Kunstgewerbe.
plare eines Stoffes oder eines Schmuck-
stückes. Daß aber unzählige kunstge-
werbliche Gegenstände nach je einem
Modell unterschiedslos produziert wer-
den, ist das Symbol dafür, daß jedes die-
ser Dinge sein Gesetz außerhalb seiner
selbst hat, nur das zufällige Beispiel eines
Allgemeinen ist. Dies ist aber durchaus
keine Deklassierung des Kg, so wenig
überhaupt das Allgemeinheitsprinzip und
das Individualitätsprinzip eine Rangord-
nung untereinander besitzen. Sie sind viel-
mehr die Pole der menschlichen Gestal-
tungsmöglichkeiten überhaupt, von denen
keiner entbehrt werden kann.‘“ Selbst
wenn der kunstgewerbliche Gegenstand
nur einmal vorhanden der materiellen
Kostbarkeit wegen, der technischen
Schwierigkeit der Ausführung oder aus
anderen persönlichen oder zufälligen
Gründen, „so ist doch stets sein Sinn, re-
produziert zu werden: Von innen heraus
ist er auf Vielmaligkeit im Gegensatze zur
Einmaligkeit, auf gesetzmäßige Wieder-
holtheit angelegt.“
Vgl Georg Simmel Das Problem des Stile; Deko-
rative Kunst, herausg von H. Bruckmann, München
16 (1908) 307—316. Hoeber.
Kunstgewerbe (Schutz)... Während
nach früherem Rechte Kunstwerke, wenn
sie von dem Berechtigten zu Nützlichkeits-
zwecken Verwendung fanden, den Cha-
rakter von Kunstwerken verloren und mit-
hin einen Kunstschutz nicht erhielten, viel-
mehr nur nach dem Musterschutzgesetz
vom 11. Jan 1876 geschützt werden konn-
ten, hat das Gesetz betr das Urheberrecht
an Werken der bildenden Künste und der
Photographie vom 9. Jan 1907 nach der
herrschenden Meinung mit diesem Grund-
satz gebrochen: der Unterschied von
Kunstwerken und Geschmacksmustern
beruht nicht auf ihrer Bestimmung, er
richtet sich lediglich nach inneren Quali-
täten. Nur Schanze in den Mitteilun-
gen vom Verband deutscher Patentan-
wälte 08 14ff beharrt auf dem Stand-
punkte, daß Geschmacksmuster und Er-
zeugnisse des K(unst)g(ewerbes) im Sinne
des $ 2 dieses neuen Kunstschutzge-
setzes einander begrifflich ausschließen.
Dieser $ 2 spricht schlechthin aus, daß
zu den Werken der bildenden Künste die
Erzeugnisse des Kg gehören. Der Begriff
des Kg ist im Gesetze nicht definiert,
die Entwickelung dieses Begriffes, dessen
Tatbestand vorausgesetzt wird, ist viel-
mehr der Theorie und Praxis überlassen.
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Während bereits in einem Urteile des
RG vom 18 Mai 1888, Entsch in
Strafsachen 17 371, die bildende
Kunst als die Darstellung des sicht-
bar Schönen in nicht organischem
Stoff definiert wird, versteht Kohler
25 unter einem Werk der bildenden
Kunst ein subjektives._ menschliches
Raumgebilde, welches darauf abzitlt, den
menschlichen Sinnen eine Weltschöp-
fungsidee darzustellen. Dernburg
157 faßt das Erzeugnis des Kg als die
vergeistigende Darstellung der Körper-
welt auf, Gierke 1 776 sieht das Wesen
darin, daß ein Werk auf die Versinn-
lichung des Schönen gerichtet sei und sich
seinem Hauptzweck nach an das ästhe-
tische Gefühl wende, und Osterrieth
Kommentar 16 betrachtet als Werk der
bildenden Künste die durch die Mittel der
bildenden Künste zum sichtbaren Aus-
druck gelangte individuelle Schöpfung.
Die Praxis der Gerichte hat sich bisher
anscheinend wenig mit der Festlegung
des Begriffs des Kg beschäftigt. Von
grundlegender Bedeutung ist eine Entsch
des Königl OLG zu Dresden vom 31. März
1908, abgedruckt u. a. in der Zeitschr
Markenschutz und Wettbewerb 8 72ff,
geworden, in welcher als Geschmacks-
muster geschützten Erzeugnissen der
Plauenschen Spitzenindustrie die Eigen-
schaft von Erzeugnissen des Kg zuge-
sprochen wird. In den Entscheidungs-
gründen wird ausgeführt, unter den
Schutz des Gesetzes seien nicht bloß sol-
che gewerbliche Gebilde, welche Werke
der bildenden Künste seien, sondern auch
solche gewerbliche Gebilde gestellt wor-
den, welche zwar nicht als Werke der bil-
denden Künste angesprochen werden
könnten, wohl aber künstlerische Eigen-
art an sich trügen; infolgedessen sei das
fragliche Geschmacksmuster als ein sol-
ches Erzeugnis des Kg anzusehen, da es
dazu bestimmt und geeignet sei, durch
seine Formgestaltung auf den Schön-
heitssinn einzuwirken, und es nicht ledig-
lich unter die bloßen Linienmuster des
Textilgewerbes oder die Vorlagen der
Konfektion ohne ausgeprägte individuelle
Formung falle, welche nach der Begrün-
dung des Gesetzes nach wie vor nur dem
Musterschutz unterliegen sollten.
Eine brauchbare, überall anwendbare
Begriffsbestimmung für das Kg oder für
Werke der bildenden Kunst wird sich