 
Staates wurde das Knappschaftswesen 
durch das Knappschaftsges vom 10. April 
1854 (GS 134) geregelt, das die Knapp- 
schaftspflichtigkeit auch auf die Aufberei- 
tungsanstalten und Hütten ausdehnte. 
Die Leistungen sollen bestehen bei Krank- 
heitsfällen in freier Kur, Arznei und Kran- 
kenlohn, bei mit oder ohne Betriebsunfall 
— indes ohne grobes Verschulden — ein- 
getretener Berufsinvalidität — wenigstens 
bei den ständigen Genossen und nur bei 
der Werksarbeit verunglückten unständi- 
gen — in lebenslänglicher Invalidenunter- 
stützung, in Todesfällen in einem Beitrag 
zu den Begräbniskosten, endlich — wenig- 
stens bei den ständigen Genossen— in 
einer Unterstützung der Witwen und Wai- 
sen. Die Verwaltung war in die Hände 
eines je zur Hälfte aus den Besitzern 
und Knappschaftsältesten (Arbeitervertre- 
tern) gebildeten, unter starker Direktion 
der Bergbehörde befindlichen Knapp- 
  
921 
schaftsvorstandes gelegt. Das Allgemeine 
Berggesetz vom 24. Juni 1865 hat die Be- 
stimmungen des Gesetzes vom 10. April 
1854 im wesentlichen, indes mit der Maß- 
gabe übernommen, daß es die Selbstver- 
waltung der Kassen ausdehnte und die 
Direktion der Bergbehörden auf ein (ne- 
gatives) Aufsichtsrecht reduzierte. Ein 
Gesetz vom 10. Juni 1861 hob die Knapp- 
schaftspflichtigket der Hüttenarbeiter 
wieder auf; doch sind die bis dahin errich- 
teten Hüttenknappschaftsvereine — we- 
gen der Schwierigkeit der Auflösung — 
meist bestehen geblieben. 
Nach dem (bekanntlich fast in. ganz 
Deutschland inhaltlich wiederholten) All- 
gemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1905 
sind die Knappschaftskassen in der 
Hauptsache Zwangskassen geblieben, 
d. h. jeder Bergmann ist knappschafts- 
pflichtig (Kassenzwang) und er muß der 
für seinen Betrieb errichteten Knapp- 
schaftskasse (Zwangskasse) angehören. 
Doch erstreckt sich der Kassenzwang ge- 
setzlich nur auf gewisse Mindestleistun- 
gen, auf die auch den sogen unständigen 
Genossen gebührenden Ansprüche und in 
der Regel nicht auf die nur den vollberech- 
tigten, ständigen Genossen zu gewähren- 
den Leistungen. Demgemäß bestimmt 
$ 171: Die Leistungen, welche jeder 
Knappschaftsverein nach näherer Bestim- 
mung des Statuts seinen vollberechtigten 
Mitgliedern zu gewähren hat, sind: 
1. in Krankheitsfällen eines Knapp- 
schaftsgenossen freie Kur und Arzenei für 
seine Person; 
2. ein entsprechender Krankenlohn bei 
einer ohne eigenes grobes Verschulden 
entstandenen Krankheit; 
3. ein Beitrag zu den Begräbniskosten 
der Mitglieder und Invaliden; 
4. eine lebenslängliche Invalidenunter- 
stützung bei einer ohne grobes Verschul- 
den eingetretenen Arbeitsunfähigkeit; 
5. eine Unterstützung der Witwen auf 
Lebenszeit bzw bis zur etwaigen Wieder- 
verheiratung;; 
6. eine Unterstützung zur Erziehung der 
Kinder verstorbener Mitglieder und Inva- 
liden bis nach zurückgelegtem 14, Lebens- 
jahre. 
Für die Mitglieder der am wenigsten 
begünstigten Klasse (damit sind die sogen 
unständigen, meist jüngeren oder nur vor- 
übergehend im Bergbau beschäftigten Ge- 
nossen gemeint) sind mindestens die un-
	        
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