Kolonisation.
foedus iniquum sich gewandelt hat, schal-
ten die Römer frei über der Latiner Ge-
schick. Sie pflanzen in fremden Boden
latinisches Reis, so daß latinische Sitte
und Recht Wurzel schlägt und die Römer-
herrschaft sichert. Die colonia Latina ist
des Bürgerrechtes nicht fähig, da sie
nicht, wie die colonia civium Romanorum,
ein Teil des Römerstaates ist, sondern als
selbständige Gemeinde dem römischen
Gemeinwesen fremd gegenübersteht.
Diese Selbständigkeit ist allerdings ein Geschenk der
Römer, und schon Polybius 82, 12, 9 sagt: in Rom
schenke niemand einem andern etwas. Vgl Mommsen
RStastsR 3 607, 645, 716 über die Abstufungen der
Selbständigkeit.
3. Nomen Latinum ist der Sammelname
der Latiner und der coloniae Latinae, also
die Bezeichnung für die des ius Latii teil-
haftigen Gemeinden. Die zum namen
Latinum gehörenden Gemeinden erfreuen
sich des commercium, das in der Regel
den übrigen socii nicht zusteht. Dagegen
fehlt ihnen das connubium: die Ehen
ihrer Bürger sind nur matrimonia iuris
gentium.
Livius 41, 8 — Gajus 1, 79. — Vgl Karlowa
BRGesch 1 307.
4. Mit der Unterwerfung Italiens durch
den Bundesgenossenkrieg, 90 v. Chr bis
88 v. Chr, erhalten alle Italiker das rö-
mische Bürgerrecht.
III. Das Recht der Republik verlangt
zur Begründung einer Kolonie ein Ge-
setz, dem ein Senatskonsult vorangeht.
Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung
der Kolonie für einzelne Schichten der
Bürger, die freiwillig hingehen wollen,
wird das Gesetz gewöhnlich vom Volks-
tribunen als Plebiszit rogiert.
1. Inhalt des Kolonialgesetzes ist ge-
wöhnlich eine Bestimmung über Art, Um-
fang und Ort der Kolonie, über die Kolo-
nisten und den magistratus coloniae de-
ducendae.
2. Der staatlichen Verteilung, assig-
natio, geht die von Amts wegen erfol-
gende Vermessung durch agrimensores
oder gromatici, Feldmesser, voraus.
Nach dem Vorbilde der römischen Staats-
landesvermessung wird im Koloniallande
die Bodenverteilung vorgenommen. Der
conditor grenzt mit dem Pfluge das Stadt-
gebiet, urbs mit Umwallung, ab. An die
Stelle der nach innen fallenden Schollen
kommt die Mauer, die Furche wird zum
Festungsgraben vertieft. Nur da, wo Tore
errichtet werden sollen, wird der Pflug
herausgehoben, der Boden unberührt ge-
lassen; vgl Karlowa RRGesch 1 91,
Posener Rechtslexikon I.
929
313. — Die gromatici liniieren das l.and
entweder in der Form der centuriatio oder
in der Form der Strigation. Der Unter-
schied beider Arten ist tatsächlich und
rechtlich bedeutend.
Die gromatici haben ihren Namen von groma, Meß-
instrument, auch stella oder machina genannt. Von den
Methoden der heutigen niederen Geodäsie verwenden die
Römer die — heute bei Gebieten mit 100 m Breite unter
Zuhilfenahme des Winkelspiegels anwendbare — Koordi-
natenmethode. Auf den rechtlichen Unterschied hat zuerst
Rudorff UromInstitut 296 aufmerksam gemacht. Siehe
aber Karlowa RRGesch 1 313.
a. Die Hauptart der Liniierung, bei voll-
berechtigten Bürgerkolonien angewen-
det, ist die Teilung im Quadrate. Sie
wird nach den immer hundert Landlose
betragenden centuriae als centuriatio oder
nach den Vermessungslinien als limitatio
bezeichnet. — Durch den Mittelpunkt des
Terrains, den Standort der groma, wird
nach der Koordinatenmethode ein recht-
winkliges Achsensystem gelegt. Die Or-
dinate, von Westen nach Osten, heißt
decumanus maximus; die Abszisse, von
Norden nach Süden, wird cardo maximus
genannt. Die den beiden Hauptachsen
parallel laufenden limites heißen decu-
mani und cardines. — Abgesehen von den
für die Fahrstraßen und Wege bestimm-
ten Flächen ist das Gebiet so in Quadrate
geteilt. Die Verlosung der Quadrate
heißt sortitio centuriarum.
b. Das Land für nicht vollberechtigte
Kolonien wird in Oblonge vermessen.
Es werden nur rigores, Parallele ohne
Senkrechte, gezogen. Die Oblonge, die
hierdurch entstehen, heißen scamna,
wenn sie von Westen nach Osten, und
strigae, wenn sie von Norden nach Sü-
den sich erstrecken.
3. In späterer Zeit unterscheidet man
die Deduktion von Kolonien in Provin-
zialgebiete von solchen auf italienischem
Boden.
IV. Die Rechtslage der Besitzer von
Staatsland hat sich so entwickelt, daß im
Laufe der Jahrhunderte eine allmähliche
Gleichstellung mit dem römischen Pri-
vatland erfolgt.
1. Das römische Gemeinland, der ager
publious mit seinem Zuwachse aus Er-
oberungszügen, steht im Eigentume des
Staates. Juristisch ist dies allerdings erst
zur Gracchenzeit anerkannt worden. Der
Quästor oder Zensor kann den ager pub-
licus verkaufen oder für koloniale Zwecke
verwenden. Was sonst übrig bleibt, kann
als ager occupatorius tatsächlich in Be-
sitz genommen werden.
F
59