Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

96 Wilhelm der Siegreiche. 
rich Wilhelms IV. genialer Natur die rechte Festigkeit mangelte, welche zu den 
vornehmsten Tugenden eines Herrschers zählt. Der politische Blick des Prinzen 
Wilhelm erkannte das Richtige, und seine Willenskraft wollte die Krone vor 
Demütigungen bewahren. Deshalb war er im März 1848 zwar für Be- 
willigung einer konstitutionellen Verfassung, aber zuvor für energische Unter- 
drückung der aufständischen Bewegungen. Da man den Prinzen überdies für die 
Seele der volksfeindlichen Strömungen am Hofe hielt, so sah er sich vom blinden 
Haß der aufgeregten Menge verfolgt. Der König hielt es daher für angemessen, 
daß der Prinz einige Zeit von Berlin fern bleibe, und so begab sich derselbe 
am 22. März nach London, wo er mit dem Prinzen Albert, mit den Staats- 
männern R. Peel, J. Russell, Palmerston und andern hochstehenden Personen 
viel verkehrte und Erlegenheit hatte, im Umgange mit ausgezeichneten Männern 
seine Anschauungen zu klären. Auf Antrieb des Ministeriums Camphausen im 
Juni nach Berlin zurückgerufen, ward er in die preußische Nationalversamm- 
lung gewählt, doch nahm er hier, nachdem er in einer kurzen Rede seine kon- 
stitutionellen Grundsätze dargelegt hatte, keinen weiteren Anteil an den Ver- 
handlungen. 
Was der Prinz von Preußen als Oberbefehlshaber der preußischen 
Truppen, welche zur Niederwerfung des pfälzisch-badischen Aufstandes aus- 
marschiert waren, geleistet hat, haben wir an einer andern Stelle dieses Buches 
bereits berichtet, Bei Eröffnung des Feldzugs war der Prinz bei Mainz glück- 
lich der Kugel eines Meuchelmörders entgangen; statt seine Person hatte sie 
ein Pferd und den Postillon getroffen. Unter seiner festen und einheitlichen 
Leitung wurden die Aufständischen überall geschlagen, so daß der Prinz bereits 
am 25. Juni 1849 in die frei aufatmende Hauptstadt Badens einziehen konnte. 
Anfang Juli ward auch das Oberland bis Freiburg gesäubert, und am 
23. Juli kapitulierte Rastatt. Mit bewegtem Herzen trennte sich der fürstliche 
Oberbefehlshaber von seinen Soldaten, mit denen er alle Gefahren geteilt 
hatte, als ihn sein königlicher Bruder im Oktober 1849 bei Auflösung des 
Operationskorps zum Militärgouverneur der Rheinprovinz und Westfalens, 
sowie zum Oberbeschlshaber der Okkupationstruppen in Baden, Hohenzollern 
und Frankfurt a. M. bestimmte. Zu jener Stellung trat am 1. März 1854 
noch die eines Generalobersten der Infanterie mit Feldmarschallsrang und eines 
Gouverneurs der Bundesfestung Mainz. 
Während seines dienstlichen Aufenthalts in der Rheinprovinz wohnte der 
Prinz mit seiner Familie in der schönen Rheinstadt Koblenz. Dort beging er 
auch am 1. Januar 1857 die Feier seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums, 
bei welcher Gelegenheit er zum Chef des 7. Husarenregiments in Bonn er- 
nannt wurde. Von der Politik hielt sich der Prinz in diesen Jahren fern; bei 
seinem lebhaften Gefühl für nationale Ehre und bei seiner strengen Auffassung 
des gegebenen Wortes vermochte er aber dem Schalten und Walten der Ber- 
liner Regierungskreise nicht immer zuzustimmen. Die am Ruder befindlichen 
Rückschrittsmänner machten von der erlangten Macht rücksichtslos den ihnen 
passend erscheinenden Gebrauch oder richtiger Mißbrauch, ja der Prinz selbst 
hatte von dem Übermute dieser Partei zu leiden, wodurch die ihm früher
	        
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