Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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2. Nur die Altbürger haben das Recht, 
den staatlich nicht verwendeten Teil des 
ager publicus in Besitz zu nehmen. Meist 
handelt es sich um ödes Land, das dieser 
Beschaffenheit wegen unvermessen ge- 
blieben ist. Der Okkupant hat zunächst 
die staatliche Erlaubnis einzuholen und 
kann dann das Land als ager occupato- 
rius haben und bebauen. Der Besitzer 
sichert selbst sein Land durch Grenzen. 
Dieses Land wird daher auch als ager ar- 
cifinius bezeichnet. Nach einem Berichte 
des Appian zahlen die Patrizier ein vec- 
tigal an den Staat. 
Mommsen RßStaatseR 3 731; Karlowa RRGesch 
1 193, 95. P 
Kolporteure sind selbständige Gewer- 
betreibende, welche sich an öffentlichen 
Orten mit dem Vertrieb von Druckschrif- 
ten befassen; das Gewerbe kann als ste- 
hendes oder im Umherziehen betrieben 
werden. Für den Gewerbebetrieb gelten 
die allgemeinen Vorschriften der Gw. Für 
K(ol)p(orteure) gilt noch folgendes Be- 
sondere: 
Ausgeschlossen vom Feilbieten und 
Aufsuchen von Bestellungen im Umher- 
ziehen sind Druckschriften, andere Schrif- 
ten und Bildwerke, insofern sie in sitt- 
licher oder religiöser Beziehung Ärgernis 
zu geben geeignet sind, oder mittels Zu- 
sicherung von Prämien und Gewinnen 
vertrieben werden, oder in Lieferungen er- 
scheinen, wenn nicht der Gesamtpreis auf 
jeder einzelnen Lieferung an einer in die 
Augen fallenden Stelle bestimmt verzeich- 
net ist, Gw 56 Abs 3 Ziff 12. Für das 
Ärgernis kommt es nicht sowohl auf den 
Inhalt an sich als auf eine bestimmte Wir- 
kung an, welche die Druckschrift auf Käu- 
fer oder Nichtkäufer auszuüben geeignet 
ist, PrVBl 22 536. In religiöser Beziehung 
genügt es, daß die Druckschrift bei den 
Angehörigen eines christlichen Bekennt- 
nisses Ärgernis erregt, PrVBli 28 179, 
maßgebend ist dasjenige Lesepublikum, 
welches bei der Verbreitung im Umher- 
ziehen besonders in Betracht kommt, 
RegersE 21 230. Der Ausschluß ist nicht 
gerechtfertigt, wenn die Druckschrift in 
politischer Beziehung Ärgernis erregt, Re- 
gersE 26 216, oder auf das Sensationsbe- 
dürfnis spekuliert, SächsOVG 5 205. 
Der Kolportagehandel mit einzelnen 
Druckschriften kann auch aus andern 
Gründen durch Landesgesetz verboten 
werden, z. B. im Königreich Sachsen, 
wenn in dem Vertriebe einer Druckschrift 
  
Kolonisation — Kolporteure. 
die Veranstaltung einer Sammlung zu er- 
blicken ist, zu der nach $ 103 der Armen- 
ordn vom 22. Okt 1840 die behördliche 
Genehmigung erforderlich ist, RegersE 
26 47. 
Gegenstände, welche von dem Feilbie- 
ten im Umherziehen ausgeschlossen sind, 
dürfen auch innerhalb des Gemeindebe- 
zirks des Wohnorts oder der gewerblichen 
Niederlassung von Haus zu Haus oder auf 
öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder 
an andern öffentlichen Orten nicht feilge- 
boten oder zum Wiederverkauf angeboten 
werden, Gw 42 a Abs 1. 
Wer Druckschriften, andere Schriften 
oder Bildwerke im Umherziehen feilbieten 
will, hat ein Verzeichnis derselben der zu- 
ständigen Verwaltungsbehörde seines 
Wohnorts zur Genehmigung vorzulegen. 
Die Genehmigung ist nur zu versagen, 
soweit das Verzeichnis Druckschriften, an- 
dere Schriften oder Bildwerke der in $ 56 
Abs 3 Ziff 12 (siehe oben) bezeichneten 
Art enthält. Der Gewerbetreibende darf 
nur die in dem genehmigten Verzeich- 
nis enthaltenen Druckschriften, anderen 
Schriften oder Bildwerke bei sich führen 
und ist verpflichtet, das Verzeichnis wäh- 
rend der Ausübung des Gewerbetriebes 
bei sich zu führen, auf Erfordern der zu- 
ständigen Behörden oder Beamten vorzu- 
zeigen und, sofern er hierzu nicht im- 
stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb 
bis zur Herbeischaffung des Verzeichnis- 
ses einzustellen, Gw 56 Abs 14. Für 
die Versagung der Genehmigung gilt 
Gw 63. 
Wer gewerbsmäßig Druckschriften oder 
andere Schriften oder Bildwerke auf 
öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder 
an anderen Öffentlichen Orten ausrufen, 
verkaufen oder verteilen will, bedarf dazu 
einer Erlaubnis der Ortspolizeibehörde 
und hat den über diese Erlaubnis auszu- 
stellenden, auf seinen Namen lautenden 
Legitimationsschein bei sich zu führen, 
Gw 43 Abs 1. Ein gewerbsmäßiger 
Druckschriftenverkauf liegt auch dann vor, 
wenn der Verkauf zugunsten eines Drit- 
ten, z. B. eines Arbeiterverbandes erfolgt; 
ob der Preis lediglich den Selbstkosten 
entspricht, ist unerheblich, ebenso ob der 
Verkäufer ohne jedes eigene Entgelt den 
Verkauf übernimmt, RegersE 26 35. Auf 
die Erteilung und Versagung der Erlaub- 
nis finden die Vorschriften des 8 57 Abs 1, 
2, 4, der 88 57a, 57b Ziff 1 und 2 und
	        
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